Entwicklungspsychologie
Grundlagen
Psychologie
„Wissenschaft vom Erleben und Verhalten, unter Berücksichtigung der Entwicklung,
Konstanz und Veränderung von Verhaltens- und Erlebensweisen, sowie der
mitmenschlichen (sozialen) Umgebung und den relativ überdauernden, veränderlichen
Gegebenheiten (ökonimische, politische, kulturelle Faktoren) der Lebenswelt.“
(Drever & Fröhlich 1973)
Entwicklung
„Veränderung der Form und des Verhaltens von Lebewesen…als Ontogenese (Keim →
Individuum) und Phylogenese (Entwicklung der Art)…als Prozess der Differenzierung
(Ausgliederung von Teilfunktionen aus diffusen Ganzheiten) und Zentralisierung
(vereinheitlichende Zusammenfassung) der Teilfunktionen in Richtung auf ein Ziel)... Der
Begriff Entwicklung wird sowohl auf Körperliches wie auf Seelisches angewandt.“
(in Anlehnung an Dorsch 2004, 251)
Enzwicklungspsychologie
„Teilgebiet der Psychologie, dessen Gegenstand die Erforschung und Beschreibung der
seelischen Entwicklung ist, und zwar
(1) in ontogenetischer Hinsicht (lebenslange Entwicklung) und
(2) in phylogenetischer Hinsicht (seelische Entwicklung des Menschengeschlechts).“
(Dorsch 2004, 252)
01 Konzeptionen der Entwicklung
Entwicklungsbegriff
Konzept: Entwicklungsphasen
• Erste Alterstypologien für das Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter
• Beschreibung der Funktion, des Sinns jeder Phase und der Entwicklungsrichtung
• Bekanntes Phasenmodell: Persönlichkeitsentwicklung
Konzept: Entwicklungsstufen – Grundannahmen
• Veränderungsreihe in irreversiblen Schritten
• in Richtung auf einen höherwertigen End- oder Reifestand
• Stufen als qualitative Transformationen (vs. quantitativem Wachstum)
• frühere Stufen sind Voraussetzung für die nachfolgenden
• Veränderungen sind mit dem Lebensalter korreliert
• Universell
Bsp. Stufenmodell
,Entwicklungspsychologie
Begrenzung des Stufenmodells
• Viele Veränderungen nicht als Stufen beschreibbar: z.B. Leistungsmotivation, spätere
Auswirkungen unsicherer Bindung
• Annahme der Entwicklung zu einem höheren Niveau zu einschränkend: z.B. Entwicklung
antisozialen Verhaltens, Nachlassen kognitiver Fähigkeiten im Alter
• Konzeption eines universellen Reifestandes zu einschränkend: z.B. Entwicklung
wissenschaftlichen Denkens
• Stufen nur als quantitative Veränderungen nicht sinnvoll: z.B. Was bedeutet Entwicklung
zu mehr Autonomie?
• Stufen nur als qualitative Veränderungen nicht sinnvoll: z.B. quantitative Veränderungen
bei der Intelligenzentwicklung
• Beschränkung auf universelle Veränderungen problematisch: z.B. Kultureinfluss,
individuelle Anlagen und Erfahrungen, pathologische Entwicklungen
Weiter Entwicklungsbegriff
Kernpunkte
• Gesamte Lebensspanne (nicht nur Kindes- und Jugendalter)
• Differenzielle Entwicklung (nicht allgemeine Entwicklung)
• Entwicklung von Sondergruppen, Störungen (nicht nur normale Entwicklung)
• Alle nachhaltigen Veränderungen (nicht nur Reifezustände)
• Veränderungen aufgrund spezifischer Konstellationen oder Dispositionen (nicht nur
„normale“ Entwicklung)
Grundannahmen: Theoriebildung
Prototypische Modellfamilien/Entwicklungstheorien
Modelle
• Exogenistisch: nur externe
Einflussfaktoren (Behaviorismus, Watson)
• Endogenistisch: nur interne
Einflussfaktoren (Anlage, Reifung,
genetische Entwicklungsprogramme)
• Aktional: Mensch als Mitgestalter seiner Entwicklung (Konstruktivismus (Piaget))
• Transaktional, systemisch: Einfluss des Entwicklungssubjekts als auch der
Entwicklungskontexte - Mensch und Umwelt bilden ein Gesamtsystem
Konzept der Passung (Brandstätter 1985)
Exogenistisch Aktional
Mutter (Förderung d. Umwelt) Mensch agiert autonom
Extrinsische Motivation (Bsp.) Selbstbestimmte Entwicklung
Kontrolle durch ext. Einfluss Mensch setzt eigene Ziele + Werte
Umwelt → aktiv Umwelt → passiv
Subjekt →passiv Subjekt → aktiv
Endogenistisch Transaktional
Freundin Vater
Anlagen/Gene → gen. trans (lat.) „zwischen“
Entwicklungsprogramme Wechselwirkung zwischen Entwicklungsobjekt
Intrinsische Reifung und Entwicklungskontext
interner Einfluss Umwelt → aktiv
Umwelt → passiv Subjekt → aktiv
Subjekt → passiv
,Entwicklungspsychologie
Passung – Entwicklungsprobleme als fehlende Passung zwischen
• Zielen des Individuums selbst
• Seinen Potenzialen (Dispositionen, Kompetenzen etc.)
• Anforderungen des Umfelds (Familie, Schule etc.)
• den Angeboten der Umwelt (Lern-, Hilfsangebote, Ressourcen etc.)
Gegenstandsbestimmung – Bedarf in den Praxisfeldern
Kernpunkte
• Lebenslauforientierung: Fragen zu Kompetenzen, Einstellungen, Interessen,
Anforderungen vs. Schutz/Schonung in jedem Alter, Mindestalter für Geschäftsfähigkeit
oder Strafmündigkeit etc.
• Normatives Wissen bereitstellen: Beschreibung von Lebensphasen, altersspezifischen
Entwicklungsaufgaben/-problemen, Entwicklungsnormen etc.
• Individuelle Unterschiede beachten
Unterschiede durch Entwicklungstests messen
• Prognose der Ausprägung bzw. Veränderung von Personmerkmalen
Grundlage für Entscheidungen, aber Prognosen haben ein hohes Irrtumsrisiko
(denn nicht alle Einflussfaktoren sind bekannt, nicht alle Einflüsse vorhersehbar
und es besteht die Freiheit der Selbstgestaltung)
• Ermittlung von Entwicklungsbedingungen
Beachtung langfristiger Auswirkungen von Einflüssen und Untersuchung inwieweit
der aktuelle Entwicklungsstand Bedingung für weitere Veränderung ist
• Begründung von Entwicklungszielen: Zielsetzungen basieren auf
entwicklungspsychologischem Wissen (Erreichbarkeit und Sinn)
• Planung und Evaluation von
Entwicklungsinterventionen
basieren auf Prognosen,
Bedingungswissen,
Zielentscheidungen und dem Wissen
um die Wirksamkeit bzw.
Nebeneffekten von Interventionen
Beispiele
, Entwicklungspsychologie
Gegenstand der Entwicklungspsychologie
• Verschieden Funktionsbereiche aufeinander beziehen (z.B. sensomotorische und
kognitive Funktionen in der Kindheit und im Alter)
• Theorien und Methoden für kurz-, mittel- und langfristige Veränderungen, sowie
interindividuelle Unterschiede und intraindividuelle Veränderungen
• Integrierte Betrachtung von Verhalten und Gehirn → s.u.
• Das Lebensalter als Zeitachse entwicklungsrelevanter Veränderungen: Veränderungen
können mit dem Alter korreliert sein - Alter erklärt sie aber nicht
• Fokus auf dauerhafte und nachhaltig wirkende Veränderungen: prospektiv und
retrospektiv auf die Lebensspanne
• Bestimmung des Verhältnisses von Kontinuität und Diskontinuität (Innovation): Erklärung
von Veränderungen heißt Kontinuitäten in der Entwicklung und zugleich Diskontinuitäten
im Lebenslauf
Integration Verhalten und Gehirn