Gesundheitspsychologie I
Thema 1 – Meilensteine der Gesundheitspsychologie
01 Meilensteine in der Entwicklung des Faches
Das Weltbild im Wandel der Zeit…
Das Weltbild einer Zeit spiegelt sich auch im Verständnis von Gesundheit und Krankheit
wieder:
1. Wie erklären sich Menschen einer Epoche ihre Krankheit?
2. Wie organisiert sich eine Gesellschaft, um Gesundheit ihrer Mitglieder zu erhalten?
3. Welche gesellschaftlichen Institutionen und Spezialisten sind für Gesunderhaltung
vorgesehen?
Mittelalter bis Anfang 18. Jh.
Mittelalter (ca. 15 - 16. Jh).:
Gesundheit und Krankheit als göttliche Fügung, als Schicksal
Krankheit als Strafe Gottes, als Buße für sündhaftes Leben, als Mahnung zur
Rückbesinnung auf Gott
Epoche der Aufklärung (ca. 1750-1800):
Vorstellung, dass auch der Einzelne und die Gesellschaft für die Lebensumstände
verantwortlich sind; Gott hat nicht die alleinige Verfügung über das Leben
Selbstverantwortung für Gesundheit propagiert (durch „vernünftiges Verhalten“
sei Krankheit zu vermeiden)
Aufklärung
Diätetik (Hufeland, Tissot & Triller) als Programm zur Erhaltung von Gesundheit:
Regeln für gesunde Lebensweise und ein natürliches Leben (in Anlehnung an J. J.
Rousseaus Vorstellung von Gesundheit)
o Vorteile des einfachen Lebens, die den Körper leistungsfähig macht und abhärtet
wurden betont
o Krankheit durch Leben im Luxus, Maßlosigkeit und Laster in den wohlhabenden
Schichten bzw. übermäßige Arbeit, Armut und mangelnden Ausgleich in den
arbeitenden Schichten
o Gesundheitsregeln: Mäßigung in allen Lebens-Mitteln (Luft, Nahrung, Getränke),
im Geschlechtsverkehr, Ausgleich von Bewegung und Ruhe, Reinigung des
Körpers und Entwicklung von Körpersensibilität
19. – 20. Jh.
Entwicklungen der naturwissenschaftlichen Medizin hatten großen Einfluss auf Verständnis
von Krankheit:
Experimentelle Forschung (z.B. auf den Gebieten der Physiologie, Chemie,
Pathologie)
Erfolg bei der Bekämpfung der epidemischen Infektionserkrankungen
(Tuberkulose, Cholera, Ruhr) u.a. durch Entdeckung der krankheitsauslösenden
Bakterien
Analyse des Körpers in immer kleineren Einheiten möglich (Organ, Gewebe, Zelle,
Molekül)
Krankheit als messbarer Defekt in den Organen
Krankheit von der Person und ihrem Leben getrennt
Der kranke Körper ist unter medizinische Kontrolle zu bringen und auf ärztliche Hilfe
angewiesen
, Gesundheitspsychologie I
Weitreichende Folgen
1. Ärzte als Berufsgruppe und Experten für Krankheiten
2. Krankenschwestern zur Unterstützung ärztlicher Bemühungen
3. Ultimatives Versorgungszentrum (Prototyp) - das Krankenhaus
Kuratives Gesundheitssystem ist spezialisiert auf Behandlung von Krankheiten
IST-ZUSTAND der Gewichte verschiedener Versorgungssegmente im
Gesundheitsbereich
Chronisch-Degenerative Erkrankungen
Wandel im Krankheitsspektrum der Bevölkerung: 19 Jh. bis erste Hälfte des 20 Jh.:
Abnahme früherer epidemischer Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Cholera,
Typhus, Ruhr)
Gleichzeitig Zunahme chronisch-degenerativer Erkrankungen (sog.
Zivilisationserkrankungen)
Viele dieser Erkrankungen haben Ihre Krankheitsursachen im psychischen, sozialen
und gesellschaftlichen Bereich
Mögliche Ursachen für „Zivilisationskrankheiten“
Zuckerkonsum (Süßigkeiten, Lebensmittel, Getränke)
Zigarettenrauch /Nikotin
Alkohol
Bewegungsmangel
Über- und Fehlernährung
Umweltgifte Lärmbelastung
Stress
übertriebene Hygiene (s. Hygienehypothese der Allergieentstehung)
Veränderte Normen und Ideale (z. B. Leistungsdruck, Schlankheitsideal)
Bedeutung der Infektionskrankheiten…
Studie von McKeown (1982): Rückgang der Infektionskrankheiten (v.a. Tbc) hängt
mit der Verbesserung der Lebensverhältnisse zusammen, d.h. Ernährung,
Bekleidung, Körperhygiene, Arbeitsbedingungen, politische & soziale Verhältnisse
Einfluss des Fortschritts der Medizin bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten
wird überschätzt
o Effektive Therapien für Tuberkulose, Bronchitis, Ruhr wurden relativ spät (z.B.
Tbc um 1950) gefunden, nachdem die Mortalitätszahlen deutlich
zurückgegangen sind