I. Rechtswidrigkeit .......................................................................................................................................................................... 1
II. Schuld .......................................................................................................................................................................................... 6
III. Versuch & Rücktritt ..................................................................................................................................................................... 7
IV. Täterschaft & Teilnahme ........................................................................................................................................................... 11
V. Kausalität & Obj. Zurechnung ................................................................................................................................................... 18
VI. Unterlassen ............................................................................................................................................................................... 19
VII. Vorsatz & Fahrlässigkeit ............................................................................................................................................................ 21
VIII. Konkurrenzen ............................................................................................................................................................................ 22
I. Rechtswidrigkeit
1. § 32 etc.: Anforderungen an das subj. Rechtfertigungselement
- Rspr.: Verteidigungswille (Muss nicht einziges Motiv sein, solange er nicht ganz hinter anderen Motiven zurücktritt)
• Pro: Kompensationsgedanke: Bei Handeln ohne Verteidigungsabsicht steht Handlungsunwert auf Tatbestandsebene auf
Rechtfertigungsseite keine ausreichende Kompensation gegenüber
• Pro: Wortlaut § 32: „um einen Angriff abzuwehren“
- h.Lit.: Kenntnis der Notwehrsituation genügt
• Pro: Verteidigungswille prozessual nicht feststellbar
• Pro: Sonst Gesinnungsstrafrecht, da bestraft wird, nur, weil der Betreffende nicht in Notwehr etc. handeln wollte
2. § 32 etc.: Wie ist zu bestrafen, wenn das subj. Rechtfertigungselement fehlt?
- Frühere h.M.: Bestrafung wg. vollendeter Tat
• Arg: Derjenige, der sich in Angriffsabsicht gg. das Recht wendet & so gerade auch den Erfolg herbeiführt, kann nur aus voll-
endetem Delikt strafbar sein.
• Contra: Die Tatsache, dass der Täter den Erfolg herbeiführt, ist kein Argument für eine Vollendungsstrafbarkeit, da dies auch
in Fällen vollständiger Rechtfertigung gegeben ist.
- Heutige h.M.: Bestrafung wg. Versuch (falls strafbar)
• Pro: Erfolgsunrecht (-), da es durch Vorliegen der obj. Vss. eines RFG beseitigt wurde; Handlungsunrecht (+), da nicht ausge-
glichen durch subj. RFG à Entspricht der Lage beim untauglichen Versuch
3. § 32: Angriff ohne Handlungsqualität: Angriff (-), aber Notstandslage iSv §§ 34, 35; Grund: Nicht vom Angreifer beherrschbar
4. § 32: Angriff ohne schuldhaftes Handeln
- Schuldlos handelnder Angreifer (MJ, Geisteskranke etc.)
• eA: Angriff (-) à Kein Notwehrrecht
• aA: Angriff (+), aber eingeschränktes Notwehrrecht (3-Stufen-Theorie)
§ Pro: Individualschutzbedürfnis besteht auch ggü. schuldlos Handelnden, nur der Bedarf nach Rechtsbewährung ist deut-
lich reduziert, da das rgverletzende Verhalten nicht vorwerfbar ist
§ Pro: „Rechtswidriger Angriff“ verlangt gerade kein schuldhaftes Handeln
- Vermindert schuldfähiger Angreifer (stark alkoholisiert etc.)
• Allg. M.: Notwehrrecht (+) Pro: Individualschutz & Rechtsbewährung
• Einschränkung des Notwehrrechts nötig? eA: (+) iRd Gebotenheit je nach Grad der Schuldminderung; Contra: Erhebliche
Unsicherheiten; aA: Uneingeschränkt
5. § 32: Angriff durch Unterlassen
- h.M.: (+), aber nur, wenn Garantenpflicht besteht
• Pro: Wenn auf TBEbene bei Garantenpflicht das Tun dem Unterlassen gleichgestellt wird, muss dies auch bei der RW so sein
- m.M.: (+), auch wenn nur eine Jedermann Rechtspflicht besteht, wie bei § 323c StGB
• Contra: Systematik: Echtes Unterlassen ist nur als Verletzung der allg. Hilfspflicht (nur Allgemeingut) & nicht als handlungs-
gleiche Verletzung des beeinträchtigten RG strafbar, kann daher auch keinen Angriff darstellen.
• Contra: Hilfeleistung nur im Rahmen des zumutbaren erforderlich à Würde überspielt werden, wenn Täter nach § 32 Ein-
griffe hinnehmen müsste, die weit über das „zumutbare“ hinausgehen
- Gleicher Streit für § 142: Arg: Sonderpflicht, die nur Unfallbeteiligte trifft à Mit Pflicht nach § 13 vergleichbar
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,6. § 32, § 127 StPO: Angriff durch Flucht à Ist eine Notwehrlage zu verneinen, wenn der Angriff nur darin besteht, dass man
durch Flucht „nur“ eine Forderung entzieht? (-)
- Pro: Die engeren Vss. des § 127 I StPO würden sonst nur greifen, wenn jmd. wg. eines nicht vermögensrelevanten Delikts
flüchtig ist oder, wenn man bei § 32 nicht nur Kenntnis der Notwehrlage, sondern einen Verteidigungswillen voraussetzt &
daher nach subj. Kriterien sw. § 32 & 3 127 abzugrenzen versucht
- Contra: Bei § 127 I StPO kann nur die Rechtsbewährung zur Legitimierung der Rechtfertigung herangezogen werden, bei § 32
zusätzlich der Individualschutz
- Contra: IdR wird durch Flucht § 143 I Nr. 1 verwirklicht = Spezieller TB, der individuelles Vermögen schützt: Jdf. in Fällen einer
sog. Unfallflucht soll in der Vermögensgefährdung ein eigenständiger Angriff liegen
7. § 32: Teilbarkeit des Unrechts möglich?
- eA: Notwehr nur möglich, wenn der RFG bei sämtl. Delikten, die durch ein Verhalten verwirklicht werden, greift
• Arg: Dem Normunterworfenen muss klares Ergebnis geliefert werden, damit dieser sein Verhalten daran orientieren kann
• Contra: Wenn es um die Überlagerung verschiedener Rechtsverhältnisse geht, kann dies zu unterschiedl. Beurteilungen füh-
ren (z.B. Angreifer – Verteidiger vs. Angreifer – Allgemeinheit)
- aA: (+); Arg: Das gerechtfertigte Verhalten bleibt ja grds. verboten, der Handlungs- & Erfolgswert ist im Einzelfall nur reduziert
8. § 32: Präventive Notwehr & Antizipierte Notwehr
- Präventive Notwehr: Gegenwärtig (-); Es wird gerade verhindert, dass es überhaupt zu einem Angriff kommt: § 32 (-) evtl. § 34
(+) (Gefahrbegriff weiter als Angriff)
- Antizipierte Notwehr (Bsp. Selbstschuss Sicherheitsanlage)
• h.M.: Gegenwärtigkeit (+), da in dem Moment, in dem der Mechanismus ausgelöst wird, der Angriff unmittelbar bevorsteht
• aA: Bei Installationen ist Angriff nicht gegenwärtig, es handelt sich um einen Fall präventiver Notwehr
• (P) In beiden Fällen: Erforderlichkeit in beiden Fällen (-), da durch vorherige Festlegung auf automatisches Abwehrprogramm
keine Abstufung entsprechend dem konkreten Angriff möglich ist
9. § 32: Begründet bereits das Erfolgsunrecht des Angriffsverhaltens die RW?
- eA: Erfolgsunrecht genügt
• Arg: RW ist jeder Angriff, den der Angegriffene nicht zu dulden braucht
• Contra: Betont einseitig den Aspekt des Individualschutzes
- aA: Maßgeblich ist auf Handlungsunrecht abzustellen: Angreifer muss vorsätzlich oder obj. fahrlässig handeln
• Arg: Wer gegen keine Norm verstößt, somit alles richtigmacht, handelt nicht rw; Arg: Berücksichtigt auch Aspekte der Rechts-
bewährung; Evtl. kommt § 34 in Betracht
10. § 32: Notwehrprovokation
Heute ganz h.M.: Bei Notwehrprovokation kann das Notwehrrecht des Verteidigers sozialethisch eingeschränkt werden. Anknüp-
fungspunkt hierfür ist das Merkmal der Gebotenheit in § 32. Hinsichtlich des Ausmaßes der Einschränkung sind zwei Fallgruppen
zu unterscheiden:
Absichtsprovokation
Objektive Anforderungen: Jeder Verursachungsbeitrag, ausreichend sind auch Sticheleien unterhalb der Schwelle des § 185; subj.
Anforderungen: Absicht, eigene Notwehrlage herbeizuführen. Die Konsequenzen sind umstritten:
- h.M.: Gänzlicher Wegfall des Notwehrrechts
• Pro: Einwilligungsähnlicher Verzicht auf Rechtsgüterschutz & somit freiwillige Risikoübernahme
• Pro: Wegen Manipulation des Geschehens wäre Verteidigung rechtsmissbräuchlich
• Pro: Rspr.: Notwehr bloßer Deckmantel, daher kein Verteidigungswille
• Pro: Eigentlicher Angreifer ist Provokateur, keine Schutzwürdigkeit (Fehlender Aspekt der Rechtsbewährung)
- a.A.: Abgestuftes Notwehrrecht (erst Schutz-, dann Trutznotwehr)
• Pro: Einer Provokation hat jdm. grds. zu widerstehen & darf nicht zum Angriff übergehen (Mitverantwortung des Angreifers)
In sonstiger Weise vorwerfbares Verhalten
Folge: nur eingeschränktes Notwehrrecht, Maß der Einschränkung bemisst sich nach Grad der Vorwerfbarkeit. Grds.: „3-Stufen-
Theorie“: Ausweichen; Schutzwehr; Trutzwehr
Umstritten ist, welches Verhalten als vorwerfbar anzusehen ist:
- h.Lit.: Das Vorverhalten muss rw – nicht aber zwingend auch strafbar – sein
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, • Pro: Klares Kriterium, gerade das schneidige Notwehrrecht sollte nicht von so unscharfen Kriterien wie der sozialen Missbil-
ligung abhängen.
- BGH: Schon „sozialethisch missbilligtes Verhalten“, das „seinem Gewicht nach schwerer Beleidigung“ gleichkommt, genügt.
Vss. ist aber, dass zw. Provokation & Angriff ein enger räumlich-zeitl. Ursachenzsmhang besteht & dass der Provokateur Kennt-
nis davon hatte, dass sein Verhalten geeignet war, einen Angriff auszulösen (= obj. & subj. Provokationszusammenhang)
• Contra: Kriterien für „sozialethisch missbilligtes Verhalten“ zu unklar
• Contra: Nur Verstoß gg. das Recht führt dazu, dass Täter sich insgesamt nicht mehr auf Rechtsbewährung berufen kann
aA: Actio illicita in causa (alic)
- § 32 uneingeschränkt (+), aber ggf. Strafbarkeit durch Anknüpfen an Vorverhalten: Provozierendes Vorverhalten wird als Be-
ginn der tbmäßigen & rw Ausführung der dann gerechtfertigten Tat gesehen
- Bsp.: § 212 (+), aber nicht durch Messerstiche (§ 32), sondern durch provozierendes Vorverhalten
- Contra: Provozierendes Verhalten an sich ist nicht tbmäßig in Hinblick auf den später verwirklichten TB
- Contra: Wenn Vorverhalten an sich nicht rw ist, kann RW nicht dadurch „fingiert“ werden, dass es auf Herbeiführung einer
Situation gerichtet ist, in der die RO gerade eine Verteidigung erlaubt
11. § 32: Schränkt Art. 2 II lit. a EMRK die Notwehrbefugnisse ein?
- eA: Art. 2 II lit. a EMRK gilt nur zw. Staat & Bürger, nicht im Verhältnis Bürger & Bürger: Keine einschränkende Wirkung
- aA: Beschränkung der Anwendung einer vorsätzlichen Tötung auf Abwehr von Gewalt gg. eine Person (nicht: Sachwerte): Ein-
schränkung auf Gebotenheitsebene
- Allg. gilt: Art. 2 II lit. a EMRK lässt sich wohl eher keine mittelbare Drittwirkung für das Verhältnis Privater entnehmen
- Zudem: Berücksichtigung der EMRK erfordert Modifikation des § 32: Sonst vergleichbar mit Analogie zul. des Täters gleich
- Zudem: Für Ergebnis idR irrelevant, da Art. 2 EMRK nur absichtliche Tötungen meint („intention“), bei Verteidigung von Sach-
werten aber idR nur Eventualvorsatz bzgl. der Tötung besteht
12. § 32: Wann ist eine Amtshandlung ein rechtswidriger Angriff i.S.d. § 32?
- eA: Materieller/verwaltungsrechtl. Rechtmäßigkeitsbegriff
• RM ist die Vollstreckungshandlung nur, wenn alle ihre Vss. vorliegen. Differenzierend werden teils nur nichtige Maßnahmen
als rw angesehen oder es wird auf die verwaltungsrechtl. Vollstreckbarkeit der Maßnahme abgestellt
• Pro: Einheit der Rechtsordnung und Schutz der bürgerlichen Freiheitssphäre
- hM: Strafrechtl. Rechtmäßigkeitsbegriff: Die Diensthandlung ist ohne Berücksichtigung der materiellen Rechtslage schon dann
rm, wenn folgende drei Vss. erfüllt sind:
• Sachliche & örtliche Zuständigkeit des Vollstreckungsbeamten
• Wahrung der wesentlichen Förmlichkeiten (v.a. Formvorschriften, die dem Schutz des Betroffenen dienen
• Pflichtgemäße Würdigung der tatsächl. Eingriffsvss., ggf. pflichtgemäße Ermessensausübung. Falls diese erfolgt ist, steht ein
falsches Ergebnis der RM nicht entgegen. Bei vermeidbaren Rechtsirrtümern ist sie dagegen zu verneinen
• Pro: Eine eigenständige Begriffsbildung im Strafrecht ist möglich (z.B. werden Tiere im Strafrecht als Sachen behandelt)
• Pro: Der Amtsträger steht häufig in der konkreten Situation unter hohem Druck & kann daher nur auf Grundlage der äußeren
Umstände entscheiden. Bürdete man ihm eine volle Rechtmäßigkeitsprüfung auf, würde seine Entschlusskraft gefährdet
• Pro: Bejaht man bei jedem verwaltungsrechtl. Fehler einen rw Angriff, dürfte Betroffene stets Notwehr üben & Polizist sich
nicht verteidigen
• Pro: Anders als bei Angriffen Privater ist nachträglicher Rechtsschutz leicht zu erlangen
• Pro: Weisungsverhältnisse sind in einem Rechtsstaat unerlässlich & gewährleisten u.a. die parlamentarische Rückkopplung
der Verwaltung. Sie würden untergraben, wenn die Polizei selbst die RM der Maßnahme nachprüfen müsste.
13. § 32: Ist § 32 auf Hoheitsträger zur Rechtfertigung hoheitl. Handelns anwendbar (z.B. bei polizeil. Schusswaffengebrauch)?
- eA: (-) jdf. dann, wenn Amtsträger nicht rein zu Zwecken des Selbstschutzes handelt; § 32 also bei Nothilfe durch Polizisten (-)
• Pro: Für Befugnisse von Amtsträgern gibt es spezielle Regelungen (z.B. im PAG). Die darin aufgestellten Vss. für eine Befugnis
könnten unterlaufen werden, wenn daneben auf allg. RFG abgestellt werden könnte.
• Pro: Hoheitsträger sind umfassenderen Gefahrtragungspflichten unterworfen (vgl. § 35 I 2)
- h.M.: (+)
• Pro: Wortlaut: Die „allg.“ RFG sind nicht auf best. Personenkreise beschränkt
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