01 Definitorische, wissenschaftstheoretische und methodische Grundlagen der Sozialpsychologie
1. Definitorische, wissenschaftstheoretische und methodische Grundlagen der Sozialpsychologie
1.1 Definition und Geschichte der Sozialpsychologie
Sozialpsychologie befasst sich mit vielen verschiedenen Alltagsphänomenen des menschlichen
Erlebens und Verhaltens in Interaktion mit der sozialen Umwelt
Die soziale Umwelt umfasst dabei andere Personen, Situationen, Objekte, die sowohl tatsächlich
anwesend oder aber auch nur vorgestellt (imaginiert) sein können
Sozialpsychologie beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen in Interaktion mit
ihrer sozialen Umwelt. Gegenstand ist also zum einen das Individuum alleine, zum anderen der
Einzelne im Kontext der Gruppe.
1.1.1 Historische Entwicklung
Die Ursprünge der Sozialpsychologie liegen in der ,
insbesondere der Arbeit von Gustave Le Bon
Floyd Allports Werk »Social Psychology« gilt als der Beginn der
im modernen Sinne
Allport konnte zu jener Zeit allerdings nur auf wenige experimentelle Befunde hinweisen, wie
zum Beispiel Tripletts Studien zur sozialen Erleichterung1
Im ging man davon aus, dass das Verhalten von Gruppen
durch das Verständnis der Psychologie des Individuums ausreichend erklärt werden kann
Allports Sozialpsychologie war somit ein Bruch mit der bisherigen psychologischen Auffassung
von der Masse bzw. Gruppe als einem eigenständigen Gebilde oder gar einem eigenständigen
Organismus
Die schreibt dem durchschnittlichen Erleben und Verhalten einer
Stichprobe von Personen den höchsten Erklärungs- und Vorhersagewert von allgemeinem
menschlichem Erleben und Verhalten zu
Allport als Behaviorist2 war der Wegbereiter der Sozialpsychologie als einer Disziplin, die das
Verhalten von Menschen mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht
Als bezeichnet man die Wahrnehmung, dass sich die meisten anderen
Menschen genauso verhalten oder genauso denken wie man selbst
Unter versteht man die Tendenz, sich in bestimmten Situationen am
Verhalten anderer Personen zu orientieren, um so die jeweilige Situation (vermeintlich) besser
einschätzen zu können. Dies führt häufig zu einer Unterschätzung der Gemeinsamkeiten, die man
mit anderen Personen hat
1.1.2 Gegenstand der Sozialpsychologie – Situative oder persönliche Erklärung menschlichen
Verhaltens?
Der war wissenschaftlich relevant bei der Frage, mit welchen unterschiedlichen
Situationen Personen konfrontiert werden (Stimulus) und wie sie darauf reagieren (Reaktion)
1
Triplett hatte gezeigt, dass Menschen zusätzliche Energie freisetzen und beispielsweise schneller reagieren,
wenn sie sich in einer Gruppe befinden, als wenn sie alleine handeln
2
engl. »behavior« = Verhalten
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Zusätzlich zu diesem » « bzw. dem behavioristischen Ansatz war und
ist für die Sozialpsychologie aber eine weitere psychologische Dimension von Bedeutung: Sie
beschäftigt sich nämlich mit dem von Personen,
während diese mit einer bestimmten Situation konfrontiert sind
Die geht davon aus, dass Kognitionen und Emotionen wichtige 3
menschlichen Verhaltens sind
können erklären, weshalb sich Menschen gut oder böse verhalten
So geht vor allem die (1950–1970) davon aus, dass der
Mensch grundsätzlich eine Seite besitzt, die erforscht, verstanden und somit kontrolliert
werden muss
Im Fokus der sog. » « stand die Frage, wie Menschen ihr soziales
nutzen können, um beispielsweise ihre psychologische Gesundheit
aufrecht zu erhalten, um prosoziales Verhalten zu zeigen oder über kritische Lebensereignisse
hinwegzukommen
Hier zeigte sich, dass das soziale Umfeld Menschen entweder in sehr negativer oder aber auch in
sehr positiver Weise beeinflussen kann
Folglich kann daraus sowohl grausames als auch prosoziales menschliches Verhalten resultieren,
was vorwiegend von der Art und Beschaffenheit der Situation abhängt
Hier erkennt man, dass der Einfluss der Situation zentral ist für die Art des nachfolgenden
menschlichen Verhaltens, man spricht daher auch von (>< Dispositionismus)
Beim steht die Person mit ihren
und Merkmalen im Zentrum des Interesses
In seiner stärksten Ausprägung nimmt der Dispositionismus an, dass Personen ihr eigenes
Handeln regulieren, egal welches Verhalten die Situation suggerieren mag (Verhalten einer
Person ist allein von deren Persönlichkeitseigenschaften abhängig, während die Situation keinen
Einfluss hat)
Neuere Ansätze wenden sich allerdings von einer einseitigen Betrachtungsweise – also entweder
reinem Situationismus oder reinem Dispositionismus – ab und gehen davon aus, dass
(Interaktion zwischen Person und Umwelt) besser geeignet sind, um
Verhalten zu erklären und vorherzusagen (treibt Fortschritt in Verhaltensforschung an)
Die Wechselwirkung zwischen Situationseigenschaften und Persönlichkeitseigenschaften kann
menschliches Erleben und Verhalten am zutreffendsten erklären4
Der starke Einfluss der Situation auf Verhalten scheint durch
moderiert zu werden
Die Befunde lassen allerdings nicht den Schluss zu, dass Persönlichkeit und individuelle
Unterschiede innerhalb einer Situation irrelevant sind
Menschliches Verhalten ist eine komplexe Interaktion aus und
1.1.3 Europäische versus amerikanische Sichtweise
Die befasst sich stark mit , während die
stärker auf menschlichen Erlebens und
Verhaltens fokussiert
3
Kriterien zur Vorhersage
4
Beispiel für eine solche interaktionistische Sichtweise: Stanford Gefängnisstudie
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1.1.4 Abgrenzung zu Nachbardisziplinen
Die befasst sich mit vielen Themen, allerdings auf eine
Art und Weise
Die befasst sich mit ähnlichen Themen wie die Sozialpsychologie, allerdings auf einer
und nicht auf einer individuellen bzw.
Kleingruppenorientierten Ebene
Die befasst sich mit ähnlichen Themen wie die Sozialpsychologie,
allerdings erklärt sie Verhalten überwiegend auf Basis von , während
die von einer komplexen ausgeht
1.2 Wissenschaftstheoretische Grundlagen
Die ist grundsätzlich an der
interessiert, sowie deren
Die grundlegende wissenschaftliche Einstellung der Sozialpsychologie ist der , d. h.
die Idee, dass empirische Daten oder Beobachtungen Schlussfolgerungen über theoretisch
relevante Hypothesen zulassen
Die einfachste Form des Empirismus ist die (bzw. Auflistung);
dabei ist die einfachste, aber auch stärkste Form einer Hypothese diejenige, die keine
Ausnahmen zulässt
: Man könne nicht einfach aus vergangenen Ereignissen auf zukünftige
Ereignisse schließen
Trotz logischer Probleme ist das wegen seiner Eingängigkeit in der
Wissenschaft nach wie vor populär, so gilt eine Hypothese als verifiziert, wenn die
Beobachtungen mit den Vorhersagen – zumindest innerhalb eines statistischen Toleranzbereichs
– übereinstimmen
Der verfolgt den Ansatz, Hypothesen durch unstimmige Beobachtungen
zu verwerfen ( )
Mit dieser Herangehensweise geht man also nicht von einer Nullhypothese aus, die besagt, dass
ein Unterschied besteht
1.3 Methoden der Sozialpsychologie
Obwohl sich die Sozialpsychologie mit vielen alltäglichen Phänomenen wissenschaftlich befasst,
ist sie keine schlichte Alltagspsychologie des Menschen
Die Sozialpsychologie ist eine etablierte grundlagenwissenschaftliche Disziplin, die sich
verschiedener wissenschaftlicher Methoden bedient
qualitativ Befragung bzw. Interview
quantitative Befragung
Verhaltensbeobachtung
Korrelationsstudie, Feldstudie bzw. Quasi-Experiment
echtes Experiment
1.3.1 Qualitative Methode
Bei der qualitativen Methode werden die Versuchspersonen mittels spezifischer Fragen
interviewt (Befragung ohne quantitative statistische Analysen)
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Diese Methodik wird häufig dann verwendet, wenn experimentelle oder andere quantitative
Methoden aus praktischen und/oder ethischen Gründen nicht anwendbar sind
Probleme der qualitativen Methode:
keine Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge benennbar
subjektive Verzerrungen können auftreten
keine objektiv vergleichbaren Ergebnisse werden erhalten
1.3.2 Verhaltensbeobachtung
Die Beobachtung von Verhalten ist ein wichtiger Baustein im Methodenkanon der
Sozialpsychologie
Nichtreaktive bzw. verdeckte Methoden der Verhaltensbeobachtung erfolgen ohne direkte
Teilnahme des Forschers und erlauben es, menschliche Einstellungen oder auch
Persönlichkeitseigenschaften aus den Spuren des Verhaltens der Beobachteten zu erschließen
Verhaltensbeobachtung ist sehr realitätsnah und aussagekräftig für tatsächliches menschliches
Verhalten
Allerdings ist die Verhaltensbeobachtung auch sehr anfällig für viele Arten von Verzerrungen und
Fehlschlüsse
1.3.3 Quantitative Befragungsmethode
Das Ziel der quantitativen Untersuchungsmethode ist die numerische Darstellung eines
empirischen Sachverhaltes
Vorteile der quantitativen Befragungsmethode sind der geringe Kosten- und Arbeitsaufwand
sowie die Möglichkeit der Introspektion, d. h. Personen können auch nach ihren Gedanken und
nach ihren Gefühlszuständen befragt werden
Nachteile der quantitativen Methode:
leichte Verfälschbarkeit der Antworten
fehlende Erkennbarkeit von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen
Unklarheit darüber, ob den Versuchspersonen die erfragten zentralen psychologischen
Prozesse überhaupt bewusst sind oder nicht und sie deshalb die Fragebögen dazu nicht
valide beantworten können
Die quantitative Befragungsmethode wird heute häufig und kostengünstig über das Internet
eingesetzt
1.3.4 Korrelationsmethode bzw. Quasi-Experiment
Bei der Korrelationsmethode werden
hergestellt
Der gibt Aufschluss über die Richtung und Stärke eines statistischen
Zusammenhangs zwischen zwei (psychologischen) Variablen
Sobald man beide Indikatoren gemessen hat, ist es möglich, ein statistisches
– die – zu berechnen
Dieser Zusammenhang r kann dabei zwischen –1 und + 1 liegen. Der maximale Wert von
reflektiert einen zwischen den beiden Messvariablen
Im Gegensatz dazu würde eine Korrelation von einen
beschreiben