Eine Inhaltswiedergabe
In der 1807 verfassten Novelle „Die Marquise von O…“ setzt sich Heinrich von Kleist
mit dem zu dieser Zeit vorherrschenden Rollenbild der Frau und der damit
einhergehenden Unterwerfung auseinander, indem er seine Frauen guren sich aus
den Zwängen der patriarchischen Strukturen emanzipieren lässt. Das
gesellschaftliche Leben, in der Novelle veranschaulicht an der Familie der Marquise,
wird als von Doppelmoral geprägt und das Individuum einschränkend dargestellt,
weshalb die Figuren wie unter Zwang handeln und zu offener Kommunikation oft
nicht in der Lage zu sein scheinen. Durch die engen Konventionen der Zeit sind sie
oftmals auch nicht befähigt dazu, mit emotionalen Überforderungen umzugehen.
Der zweite Koalitionskrieg, in dem norditalienische Provinzen gemeinsam mit
Frankreich gegen eine Koalition aus Großbritannien, Russland und Österreich
kämpften, bildet den historischen Hintergrund des Geschehens in der Novelle.
Kleist erzählt die Geschichte einer Witwe, der Marquise von O…, die in Italien mit
ihren Kindern im Haus ihrer Eltern wohnt und dort ein vorbildliches Leben führt.
Der russische Of zier, Graf F…, der sie zuvor, während eines Angriffs russischer
Truppen auf die Zitadelle des Vaters der Marquise, aus den Fängen russischer
Soldaten gerettet hat und der Marquise als edelmütiger Ritter erscheint,
vergewaltigt sie, als sie ohnmächtig ist, und schwängert sie, ohne dass sie sich an die
Ereignisse erinnern kann. Die Verwunderung ist groß, als der Graf F… um die Hand
der Marquise anhält. Während seiner Abwesenheit erfährt die Marquise, dass sie
schwanger ist und wird daraufhin aus Gründen der gesellschaftlichen Reputation
von ihrem Vater verstoßen, woraufhin sie in der Abgeschiedenheit des Landgutes,
auf das sie sich mit ihren Kindern zurückgezogen hat, den Entschluss fasst, den
Vater des Kindes mithilfe einer Zeitungsannonce aus ndig zu machen, um ihn aus
Rücksicht auf die Familie zu ehelichen. Noch bevor es zu einem Treffen kommt,
versöhnt sich die Marquise wieder mit ihren Eltern und als sich der Graf F… als Vater
des Kindes zu erkennen gibt, heiratet die Marquise ihn, auch wenn diese über die
Offenbarung des ihr zuvor so heldenhaft erschienenen Mannes schockiert ist. Nach
einiger Zeit gelingt es dem Grafen schließlich das Herz der Frau zu gewinnen und
Vergebung zu erhalten, sodass eine zweite und glückliche Hochzeit statt ndet.
fi fi fi fi
,Der zeitgeschichtliche Hintergrund
- Kleist lebte in einer Zeit die geprägt war von Umbrüchen und großen
Veränderungen (gesellschaftlich und politisch) —> Folgen der franz. Revolution
- Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (26. August 1789)
- Aussage: „Von ihrer Geburt an sind und bleiben die Menschen frei und an
Rechten einander gleich.“
- Freiheit und Gleichheit —> Zentrale Begriffe
- Das Recht auf Eigentum und demokratische Mitbestimmung für jeden Bürger
- Gedanken der Französischen Revolution verbreiteten sich in ganz Europa
- Die Herrscher anderer Großmächte fühlten sich von der neuen
Machtdemonstration des Volkes bedroht
- Daher von 1792-1815 durchgängiger Krieg Österreich und Preußen gegen
Frankreich —> um die eigenen Strukturen aufrechtzuerhalten
- Das Bild Europas veränderte sich zunehmend durch die Koalitionskriege
- Der zweite Koalitionskrieg, in dem norditalienische Provinzen gemeinsam mit
Frankreich gegen eine Koalition aus Großbritannien, Russland und Österreich
kämpften, bildet den historischen Hintergrund des Geschehens in der Novelle
„Die Marquise von O…“
- Napoleon, der seit 1799 Frankreich regierte, gelang es immer mehr Staaten zu
unterwerfen.
- 1806 Preußen erfährt eine Niederlage in der Schlacht bei Jena und Auerstedt
—> in Preußen werden Reformen durchgeführt
- Allen Untertanen des preußischen Königs wurde somit die freie Berufswahl
zugestanden und die Erbuntertänigen hatten nun das Recht auf
Eigentumserwerb
- Bürgertum stärkte sich zunehmend durch neue Reformen (wie z.B.
Militärreformen und Reformen des Bildungswesens)
- Reformen —> Umstrukturierung der Gesellschaft —> politischer Aufstieg des
Bürgertums
- Ideale und Tugenden des Bürgertums —> Leitbild der Gesellschaft
- Auch der Adel orientierte sich zunehmend an den Strukturen und dem
Wertesystem der bürgerlichen Familie
- Geprägte Werte: Tugendhaftigkeit, Keuschheit, Fleiß, Dominanz des Vaters
, - Viele dieser Aspekte auch in der Novelle bemerkbar, jedoch war Kleist in der
Darstellung der Brüchigkeit des bürgerlichen Wertsystems in Deutschland
seiner Zeit voraus
- Die Auswirkungen des Krieges und die familiären Räume sind sehr präsent
- Die stark am Bürgertum orientierte Sittsamkeit der Tochter der Familie, die dem
niederen Adel angehört, spiegelt den Geist der Zeit
- Im Fokus der Novelle steht auch die Rolle der Frau, die sich langsam ändert und
im Laufe des 19. Jahrhunderts gestärkt wird
- Emanzipatorischen Gedanken —> ein weiterer Beweis dafür, das Kleist seiner
Zeit voraus war
- Epoche der Aufklärung war zur Zeit Kleists noch zu spüren
- Leitgedanken dieser Strömung: Gleichheit, Freiheit, Toleranz der Religionen,
moderner Verfassungsstaat anstelle Absolutismus
- Verstand und Wissen > Glaube und Gefühl
- Immanuel Kant „Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen!“
- Mündiger Mensch im Mittelpunkt
- Marquise kein Ideal der Epoche der Aufklärung
- Zu der Zeit der Veröffentlichung der Novelle (1807) fand ein Epochenumbruch
statt
- Epoche der Romantik trat immer mehr in den Vordergrund
- Kleists Novelle lässt sich keiner dieser Strömungen zuordnen
- Sein Werk hebt sich von den typischen Vertretern der Zeit ab —> Modernität
seines Denkens
- Kleist bedient sich nicht einer alpgemeingültigen Form, sondern folgt seinen
eigenen Auffassungen