1. Allgemeine Psychologie: Lernen
1.1 Einführung in die Lernpsychologie
Lernen (Gerrig/ Zimbardo) = ein Prozess, der in einer relativ konsistenten Änderung des Verhaltens
oder des Verhaltenspotenzials resultiert und basiert auf Erfahrung
- Der Prozess des Lernens bewirkt eine relativ dauerhafte, erfahrungsbasierte
Verhaltensänderung
Drei Kernmerkmale des Lernens:
- Bewirkt eine Änderung des Verhaltens oder des Verhaltensrepertoires
o Kann sich nach außen sichtbar, in Form einer erbrachten Leistung zeigen, ist jedoch nicht
mit dieser identisch
o Auch eine veränderte Haltung zu einem bestimmten Gegenstand oder dessen erweitertes
Verständnis führt zu einer Änderung des Verhaltenspotenzials → kann sich dann
unmittelbar oder zu einem späteren Zeitpunkt in einem veränderten Verhalten zeigen
- Die Verhaltensänderung muss relativ konsistent und nachhaltig sein, um als erlernt zu gelten
o Z.B. Fahrradfahren verlernt man nicht
- Lernen ist ein Prozess, der auf Verhalten basiert, indem wir Informationen aufnehmen, bewerten
sowie transformieren und auf diese reagieren, mit dem Ziel, unsere Umwelt zu beeinflussen oder
uns an diese anzupassen
Es gibt einen Unterschied zwischen erworbenem Verhalten durch das Aneignen von Wissen und dem
Auf- und Abbau von Verhaltensdispositionen
Verhaltensdisposition = die Bereitschaft, sich unter mehr oder weniger spezifischen Bedingungen in
einer bestimmten Weise zu verhalten → z.B. Gedächtnisinhalte abrufen, bestimmte Probleme lösen zu
können oder mit Angst zu reagieren
Es besteht ein breiter wissenschaftlicher Konsens darüber, dass gelerntes Verhalten nicht auf
- natürliche Reifungs- bzw. Alterungsprozesse,
- Schädigungen oder Erkrankungen des Gehirns,
- Ermüdung oder
- den Einfluss von psychoaktiven Substanzen zurückzuführen sein darf
Psychoaktive Substanzen = das Bewusstsein verändernde Mittel (z.B. Drogen, Alkohol); werden
genau aufgrund dieser Wirkursache konsumiert
Beim Aufbau von Verhaltensdispositionen wird zwischen
- erlernten und erfahrungsbasierten vs.
- genetischen und biologischen Verhaltensdispositionen unterschieden
→ sind allerdings oftmals eng miteinander verbunden und voneinander abhängig
Genetische und biologische Verhaltensdispositionen:
- Reflexe (z.B. Lidschlussreflex)
- Instinkte (z.B. Nestbau bei Vögeln)
- Prägung (z.B. Bindungsverhalten beim Menschen)
- Reifung (biologische Wachstumsprozesse)
, → sind charakteristisch für bestimmte Arten und werden nicht erlernt sondern vererbt
Reflex = unwillkürliche Reaktionen auf Reize, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen
Instinkt = angeborene Muster von Verhaltensweisen → sollen dazu dienen, die Überlebenschancen
von Mitgliedern einer Gattung zu erhöhen; müssen nicht erlernt werden
Reifung = ein von innen gesteuerter, überwiegend genetisch bedingter Wachstumsprozess, der über
die Lebensspanne hinweg kontinuierlich zu altersbezogenen Veränderungen des Körpers und
Verhaltens führt
Beim Lernen kann unterschieden werden zwischen:
- Explizitem und hypothesengeleitetem Lernen
- Implizitem und inzidentellem Lernen
Explizites/ hypothesengeleitetes Lernen = erfordert eine Lernbereitschaft, ist geplant und
vergleichsweise mühsam; mit kognitiver Anstrengung verbunden (z.B. schulisches Lernen)
Implizites/ inzidentelles Lernen = erfolgt eher beiläufig (inzidentell) und ohne besondere geistige
Anstrengung automatisch und schnell (z.B. Fahrradfahren lernen durch Unterstützung der Eltern und
Übung)
1.1.1 Habituation
Habituation = basale Form des Lernens, bei der durch die wiederholte Darbietung eines Reizes die
Verhaltensreaktion nachlässt
- Z.B. bewirkt eine wiederholte Darbietung eines Reizes bei Säuglingen eine zunehmende
Vertrautheit → wachsendes Desinteresse, der Stimulus wird immer weniger angesehen und
schließlich wendet der Säugling den Blick frühzeitig ab
- Habituation führt als zu einer Verhaltensänderung, die allerdings nicht dauerhaft ist → Verhalten
wird durch andere Umgebungsreize erneut verändert
- Alltagsbeispiele: unser Parfum oder das Laufgeräusch des Computers → wird nicht mehr
bewusst wahrgenommen
1.2 Klassisches Konditionieren
1.2.1 Grundlegende Begriffe
Neutraler Stimulus (NS) = ein Reiz, der unerwartet ist, jedoch keine starke Abneigung hervorruft
- Der Reiz hat keine besondere Bedeutung → individuell unterschiedliche Orientierungsreaktion
(OR)
- Allgemein reagiert der Organismus mit einer erhöhten Aufmerksamkeit und Aktivierung →
Flucht oder Kampf im Falle einer Bedrohung
Unkonditionierte Stimuli (UCS) = Reize, die unabhängig von Lernprozessen angeboren sind
- Bei deren Wahrnehmung erfolgt unmittelbar eine spezifische, angeborene unkonditionierte
Reaktion (UCR)
- Z.B. das Zurückziehen der Hand nach dem Berühren einer heissen Herdplatte
, Paradigma = ein wissenschaftliches Denkmuster bzw. eine Lehrmeinung, die breite Anerkennung in
einer Forschergemeinschaft findet
Reiz = jedes Ereignis und jede Situation, die eine Reaktion auslöst
1.2.1.1 Das Paradigma des klassischen Konditionierens
- Geht auf den russischen Forscher Iwan P. Pawlow zurück
- Gilt als bewährte Methode zur Erforschung grundlegender assoziativer Lernprozesse
Iwan Petrowitsch Pawlow:
- Reflexologe
- Annahme: das gesamte Verhaltensspektrum von Organismen basiert auf Reflexen
- Wollte ursprünglich die Verdauungstätigkeit von Hunden erforschen und bemerkte
hierbei, dass die Hunde nach einigen Versuchen nicht nur auf die Fütterung von
Fleischpulver mit Speichelfluss reagierten, sondern bereits im Vorfeld, wenn der
Versuchsleiter lediglich das Labor betreten hatte → nannte diese vorwegnehmende
(antizipatorische) Reaktion der Hunde: konditionierter Reflex
- Seine Forschung war von grundlegender Bedeutung für den damals in Amerika
erstarkenden Behaviorismus
Behaviorismus = reduziert die psychologische Forschung ausschließlich auf objektive Reize,
Reaktionen und deren Verbindungen