4. Allgemeine Psychologie: Aufmerksamkeit und
Bewusstsein
Wahrnehmung= (perception) – Prozess, bei dem die sensorischen Informationen organisiert und
interpretiert werden; dies ermöglicht uns, die Bedeutung von Gegenständen und Ereignissen zu
erkennen
4.1 Einführung in die Aufmerksamkeitspsychologie
4.1.1 Selektive Funktion von Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit (William James) = konzentrierte, bewusste und
William James:
verstandesbetone Auswahl & Fokussierung auf einen bestimmten
Begründer der
Gegenstand → notwendig, von bestimmten Dingen Abstand zu nehmen!
amerikanischen
- Genaues Gegenteil: Zustand der Zerstreutheit (= konfuser und
Psychologie
verwirrter Zustand)
Aufmerksamkeit ( Gerrig/ Zimbardo) = Zustand fokussierten Bewusstseins auf eine Teilmenge der
verfügbaren perzeptuellen Informationen
- Ohne unsere Wahrnehmung zu organisieren und sensorische Informationen zu integrieren,
wäre keine zusammenhängende Wahrnehmung möglich → Aufmerksamkeitsprozesse spielen
hierbei eine wesentliche Rolle
Perzeption = der Vorgang der sinnlichen Wahrnehmung eines Gegenstandes ohne bewusstes
Erfassen und Identifizieren des Wahrgenommenen (z.B. bei flüchtigem Hinsehen)
4.1.1.1 Handlungssteuernde Funktion von Aufmerksamkeit
- Perzeptive Selektion stand lange Zeit im Fokus der Forschung
- Handlungsvermittelnde Funktion der Aufmerksamkeit spielte lange ein Schattendasein
- Hat aber zentrale Rolle im Prozess der Handlungssteuerung
„Selection for action“ (Allport) = hebt die biologische Notwendigkeit der selektiven Auswahl eines
bestimmten Objekts für die Handlungskontrolle hervor
- Unsere Sinne können zur gleichen Zeit viele unterschiedliche Informationen aufnehmen, die
Handlungskapazität ist aber meist auf eine Handlung begrenzt → ohne Selektion ist
zielgerichtetes Handeln nicht möglich
Bsp: Raubvogel, der ein Beutetier aus einem Rudel auswählt und seine gesamte Aufmerksamkeit auf
dieses richtet und seine Geschwindigkeit usw. daran anpasst
- Es gibt auch Ausnahmen, bei der Aufmerksamkeit zwischen Aufgaben geteilt wird (z.B.
Unterhaltung während dem Kochen)
Handlungssteuernde Funktion der selektiven Aufmerksamkeit = darauf ausgerichtet, das gesamte
Verarbeitungssystem, von der Wahrnehmung bis zur Handlung, auf die jeweilige Aufgabe auszurichten,
um eine koordinierte Zielerreichung zu ermöglichen
Selektive Aufmerksamkeit (Krummenacher/ Müller) = die Auswahl von bestimmten Inhalten oder
Informationen
James (ggf. mit einer
& Krummenacher/ Deselektion
Müller betonenvon anderen
also: Informationen)
aufgrund der getroffenen Auswahl werden andere
Ziel: bestimmte Informationen (mögl. ohne Interferenz (Hemmung/ Löschung) durch andere
Informationen außer Acht gelassen, damit die ausgewählten Informationen möglichst nicht von diesen
Informationen) dem Bewusstsein bzw. der Steuerung von Denken und Handeln zugänglich zu machen
,überlagert werden, um sich vollständig auf das gegenwärtige Denken und Handeln konzentrieren und
es steuern zu können
4.1.2 Intensitätsaspekte von Aufmerksamkeit
Neben der Selektivität können auch unterschiedliche Aspekte im Bezug auf die Intensität der
Aufmerksamkeit unterschieden werden
4.1.2.1 Alertness
Alertness = generelle Aufmerksamkeitsaktivierung in Erwartung eines Zielreizes
Es lässt sich unterscheiden in:
- Tonische Alertness
- Phasische Alertness
Tonische Alertness:
- Die Aktivierung und Reaktionsbereitschaft ist allgemein erhöht
- Unterliegt Schwankungen im Tagesverlauf (z.B. Mittagstief)
- Hängt auch von situativen Bedingungen ab (z.B. erhöhte Aufmerksamkeit in Prüfungssituationen
Phasische Alertness:
- Immer bei Warnreizen erforderlich, wenn die Aufmerksamkeit kurzfristig gesteigert werden muss
- Z.B. bei blinkendes Lichtsignal am Bahnübergang
4.1.2.2 Vigilanz
Vigilanz = der Zustand, wenn die Aufmerksamkeit über einen langen Zeitraum bei einer geringen
Reizfrequenz aufrechterhalten wird (bzw. werden muss)
Bsp: bei Überwachungsaufgaben → es ist eine andauernde, willentliche und kontrollierte
Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit erforderlich
- wird insb. bei eintönigen Aufgaben als mental anstrengend und stressvoll erlebt
4.2 Funktionale Ebene der Aufmerksamkeit
kann
Multisensorische Wahrnehmung
- Durch die Vielfalt der Informationen, die wir durch das Zusammenwirken unserer Sinne erhalten,
können wir uns ein genaueres Bild unserer Umwelt machen
Aufgabe unseres Wahrnehmungssystems: die Informationen von den verschiedenen Sinnen in eine
einheitliche und handlungsleitende Repräsentation unserer Umwelt zu transformieren
Korrespondenzproblem = die Notwendigkeit zu erkennen, welche der multisensorischen
Informationen zusammenhängen, bzw. übereinstimmen (miteinander korrespondieren)
- Das Korrespondenzproblem für unser Wahrnehmungssystem ergibt sich aus folgenden
Punkten:
o Verschiedene Informationen, die zusammengehören, miteinander zu kombinieren → um
eine um eine umfassendere kognitive Repräsentation zu erhalten (z.B. platschendes
Geräusch – Teich)
o Sich überlappende (redundante) Informationen zu einem bestimmten Ereignis, die
zusammengehören zu integrieren (Bsp: auf der Cocktailparty das Gesagte und de
jeweiligen Sprecher einander zuordnen)
Kognitive Repräsentation = geistige Abbildung, die wichtige Eigenschaften von Objekten und
Erfahrungen enthält
,4.2.1 Geteilte Aufmerksamkeit
Studien zur geteilten Aufmerksamkeit – Multitaskingfähigkeit
- Es gibt zahlreiche Studien
Studie von Just/ Keller/ Cynkar:
- Probanden erhielten eine Doppelaufgabe
- Virtuelle Autofahrt absolvieren
- Gleichzeitig gesprochene Sätze hören und sie auf ihre Wahrheit beurteilen
- fMRT-Aufnahmen zeigten: 37% verminderte Gehirnaktivität in der Hirnregion, die für die
Durchführung der visuell-räumlichen Aufmerksamkeit und Verarbeitung wichtig ist
→deutliche Reduzierung der für das Fahren notwendigen Ressourcen
4.2.1.1 Kontrollierte vs. Automatische Prozesse
Kontrollierte Prozesse:
- Benötigen zumeist unsere ungeteilte Aufmerksamkeit
- Ein kontrollierter Prozess genügt oftmals, um unsere gesamte Aufmerksamkeit zu vereinnahmen
Automatische Prozesse:
- Beanspruchen weder unsere Aufmerksamkeit, noch unser Bewusstsein
- Es ist möglich, zwei automatisierte Prozesse gleichzeitig ohne Anstrengung zu bewältigen, wenn
diese sich nicht überschneiden
4.2.1.2 Willentliche und automatische Handlungskontrolle
- ein großer Teil unseres täglichen Erlebens und Verhaltens beruht auf unbewussten Prozessen →
können auch unsere willentlichen Handlungen nachhaltig beeinflussen
Experiment zur willentlichen und automatischen Handlungskontrolle von Libet (1985)
- Probanden hatten die Aufgabe, einen Monitor mit einer Uhr zu beobachten und sich zu
entscheiden, ob sie die Finger beugen oder ihr rechtes Handgelenk bewegen wollten oder
nicht
- Sollten notieren, zu welchem Zeitpunkt sie den spontanen inneren Wunsch verspürten, eine
Handlung vorzunehmen
Elektromyogramm (EMG):
- Registrierte die Hand- & Fingerbewegungen
Elektrode an der Kopfhaut:
- Erfasste die Hirnwellen der Probanden
Ergebnis:
das Bereitschaftspotenzial stieg bereits 150 ms vor dem Zeitpunkt an, zu dem die Probanden ihre
Intention zu handeln, bewusst wahrnahmen
Elektromyogramm (EMG) = gr. Myos = Muskel; gr. Gramma = Geschriebenes, Buchstabe,
Schriftzeichen, Zeichen → Aufzeichnung von Muskelaktivität
Bereitschaftspotenzial = die einer willentlich ausgeführten motorischen Aktion vorausgehende
elektrische Hirnaktivität, die sich über den motorischen Arealen der Hirnrinde zeigt
, 4.2.1.3 Modell der willentlichen und automatischen
Handlungskontrolle (Norman & Shallice)
Annahme: Automatische Prozesse basieren auf Handlungsroutinen, die nur so
lange bewusst sind, bis sie beherrscht werden während willentliche und bewusste
Handlungen zumeist auf einer der folgenden Aufgabenkategorien beruhen:
o Sie erfordern Planungen oder Entscheidungen
o Sie erfordern Problembehandlung
o Sie sind schlecht gelernt oder beinhalten neue Verhaltenssequenzen
o Sie werden als gefährlich oder technisch anspruchsvoll bewertet
o Sie erfordern die Überwindung einer starken Versuchung oder
gewohnheitsmäßigen Reaktion
➔ Spezielle Situationen, in denen die unkontrollierte Anwendung eines
Handlungsschemas nicht erwünscht ist und zu einem Fehler führen
könnte
Contention Scheduling
- Eine von zwei Strukturen des Modells
- Ist bei automatischen Handlungen aktiv
Funktion:
- Bei Routinehandlungen kann es geschehen, dass diese von mehreren
Schemata zur gleichen Zeit repräsentiert werden, die durch die
Wahrnehmung eines passenden Ereignisses ausgelöst (getriggert) werden
- bei Routinehandlungen ist die Auswahl eines bestimmten Schemas
(Component Schema) dadurch vorgegeben, wie gut die auslösenden
Bedingungen (Trigger Conditions) zu den Inhalten der getriggerten
Datenbasis (Trigger Data Base) passen
- bei Routinehandlungen stehen die Schemata im Wettstreit miteinander und
die Auswahl fällt auf das Schema mit der größten Aktivität, das ausgelöst
wird, sobald es einen bestimmten Schwellenwert überschritten hat
- grundlegender Mechanismus des Contetion Scheduling:
o Aktivierung solcher Schemata, die auch parallel ablaufen können,
wenn sie sich gegenseitig unterstützen
o Unterdrückung konkurrierender Schemata, um Konflikte in der
Handlungsausführung zu verhindern
- Die auslösenden Bedingungen initiieren die passenden, aktivierten
Schemata zu genau dem Zeitpunkt, zu dem sie benötigt werden
Bsp: Routinehandlung = Autofahren als übergeordnetes Schema, aktiviert das
untergeordnete Schemata wie bremsen, kuppeln, lenken, aktivieren ihrerseits
untergeordnete Handlungskomponenten (z.B. Blinken oder Handbremse ziehen)
Supervisory Attentional System (SAS)
- Kontrolleinheit, die nur in ungewohnten und unerwarteten Situationen (siehe
Auflistung weiter oben) erforderlich ist
Bsp: plötzlich einsetzender Eisregen gehört auch für geübte Autofahrer nicht zur
Routine und macht eine willentliche Handlungskontrolle erforderlich