Konzepte - SEMINAR
Politkfeldanalyse, Politikzyklus und Policy-Typen
„Ein Politikfeld ist definiert als eine spezifische und auf Dauer angelegte Konstellation sich
aufeinander beziehender Probleme, Akteure, Institutionen und Instrumente.“ (Loer et al.)
1. Wiederholung
- Policy-Forschung ist ein Teilbereich der vergleichenden Politikwissenschaften, der mit
zwei weiteren Bereichen genannt werden muss (Politische Theorie, Internationale
Beziehungen)
- Policy-Forschende interessieren sich von Policies, also dem Inhalt des
Regierungshandelns (Abgrenzung von polity und politics)
- Dabei werde outputs von outcomes unterschieden
- Outpust = Sind politische Entscheidungen (z.B. Gesetze, Beispiel: Arbeitsmarktreformen)
- Outcomes = Die gewünschten oder unerwünschten Auswirkungen dieser Entscheidungen
(Beispiel: Entwicklung der Arbeitslosenzahlen)
- Polity = Institutionellen Rahmenbedingungen
- Politics = Die politischen Prozesse
- Die Policy-Forschung beschäftigt sich
o Mit dem Inhalt politischer Entscheidungen (deskriptiver Charakter)
o Den Determinanten der politischen Entscheidungen (analytischer Charakter)
o Den Auswirkungen politischer Entscheidungen (evaluativer Charakter)
Leitfragen der aktuellen Sitzung:
Was ist Politikfeldanalyse und wie hat sie sich im Zeitverlauf entwickelt?
Welche Phasen unterscheidet der Politikzyklus und inwiefern kann der Policy-Typ den politischen
Prozess beeinflussen?
Zentrale Fragestellung:
- „what governments do, why they do it, and what differnce it makes“ (Dye, 1977)
o Der Fokus liegt auf dem Regierungshandeln, daher gibt es weitere detailliertere
Aussagen, die die zentrale Fragestellung der Policy-Forschung entschlüsseln
möchten
o Engeres Politikverständnis
- „Wann, wie, warum, mit welchen Mitteln und mit welchem Effekt treffen Individual-
und Kollektivakteure verbindliche Entscheidungen über die Verteilung begehrter Güter
und Werte?“ (Schmidt, 2003)
o Weiteres Politikverständnis
- Die beiden Zitate zeigen: Es gibt verschiedene Verständnisse von Policy
- Dabei unterscheiden sich das engere und das weitere Politikverständnis:
o Engeres Politikverständnis:
Staatszentrierte Perspektive (es werden nur staatliche Akteure
beobachtet, z.B. Regierungen)
, o Weiteres Politikverständnis:
Es werden auch andere nicht-staatliche Akteure beobachtet (z.B. NGOs)
- Das zentrale Interesse der heutigen Policy-Forschung ist die Beschreibung und Erklärung
von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Inhalte politischer
Entscheidungsprozesse in verschiedenen Staaten, aber auch verschiedenen Zeiträumen
o Vergleichende Perspektiven der vergleichenden Politikwissenschaft
Längsschnittstudie: Vergleiche über die Zeit
Querschnittstudie: Vergleiche über Staaten hinweg zu einem Zeitpunkt
Entwicklung der Politikfeldanalyse: (nach Schmidt, 2003)
- Vorläufer der Policy-Forschung ist die sogenannte Polizeiwissenschaft (Policey-
Forschung) (1727 in Halle an der Saale vom König Friedrich Willhelm I.)
- Beamtenausbildung für die gute Ordnung des Gemeinwesens, die Lehre von der inneren
Ordnung
- Beinhaltet als Sammelbegriff Stoff der VWL, Staatsrecht, Verwaltungswissenschaft
- In diese Teile wurde sie im 19. Jahrhundert wieder zerlegt
- Die vorherrschenden Denkströmungen waren sich einig, dass man eine Policy-Forschung
als Politikwissenschaft nicht benötigte
- Ein halbes Jahrhundert entsteht eine Lücke
- Gesellschaftliche Problemlösungswissenschaft (Lerner/Lasswell 1951)
o Die Policy Sciences entwickelten sich in den USA, als multidisziplinäre
Wissenschaft und legten einen Fokus auf systematische analytische Forschung
(Einfluss auf die deutsche PoWi)
o Wissen soll zur Problemlösung beitragen und eine praktische
Demokratiewissenschaft etabliert werden
o Politikberatung und Politikplanung
- Heutzutage haben wir (so Schmidt) einen analytischen Fokus
o Es wird versucht zu erklären, (zu prognostizieren), verallgemeinernde Theorien
und Hypothesen auszustellen und Erklärungen und Prognosen in die praktische
Politik einzubetten
Phasen der Policy-Forschung
- Es gibt vier verschiedene Phasen seit den 1960ern
1. „Does politics matter?“: (60er)
Macht Politik im Bezug auf Policies und Polities überhaupt einen Unterschied für die
Inhalte politischer Entscheidungen?
- Was bestimmt die Inhalte politischer Entscheidungen? Politische oder
sozioökonomische Faktoren?
- Beispiel: Implementieren Militärregierungen im Gegensatz zu Zivilregierungen
unterschiedliche Programme im Bereich der Sozialpolitik?
- Vertreter: z.B. Thomas Dye
2. „Do parties matter?“: (70er)
- Die Idee, dass auch Parteien Einfluss nehmen können, rückt stärker in den Fokus
- Weiterhin starke systemtheoretische Prägung
, - Aufkommen konkurrierender Ansätze zu sozioökonomischen Modellen
- „Parteiendifferenzhypothese“ (1977) (wichtiger Vertreter Douglas Hipps)
- Ein Augenmerk auf politische Determinanten kann in dieser Zeit festgestellt werden
(insbesondere die links-rechts-Unterscheidung der Parteien, die deutlich zu
unterscheiden sind)
3. Wie bestimmen Institutionen und politische Prozesse Policies? (80er)
- Die Frage erwuchs aus der Kritik am bisher vorherrschenden Input-Output-Modell,
dass den Entscheidungsprozess ausblendet (die Black Box wurde dadurch geöffnet)
Die Bedeutung der intervenierenden politischen Variablen nimmt zu
- Das Verhältnis von Polity, Politics und Policy werden neu beleuchtet (z.B. die
Machtressourcen nach Korpi oder die Parteiendiffernzhypothese nach Castels)
4. Internationalisierung und Diffusionsprozesse
- Ende der 1990er
- In der Policy-Forschung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass der politische
Handlungsspielraum auf nationalstaatlicher Ebene in Zeiten wirtschaftlicher
Globalisierung eingeschränkt oder erweitert ist
- Die zunehmende Verflechtung und Mitgliedschaft in internationalen und
supranationalen Organisationen beleuchtet
- Die Rolle internationaler Kooperation, Verflechtung und gegenseitiges Lernen wird
betont
Die Politikfeldanalyse der heutigen Generation kombiniert meistens die vier genannten
Phasen. Es wird nichts ignoriert, sondern die unterschiedlichen Erklärungsansätze werden in
Studien kombiniert
Definition des Begriffs Politikfeld:
- Die Definition der politischen Praxis, muss von der der Wissenschaft unterschieden
werden
- Politische Praxis: Die Politikfeldanalyse kann hier definiert sein durch den
Gegenstandsbereich (Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur), ihre Adressaten (Jugend,
Senioren, Mittelstand), ihre politische Ebene (Landes-, Kommunal- und Europapolitik),
Institutionen (Verwaltungspolitik)
o Es kann auch bestimmte Ober- und Unterbegriffe geben (Sozialpolitik
(Oberbegriff) und darunter Gesundheits-, Renten- oder Armutspolitik)
- Der Begriff ist Ausdruck des Wachsens der Staatstätigkeit ist
- Es gibt keine logisch stringente Gesamtschau aller Tätigkeitsfelder von Staat oder Politik
- Ein Beispiel, das den Begriff Politikfeld analysieren möchte:
- Loer et al. (2015): Politikfeld = Eine spezifische, auf Dauer angelegte Konstellation sich
aufeinander beziehender Probleme, Akteure, Institutionen und Instrumente
o Wenn die vier Bedingungen nicht erfüllt sind, spricht man von current issues
bzw. topics
Der Politikzyklus:
Kommt aus der amerikanischen Politikwissenschaft und wurde 1976 von Lasswell etabliert
- Der Politikprozess wird in unterschiedene Schritte gegliedert
- Der Politikzyklus beschreibt das Zustandekommen und die Wirkung von Policies
, - In den verschiedenen Phasen sind unterschiedliche Akteure involviert
- Politikzyklus: Die Beschreibung und nicht die Erklärung von Policies steht im Vordergrund
- Blum und Schubert (2009): Heuristischer Orientierungsrahmen
- Verschiedene typische Stadien der Politikbildung
Die einzelnen Phasen:
1. Problemdefinition / Problemwahrnehmung
- Wann ist ein Problem ein Problem?
- Ein Problem die Abweichung eines Soll-Zustands vom Ist-Zustand, beinhaltet dabei ein
interpretatives Element
- Anhand welcher Bewertungskriterien wird ein Sachverhalt beurteilt?
(energiepolitisches Beispiel: 1960er Versorgungssicherheit, 1980er Schaffung
wettbewerblich strukturierter Energiemärkte, 1990er Umweltschutz)
- Framing: Ein Ist-Zustand kann anhand der Messung unterschiedlicher Soll-Zustände
gemessen werden. Was ist der Ist- und was der Soll-Zustand? (welche Probleme werden
wahrgenommen? Wie werden Probleme definiert? Welche Probleme werden ignoriert?)
- Die Entscheidungsakteure sind entscheidend (Obliegt ihrer Beurteilung und ihrer
Wertmaßstäbe)
2. Agenda-Setting
- Der Zustand der als Problem definiert wurde kommt auf die politische Tagesordnung
- Zentrale Frage: Wie wird ein Problem politisch entscheidungsbedürftig?
- Hintergrund: Es gibt viele verschiedene als problematisch angesehene Sachverhalte, die
um die knappe Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger konkurrieren (Issue-
Competition)
- Problemdruck kann unmittelbare Aufmerksamkeit auf sich ziehen und politische Akteure
zum Handeln zwingen (z.B. Naturkatastrophen)
- Ein Problem muss so definiert werden, dass es für politische Akteure relevant ist (gelingt
es, geht der Kreislauf weiter, gelingt es nicht, endet der Kreislauf (Nichtentscheidung))
- Manche Routineentscheidungen sind ständig auf der Agenda (z.B.
Haushaltsentscheidungen)
- Wieso schaffen manche Sachverhalte den Sprung auf die Agenda und andere nicht?
- Welche unterschiedlichen Modelle zum Agenda-Setting gibt es eigentlich?
- Zentrale Akteure sind vor allem politische Parteien (aber auch nicht-staatliche Akteure
versuchen auf verschiedenen Wegen Themen auf die politische Agenda zu setzen (z.B.
durch Mobilisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen))
3. Politikformulierung und -entscheidung
- Inhaltliche Gestaltung eines politischen Programms im Kontext rechtsstaatlicher Politik
(Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften etc.)
- Policies und Handlungsalternativen werden nach ihren Möglichkeiten das Problem zu
adressieren, ihrer Zielwirksamkeit und der wahrscheinlichen Reaktion anderer Akteure
bewertet
- Der Formulierungsprozess ist von formellen Verfahren geprägt (Der
Gesetzgebungsprozess wird im GG detailliert geregelt) und findet in der Regel unter
beschränkten zeitlichen, politischen Ressourcen oder beschränkten finanziellen
Ressourcen statt
- Wie kommen politische Entscheidungen und Programme zustande? Welche Policy ist
politisch durchsetzbar?