Einführung in die Soziale Arbeit
Lektion 1: Entwicklung der Sozialarbeit und Sozialpädagogik
Bedeutung der Sozialen Arbeit
Historisch: Zusammenführung der beiden Professionslinien Sozialpädagogik
und Sozialarbeit
Zielt auf Lösung sozialer Probleme unter Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse ab
Keine allgemeingültige Definition möglich, da das Berufsfeld breit gefächert mit vielfältigen
Funktionen, Zielgruppen und Methoden ist
1.1 Historische Wurzeln der Sozialen Arbeit
Armenpflege im Mittelalter (bis ca. des Ende 15. Jahrhundert)
“Almosenlehre” (Thomas von Aquin, 1225 - 1274): Christliches Pflichtgefühl der Menschen
gegenüber der Kirche
o War religiös-ethische Pflicht (Voraussetzung für Seelenheil war Barmherzigkeit
(Nächstenliebe) und Almosenvergabe)
o Symptombekämpfung, keine Ursachenbekämpfung
Almosen wurden als finanzielle Leistung direkt an Bedürftige oder die Kirche bezahlt
Als bedürftig galten Witwen, Waisen, Obdachlose und kranke Menschen
16. Jahrhundert
Weiterentwicklung der Almosenlehre (durch Vives, 1492 – 1540) mit dem Ziel, die eigene
Bedürftigkeit selbstständig zu bekämpfen --> Bekämpfung der Ursachen, in dem
Almosenempfänger zur Arbeit erzogen und verpflichtet wurden (Errichtung von Zucht-
und Arbeitshäusern)
Humanismus (ab dem 18. Jahrhundert)
Einführung der Armenverordnung --> Blick richtet sich auf den Adressaten:
o Kontrollierte Vergabe von Bettelzeichen (Später: Verbot des Bettelns)
o Weiterentwicklung der Zucht und Arbeitshäuser
Rousseau (1712 – 1778) formulierte erste Grundlage der Pädagogik
(Erziehung des Menschen)
o Stand entgegen der gesellschaftlichen Annahme, dass Armenfürsorge Not nicht
lindern, sondern sie steigen ließe
,Industrialisierung (ab dem 19. Jahrhundert)
Gründung der nicht-staatlichen Wohlfahrt (Frauen-, Jugend- und Arbeiterbewegung)
sowie erster Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften zu Beginn des 19. Jahrhunderts
Einführung der Sozialversicherung (1880) durch Reichskanzler Otto-von-Bismarck
(1815 – 1898)
o Verpflichtende Kranken- und Unfallversicherung sowie Alters- und Invalidenrente,
die erstmals Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen garantierten
o Erbringung der Leistungen zu Beginn ausschließlich durch kirchliche und private
Organisationen
1.2 Die Entwicklungslinien der Sozialen Arbeit: Sozialpädagogik und Sozialarbeit
Entwicklungslinie Sozialpädagogik - die Kinder und Jugendfürsorge
Mittelalter/16. Jahrhundert
Erziehung/Pädagogik spielte in Zucht-, Arbeits- und Waisenhäusern eine untergeordnete
Rolle --> im Mittelpunkt stand die materielle Versorgung
Zeit der Aufklärung (ab ca. 1650)
Erzieherische Maßnahmen/Präventiver Charakter der Bedürftigkeitsvermeidung von
Kindern und Jugendlichen rückten in den Mittelpunkt
Industrialisierung
Begriff “Sozialpädagogik” entwickelte sich aus Jugendfürsorge, Jugendwohlfahrt
und Jugendhilfe
o “Erziehung und Bildung des Einzelnen” in Kombination mit “Erziehung der
Gesellschaft”
Institutioneller Ursprung der Sozialpädagogik in Gründung von Kindergärten durch Fröbel
(1782 – 1852)
o Sozialpädagogik war zu jener Zeit “alles was nicht Familie und nicht Schule war”
o Institutionalisierung setzte sich im 20. Jahrhundert durch Jugendleiterausbildung
sowie Gründung der ersten Jugendämter fort
,Entwicklungslinie Sozialarbeit – Weiterentwicklung der Erwachsenenfürsorge
Bis ca. 1933
Angebote der Erwachsenenfürsorge wurden zur “Sozialarbeit” zusammengefasst
(Begriff 1918 von Alice Salomon eingeführt)
o Starker Praxisbezug, besonders auch durch Berufsausbildungen in diesem
Arbeitsbereich in Frauen- und Wohlfahrtsschulen
Erster Weltkrieg prägte Praxis der Sozialarbeit
o Wohlfahrtsdienstleistungen für Familien, dessen männliche Versorger in den Krieg
eingezogen wurden
o Fürsorge für Kriegsgeschädigte
Auswirkungen des Krieges führten zu staatlicher Verantwortungsübernahme der
Wohlfahrtspflege --> Einführung von Kriegsopfer-, Erwerbslosen- und Wohnungsfürsorge
Zentrales Ziel der Sozialarbeit: Beseitigung der Ursachen sozialer Probleme,
statt Bekämpfung der Folgen von Bedürftigkeit
NS-Zeit
Instrumentalisierung von Wohlfahrt und Jugendpflege
o Nicht-ideologiekonforme Wohlfahrtsträger, -verbände und –organisationen wurden
verboten und Mitarbeiter inhaftiert
o Ursprüngliche Zielgruppe der Wohlfahrstleistungen wurden im Zuge der
“Rassenhygiene und Volkspflege” als minderwertig etikettiert und in
Konzentrationslagern vernichtet
Nach 1945
Anknüpfung an Tendenzen vor 1933 sowie an Einflüsse der Alliierten USA
und Großbritannien
o Einzelfallhilfe und Gruppenarbeit
Einführung des Jugendwohlfahrtsgesetzes und des Bundessozialhilfegesetzes 1961/-62 -->
Rechtsanspruch für jeden auf Sozialhilfe und menschenwürdiges Dasein
Einführung von Studiengängen der Sozialen Arbeit 1960/-70er Jahre --> Aufwertung der
Profession durch Umwandlung von Fachschule zu Fachhochschule sowie Weiterentwicklung
durch Verknüpfung mit Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie
Begriffslinien Sozialarbeit und Sozialpädagogik blieben bestehen, Gesamtbegriff Soziale
Arbeit wird eingeführt (ca. 1990)
1.3 Die Entstehung der Disziplin “Soziale Arbeit”
Da Erziehung nur einen Bereich der Sozialen Arbeit darstellt, wurde Sozialpädagogik als
Teilbereich der Sozialen Arbeit verortet --> Erzieherischer Teil nimmt bei Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen einen größeren Anteil ein als bei der Arbeit mit Erwachsenen
o Betreuung, Beratung und Begleitung wurden jedoch nicht berücksichtigt
Da klare Abgrenzung zu Zielgruppen und Aufgabenfeldern nicht möglich ist: Überlagerung
der Berufsbezeichnungen “Sozialpädagoge” und “Sozialarbeiter” --> Gesamtbegriff Soziale
Arbeit mit gemeinsamer Theorie und Methodenentwicklung
,Einführung in die Soziale Arbeit
Lektion 2: Was ist Soziale Arbeit? Begriff, Funktionen und Aufgaben
2.1 Soziale Arbeit heute
„Soziale Arbeit als Beruf fördert den sozialen Wandel und die Lösung von Problemen in
zwischenmenschlichen Beziehungen und sie befähigt Menschen, in freier Entscheidung ihr Leben
besser zu gestalten. Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und
soziale Systeme greift Soziale Arbeit dort ein, wo Menschen mit ihrer Umwelt in Interaktion treten.
Grundlagen der Sozialen Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen
Gerechtigkeit.“ (Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V., 2009)
2.2 Ziele Sozialer Arbeit
Die Soziale Arbeit ist ein stetiger Prozess, der als Ziel die Lösung sozialer Probleme hat.
Dies umfasst:
Soziale Hilfen (materielle und moralische Hilfen)
Dienstleistungen (Beratungsangebote, Betreuung, Versorgung, Unterbringung)
Bildungsprozesse (Bildung- und Sozialisationsaufgaben)
Soziale Probleme sind Lebenslagen oder Belastungen von Individuen oder Gruppen, die
gesellschaftlich negativ definiert werden und durch öffentliche Leistungen gemindert oder
beseitigt werden sollen.
Die Soziale Arbeit fungiert als Vermittlerrolle zwischen Individuum und Gesellschaft, um ein
Gleichgewicht zwischen Adressaten(-gruppen) und sozialen Verhältnissen zu schaffen. Sie zeichnet
sich durch Konfliktarbeit, d.h. Klärungsprozesse zwischen Konfliktbeteiligten (z.B. Verteilung von
Macht und Ressourcen oder Gestaltung von Handlungsregeln), aus.
, Ebenen der Sozialen Arbeit
Individuelle Ebene --> Hilfe zur Selbsthilfe
o Adressaten(-gruppen), deren eigene Ressourcen kaum oder nicht ausreichen,
(wieder) in die Lage versetzt zu werden, Krisen oder Unsicherheiten zu verhindern
oder zu bewältigen und ihr Leben als Mitglied der Gesellschaft selbstverantwortlich
und gesetzeskonform zu gestalten
Gesellschaftliche Ebene --> Verbesserung bzw. Veränderung der Rahmenbedingungen
o Kritisches Hinterfragen gesellschaftlicher Bedingungen sowie Hinwirken auf dessen
Veränderung
Umsetzung der Ziele in der Praxis
Aufdeckung sozialer Probleme
Bewältigung sozialer Probleme
Vermeidung sozialer Probleme
2.3 Funktionen und Aufgaben Sozialer Arbeit
Hilfe und Unterstützung für Individuen und Gruppen in sozialen Notlagen
o Hilfe zur Selbsthilfe
Beeinflussung des Sozialraumes bzw. der Umweltbedingungen und Infrastruktur
o Bereitstellung von Angeboten der politischen, kulturellen und sozialen Teilhabe -->
Ermöglichung aktiver Mitgestaltung des Lebensraumes
Hilfe und Unterstützung von Mitarbeitenden in Betrieben und Organisationen
o Verbesserung der Arbeitsbedingungen
o Ermöglichung von Mitbestimmung
Mitgestaltung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Gesellschaft
o Herstellung und Wahrung der sozialen Sicherheit
Erschließung und Bereitstellung von finanziellen, personellen, räumlichen und zeitlichen
Ressourcen zur Gewährung sozialer Leistungen
Aktivierung und Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements
o Förderung von Kooperationsmöglichkeiten zur Förderung der Selbsthilfe/
des Gemeinwohles
Bereitstellung von Informationen und Fachwissen
o Stärkung der Interessen und Aktivitäten benachteiligter Individuen oder Gruppen
(Transparenz bezüglich Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten)
Schaffung, Organisation und Leitung sozialer Institutionen als Orte für soziale Leistungen
Je nach Arbeitsfeld, beruflichem Status und praktischem Schwerpunkt kommt den einzelnen
Aufgaben unterschiedliche Bedeutung zu.