Einsendeaufgabe
Selbstorganisiertes und individuelles Lernen
Aufgabe 1
Stellen Sie die am Lernprozess beteiligten Areale des Gehirns dar und erläutern Sie
deren Funktionen.
Um ein Verständnis für das Lernen als komplexen Prozess zu entwickeln, für welchen neben
kognitiv-rationalen auch physiologische und psychologische Faktoren bedeutsam sind, ist
die Kenntnis über den Aufbau und die Struktur des menschlichen Gehirns grundlegend.
Dessen Neuronen speichern und verarbeiten Informationen, welche aus den Sinneszellen
importiert werden. Zwischen den Neuronen befinden sich Axone, welche durch Synapsen
verknüpft sind. Durch Lernprozesse kann eine Steigerung der Übertragungsrate zwischen
diesen Synapsen angeregt werden. Einige Hirnstrukturen sind in besonders hohem Ausmaß
an Lernprozessen und Gedächtnisleistungen beteiligt.
Die Formatio reticularis als Teil des Nervensystems im Stammhirn ist für den Wach- und
Schlafrhythmus sowie die Aufmerksamkeitsregulierung zuständig. Sie bildet die Grundlage
für das menschliche Bewusstsein. Überlebenswichtige Steuer- und Regelungsfunktionen wie
beispielsweise für die Atmung sind hier angesiedelt. Die Prozesse des Stammhirns laufen
automatisch und ohne eine aktive Kontrollmöglichkeit von außen ab. Da die Merkfähigkeit
positiv mit Aufmerksamkeitsprozessen korreliert, ist die Formatio reticularis als grundlegend
für Gedächtnisleistungen zu betrachten.
Im Zwischenhirn, welches für unbewusste Vorentscheidungen und Reaktionen zuständig
ist, lässt sich neben Epithalamus und Thalamus auch der Hypothalamus finden. Letzterer
aktiviert durch Hormonausschüttung das sympathische Nervensystem, um Stressreaktionen
hervorzurufen. Diese wiederrum bringen die Hypophyse, eine wichtige Hormondrüse, dazu
ihrerseits entsprechende Hormone auszuschütten. Diese Tropine hemmen die weitere
Ausschüttung der Stresshormone. Die akute Stresssituation hat eine positive Wirkung auf
die kognitive Lernfähigkeit, wirkt sich jedoch gleichzeitig auf bestimmte Zielorgane aus, was
bei chronischem Stress negative Folgen für das Gehirn nach sich ziehen kann. Sieht sich
das Gehirn zu vielen Stresshormonen ausgesetzt, wird die Aufnahme von Glukose im
Gehirn verschlechtert, was sich durch ein geringeres Energielevel auszeichnet. Chronischer
Stress wirkt sich sehr negativ auf die Nervenzellen aus, was langfristig zu neuronalem
Zelltod führen kann. Besonders der Hippocampus ist von diesen Auswirkungen betroffen.
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, Dabei ist es auch nicht von Belang, wie die Stresssituation bewertet und gemeistert wird.
Auch bei als „positiv“ bewertetem Stress treten die negativen Folgen ein. Für einen
optimierten Lernprozesse sollten Stresssituationen daher vermieden werden.
Ein weiteres Hirnareal, das Lernprozesse entscheidend beeinflusst, ist das limbische
System. Hier werden alle Informationen auf Gefühlsebene bewertet. Dies geschieht
unabhängig von unserem Willen und bevor das Bewusstsein seine Einschätzung abgeben
kann. Durch die Bewertung können Informationen verschiedenen Kategorien wie
wichtig/unwichtig oder gefährlich/ungefährlich zugeordnet und entsprechend reagiert
werden. Gefühle können Lernen beeinflussen, da sie die „Aktivitäten neuronaler Netze
intensivieren und damit ihre synaptische Verschaltung stärken“ (Schell, 2018, S. 17). Mit
Emotion aufgeladene Informationen können leichter in das Langzeitgedächtnis integriert und
anschließend abgerufen werden. Der Hippocampus spielt bei der Verarbeitung und
Speicherung neuer Informationen im Großhirn eine tragende Rolle. Seine Netzwerke sind in
der Lage, auch unvollständige Informationen durch Verknüpfung mit bereits vorhandenen
Daten zu ergänzen. Wird ein neuer Inhalt in bereits vorhandene Netze eingefügt, werden
positive Emotionen ausgelöst. Durch die enge Verbindung zwischen Hippocampus und
limbischen System zeigt sich, dass Lernprozesse stets emotional beeinflusst sind.
Informationen, welche vom limbischen System als wichtig bewertet werden, erhalten eine
emotionale Färbung und bleiben dadurch länger im Gedächtnis. Ein positives emotionales
Klima ist daher wichtig, um sich Informationen bestmöglich aneignen zu können.
Die durch Lernen hervorgerufenen kognitiven Vorgänge spielen sich auf „spezialisierten
Rindenfeldern der Gehirnrinde“ (Schell, 2018, S. 19) ab. Der Neokortex, wie diese
Großhirnrinde genannt wird, besitzt dabei unzählige Nervenverbindungen, welche bereits bei
der Geburt angelegt sind. Diese Verbindungen treten vor allem innerhalb des Gehirns auf
und vereinen dessen Zellen zu einem riesigen Netzwerk. Gelangt über die Sinnesorgane
eine neue Information in das Gehirn, wird diese in das vorhandene Netzwerk eingespeist. Je
besser die neue Information in bereits bestehendes Wissen integriert werden kann, umso
schneller können die Daten gespeichert werden. Lernen verstärkt sich mit der Zeit demnach
selbst – je mehr Wissen bereits vorhanden ist, umso leichter lässt sich Neues erlernen.
Damit aus den neuen Informationen langfristig abrufbares Wissen wird, muss eine tiefere
Verarbeitung stattfinden, sodass die Daten in das Langzeitgedächtnis übergehen können.
Daher sind neben der emotionalen Aufladung von Wissen auch Wiederholungen im
Lernprozess von tragender Bedeutung, um Gedächtnisspuren zu vertiefen. Zudem ist eine
Aneignung der Information auf möglichst vielen Sinnesebenen und in möglichst vielen
Zusammenhängen sinnvoll. Auch wenn die Großhirnrinde in zwei Hälften unterteilt ist, ist es
wichtig, beide dieser Hemisphären zu aktivieren, um den Lernprozess möglichst
gehirngerecht zu gestalten. Werden die logisch-analytische Denkweise der linken und die
ganzheitlich-intuitive Denkweise der rechten Hemisphäre kombiniert, führt dies zu einer
schnelleren Speicherung der Informationen im Langzeitgedächtnis und zum besseren
Erkennen von Zusammenhängen und Strukturen.
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