Statistik / Teil V: Prognoseverfahren 159
10. Zeitreihenanalyse
10. Zeitreihenanalyse
Ist im Gegensatz zur Regressionsrechnung die Gesamtheit der Einflussgrößen oder die Art
ihres Einflusses nicht bekannt oder die mathematische Beschreibung nur schwer möglich, wird
nur das zeitliche Verhalten der beobachteten Größe selbst untersucht. Die Zeit tritt als Ursache
an die Stelle der Gesamtheit der tatsächlichen Einflussfaktoren.
Um das Verhalten eines Merkmals im Zeitablauf zu analysieren, werden die Merkmalsaus-
prägungen für aufeinander folgende Zeitpunkte oder Zeitintervalle erhoben. Eine solche Reihe
von Beobachtungswerten heißt Zeitreihe. Für die Zeitreihenanalyse lassen sich dann folgende
Ziele und Aufgaben ableiten:
• Identifikation der Gesetzmäßigkeiten einer Zeitreihe
• Vergleich verschiedener Zeitreihen
• Schätzung von unbekannten Zeitreihenwerten innerhalb des Beobachtungsintervalls
(Interpolation)
• Schätzung von Zeitreihenwerten außerhalb des Beobachtungsintervalls
(Extrapolation, Prognose)
10.1. Komponenten einer Zeitreihe und ihre Modellierung
Mögliche Einflussfaktoren bzw. Komponenten einer Zeitreihe lassen sich meist schon mit
Blick auf ihren grafischen Verlauf erkennen. Hierzu sind für die bereits bekannte Jugend-
herberge in der nachfolgenden Abbildung deren Quartalszahlen an Übernachtungen von
2015 bis Ende 2019 dargestellt.
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10. Zeitreihenanalyse
Die gestrichelte Linie verdeutlicht, dass die durchschnittlichen Übernachtungszahlen in dem
betrachteten Zeitraum ab März 2015 leicht angestiegen sind, allerdings sind in den je-
weiligen Quartalen auch deutliche Abweichungen zu erkennen. So liegen die Höchstwerte
innerhalb eines Jahres im zweiten oder dritten Quartal und die Tiefstpunkte immer im ersten
Quartal.
Aus diesen ersten Überlegungen lassen sich bereits die zentralen Bewegungskomponenten
einer Zeitreihe ableiten. Dabei werden unterschieden:
• eine Trend-Komponente Tt,
= Erfassung einer langfristigen Grundrichtung der zeitlichen Entwicklung.
• eine zyklische Komponente bzw. Konjunkturkomponente Kt,
= Erfassung von mittelfristigen, sich periodisch wiederholenden Einflüssen; insbesondere
konjunkturelle Schwankungen, die mit einer mehrjährigen, aber nicht völlig konstant
bleibenden Periode den Trend überlagern.
• eine saisonale Komponente St,
= Erfassung jahreszeitlicher Ereignisse, die mit einer konstanten jährlichen Periode
auftreten und von dem Trend und der zyklischen Komponente überlagert sind.
• eine zufällige Restkomponente Rt,
= Erfassung aller Schwankungen der beobachteten Zeitreihe, die nicht durch die drei
systematischen Komponenten abgedeckt und gedeutet worden sind; bei diesen zufälligen
Schwankungen wird davon ausgegangen, dass ihr Mittelwert im Zeitablauf Null ist.
Da eine klare Trennung von Trend und zyklischer Komponente meist nicht möglich ist, werden
beide oft zur glatten Komponente Gt zusammengefasst.
Die Zeitreihenwerte lassen sich dann entweder über eine additive Verknüpfung der Bewe-
gungskomponenten
yt = Gt + St + Rt (= additives Modell)
oder über eine multiplikative Verknüpfung
yt = Gt ∙ St ∙ Rt (= multiplikatives Modell)
beschreiben.
Das multiplikative Modell eignet sich vor allem zur Analyse von Zeitreihen mit einer im Zeit-
ablauf kontinuierlich steigenden oder fallenden Amplitude. In allen anderen Fällen ist eine
additive Verknüpfung der Komponenten vorzuziehen.
Während im obigen Schaubild die Amplitude in den ersten drei Jahren annähernd konstant
bleibt, nimmt sie im vierten Jahr (2018) zu, um dann 2019 wieder auf das vorherige Niveau
zurück zu fallen. In dem Beispiel zu den Übernachtungszahlen ist folglich von einem addi-
tiven Modell auszugehen.
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10. Zeitreihenanalyse
Gerade für ökonomische Zeitreihen ist dieser Verlauf nicht untypisch. In der Regel zeigt sich
also eine relativ konstante Schwingungsbreite zwischen den Jahres-Hoch- und Tiefpunkten
der Zeitreihe, die dann nur temporär von steigenden oder fallenden Amplituden abgelöst
werden. Kontinuierlich fallende oder steigende Amplituden, die für ein Zeitreihenmodell mit
multiplikativ verknüpften Komponenten sprechend würden, sind dagegen äußerst selten. Es
soll daher im Folgenden nur auf additive Modelle näher eingegangen werden.
8.2. Ermittlung der glatten Komponente
Die glatte Komponente gibt die Grundrichtung einer Zeitreihe vor und hat damit zentrale
Bedeutung. Dazu wird nachfolgend ein funktionsspezifischer Ansatz nach der aus Kapitel 9
bekannten Methode der kleinsten Quadrate, die Methode gleitender Durchschnitte sowie
das Verfahren der exponentiellen Glättung beschrieben.
Methode gleitender Durchschnitte
Um die glatte Komponente einer Zeitreihe herauszufiltern, müssen die saisonalen und die
irregulären Schwankungen ausgeschaltet werden. Saisonschwankungen haben die kon-
stante Periode eines Jahres und gleichen sich in ihrer Wirkung innerhalb eines Jahres
gegenseitig aus. Folglich lassen sich die Saisoneinflüsse dadurch neutralisieren, dass aus
allen Zeitreihenwerten einer Periode ein arithmetischer Durchschnitt berechnet wird. Gleich-
zeitig wird hierdurch auch die Restkomponente eliminiert. Mit der fortlaufenden Berechnung
von Durchschnitten lassen sich also 'zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen', durch das
Ausschalten von Saison- und Restkomponente entspricht der Durchschnittswert dem
Trendwert.
Gleitende Durchschnitte GD
Gleitende Durchschnitte GD der Ordnung d werden als arithmetisches Mittel fortlaufend aus d
benachbarten Zeitreihenwerten berechnet und dem mittleren der bei der Durchschnittsbildung be-
rücksichtigten Zeitpunkte t zugeordnet. Dabei muss zwischen Durchschnitten ungerader Ordnung
mit d = 3, 5, 7, …
1 i d-1
GDt (d) =⋅ ∑ y t +h mit i =
d h= −i 2
und Durchschnitten gerader Ordnung mit d = 2, 4, 6, …
1 y i−1
y d
GDt (d) =⋅ t −i + ∑ y t +h + t +i mit i =
d 2 h=−i+1 2 2
unterschieden werden.
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