Eberhard-Karls-Universität Tübingen Institut für Politikwissenschaft
Zusammenfassung: Einführung in die Politikwissenschaft
Vorlesung 1 – Was ist Politik?
Subjektive Politikverständnisse (empirische Annäherung)
Das was Normalbürger über Politik denken (abhängig von Lebensbedingungen, Interessen,
Erfahrungen, Erwartungen)
Bewertung von politischen Institutionen, Strukturen, Prozessen und Akteuren
Emanzipatorisches Politikverständnis (Teilhabe und Mitgestaltung)
Gouvernementales Politikverständnis (Regierung, Staat, Macht und Herrschaft)
Institutionelles Politikverständnis (Institutionen)
Regulatorischer Politikverständnis (Regulierungen, Vorschriften)
Universeller Politikverständnis (Politik ist überall)
Keine elaborierten Verständnisse (Keine Definition)
Wissenschaftliche Politikbegriffe (theoretische Annäherung)
Emanzipatorisch: Machtbeschränkung, Partizipation
Gouvernemental: Führung, Macht und Herrschaft (Machterlangung und Machterhaltung:
Machiavelli)
Normativ: Normen, Werte, die gute Ordnung (Frieden, Freiheit)
Deskriptiv: autoritative Allokation (Zuweisung) von Werten (Easton)
Konfliktorientiert: Konträre Ideen (Konflikte, Auseinandersetzungen als Motor der Politik)
Konsensorientiert: Konforme Ideen (Harmonie fördert das Gemeinwohl)
Trias der Politik
Politische Dimensionen
Polity Politics Policy
Politische Strukturen Politische Prozesse Politische Inhalte
Form, Normen, Regeln, Aufgaben, Ziele, Programme, Konkrete politische Gestaltung,
Rahmenbedingungen Interessen Politikfelder
Politisches System, Verfassung, Willensbildungs- und Außenpolitik, Bildungspolitik,…
Gesetze, Institutionen Gesetzgebungsprozesse
(Parteien, Wahlen)
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Die 3 Politischen Dimensionen hängen immer unmittelbar zusammen
Politische Ebenen
Internationale Ebene Globales System
Makroebene Gesamtgesellschaft auf nationaler Ebenen
Mesoebene Soziale Gruppen und Organisationen
Mikroebene Individuelle Bürger
Hauptströmungen des Faches (Metatheorien)
Normativ-ontologisch (gute Ordnung, Ideal)
Pragmatisch-realistisch (Machterwerb, Machterhalt)
Kritisch-dialektisch (marx.: ökonomische Rahmenbedingungen, Macht- und
Herrschaftsverhältnisse)
Empirisch-analytisch (Methoden der Datengewinnung und – verarbeitung: methodisch,
standardisiert, quantitativ, statistisch, vergleichend)
(Funktionalistisch (Funktionen einzelnen Teile des politischen Systems und deren Zusammenspiel))
Unterscheidung Verstehen und Erklären
Tiefe Gegensätze zwischen normativ-ontologischen und kritisch-dialektischen Denkschule
(Verstehen), aber gemeinsame Front gegen die empirisch-analytische Denkschule (Erklären)
Politik (Definition)
„Politik ist jenes menschliche Handeln, das auf die Herstellung allgemein verbindlicher Regelungen
und Entscheidungen in und zwischen Gruppen von Menschen abzielt“ (Patzelt)
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Zusammenfassung: Einführung in die Politikwissenschaft
Vorlesung 2 – Was ist Wissenschaft, was Politikwissenschaft?
Wissenschaft (Definition)
„Wissenschaft nennt man die in ihren Aussagen überprüfbare und systematische Beschäftigung mit
nahezu beliebigen Bereichen der Natur, des menschlichen Denkens und des menschlichen
Zusammenlebens und seiner Gestaltungsformen“ (Mols)
Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Sozialwissenschaften
Ziel: Neues Wissen erzeugen (Wissen schaffen heißt auf bereits vorhandenes Wissen aufbauen)
Definition Theorie
„Theorien sind heuristische1 Mittel, mit deren Hilfe solche die unmittelbare Anschauung
übersteigenden, systematischen Informationen über nicht offensichtliche Aspekte der Wirklichkeit
gewonnen werden sollen“ (Satz aus logischen Hypothesen)
Eigenschaften von Theorien
Sind geprägt von Prämissen
Sind verifizierbar oder falsifizierbar durch Überprüfung
Probabilistisch (wahrscheinlich) oder deterministisch (vorherbestimmt)
Sind kohärent (in sich widerspruchsfrei, zusammenhängend)
Kumulativ (neue Konzepte bauen auf dem bestehenden Wissen auf) und eruptiv (ein neues
Konzept kommt unerwartet auf und revolutioniert das bestehende Wissen)
Empirisch und methodologisch fundiert
Basis für die Praxis des Forschens
Haben kausale Zusammenhänge (Wenn-dann, Je-desto-Hypothesen)
Sind kontextabhängig, mittelbar, nachvollziehbar und kritisierbar
Argumente sind logische Schlussketten aus Prämissen und Schlussfolgerungen (Konklusionen)
Eigenschaften von wissenschaftlichen Politikbegriffen
Abgrenzung von alltäglichen Definitionen
Höherer Abstraktionsgrad
Systematisiert
Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens
Klare Begriffsdefinitionen, nachvollziehbare Argumentation und verständliche Sprache
Offenlegung von Prämissen
Kennzeichen von Quellen
Trennung zwischen Werturteilen und Tatsachenaussagen
Darlegung der Methodik von Datenerhebung und Datenanalyse
Verwenden von bewährten Methoden
Bezug auf Autorität nicht hinreichend (nur weil es gern gesehen wird, ist es nicht unbedingt
richtig)
Keine unklaren Formulierungen und Umdeutungen
1
Heuristisch: verfahrensorientiert, problemlösend
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Immunisierungsverbot (wissenschaftliche Erkenntnisse dürfen nicht einer Prüfung verwehrt
werden, man muss sie selbst zu widerlegen versuchen, um eindeutige Erkenntnisse zu
gewinnen logische und empirische Kontrolle)
Wissenschaftlichkeit als Herstellung der Überprüfbarkeit von Erkenntnis
5 Spielregeln des wissenschaftlichen Arbeitens
1. Perspektive kontrollieren und korrigieren
2. Selektivität kontrollieren
3. Aussagen verständlich und intersubjektiv nachvollziehbar formulieren
4. Keine falschen Aussagen formulieren
5. Falsche Aussagen im Zweifelsfall korrigieren
Theorien in den Sozialwissenschaften
Modellähnliche, abstrakte und reduzierte Form von Wirklichkeit
Präsentation von Erfahrungen über wiederholende Verhaltensweisen
Aufgaben eines Politikwissenschaftlers
Verstehen von Inhalten von Parteien, Aussagen von Politikern, Prozesse und Strukturen von
Politik
Prognosen über Wahlergebnisse und geplante Reformen
Werten von politischen Ereignissen
Handlungsanweisungen an Akteure
Eigenheiten politikwissenschaftlichen Denkens
Selektion von Relevantem
Abstraktion aus komplexen Lebenswelten
Einflussfaktoren auf politikwissenschaftliche Auswahl- und Arbeitsprozesse
Traditionen, Geistige Strömungen und Ordnungsbilder (Liberalismus, Konservativismus,
Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus, Faschismus)
Impulse aus der vorwissenschaftlichen Welt (persönliche Erfahrungswelt)
Praxisbezug der Politikwissenschaft (Spannungsverhältnis zwischen Politikwissenschaft und
politischer Praxis, aber auch Verflechtungen (z.B. Politikberatung)
Epochale Einbindung (Herausforderungen der jeweiligen Epochen)
Konkrete Vorarbeiten und soziale Einbindung
Anthropologischen Prämissen (persönliche Vorlieben)
Historische Entwicklungen der Politikwissenschaft
Politikwissenschaft geht bis auf Platon und Aristoteles zurück (Antike)
Bedeutungsverlust durch Aufteilung in Einzelfächer (Aufklärung)
Aktualisierung der staatswissenschaftlichen Tradition in Neuzeit
Versuche der Etablierung als akademische Disziplin um die 1900-Jahrhundertwende
Fast gesamte erste Professorengeneration kam aus anderen Fachbereichen (Soziologie,
Geschichte, Philosophie)
Quantitatives Übergewicht der US-amerikanischen Politikwissenschaft durch interdisziplinäre
und internationale Offenheit (Vorbild und Führungsrolle)
In Deutschland späte Professionalisierung und internationalen Anschluss