Sozialpsychiatrischer Dienst, Sucht- und Drogenhilfe – Zusammenfassung
Lektion 1 – Grundlagen des Sozialpsychiatrischen Dienstes (SPDi)
1.1 Von den Anfängen der Psychiatrie bis zur Sozialpsychiatrie
Davor: Löcher im Kopf, damit Dämonen entfliehen, Verbrennung, Wegsperrung
Griechen: Hippokrates (460 bis 377 v. Chr.): nicht übernatürliche Kräfte, sondern natürliche Erklärung
Einfluss auf Römer: Soranus v. Ephesus (etwa 100 n. Chr.): Geisteskranke lieber in Hände von Pflegern, statt Fesseln
Mittelalter – Arabern: Spitäler für Geisteskranke
Mittelalter – Europa: im Kontext der Kirche. Geisteskranke = vom Teufel besessen
15. Jhd. Hexenverfolgung
16. Jhd. Beginn der Psychiatrie
Folgezeit: Unterbringung von psychisch Kranken in Zucht- u. Tollhäuser (Wohneinrichtungen für Geisteskranke)
Aufklärung (insb. franz. Revolution, 1700): Arzt Philippe Pinel setzte sich für humane Behandlung von Geistes-
krankheiten ein, Ursache: Verletzung des zentralen Nervensystems, Folgen: Vererbung u. familiäre Erlebnisse
Arzt Philosoph Pierre Cabanis (1757-1808): erklärt psychologische Phänomene physiologisch
körperliche Behandlungen zur Heilung
Benjamin Rush (1745-1813): Ursache: Blutstau im Gehirn verantwortlich für geistige Erkrankungen
„Behandlung“: durch Drehstuhl
Behandlungen: Hungerkuren, dadurch Genesung psychisch Kranker, Kastration, alte Drogen (Datura, Digitalis,
Kampfer), Stromstöße zur Nervenberuhigung -> Elektrokrampftherapie (EKT): Reduziert Hyperkonnektivität im
Gehirn depressiver Patienten, trägt zur Stabilisierung bei
Professor Wilhelm Griesinger (1817-1869): Lokalisierung der Geisteskrankheit u. Symptome, ‚Irresein‘ ist
Symptomkomplex verschiedener anomaler Gehirnzustände
Nationalsozialismus: dunkle u. traurige Zeit, „Euthanasie“ – „T4“ Tötung „unwerten Lebens“
-> Buch „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“
1934: Verabschiedung des „Gesetztes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN)
-> Sterilisation mit (später auch ohne) Einwilligung der Betroffenen bei Schizophrenie, angeborenem
Schwachsinn, Epilepsie, erheblicher Blindheit u. Taubheit
01.09.1939: Beginn der Tötungen von psychisch Kranken: polnische Pflegepersonals durch Überfall von
deutschen Mitarbeiter ersetzt, alle psychisch Kranken wurden erschossen/vergast
1950er: Entwicklung von antipsychotischen u. -depressiven Wirkstoffen wie Chlorpromazin, Largactil u. Imipramin
1970er: Weiterentwicklung/Psychiatriereform: biologisches Denken rückt in Vordergrund insb. Pharmakologie
Eines der ersten wirksamen Medikamente: psychotrope Lithium234 bei manisch-depressiven Kranken
Sozialpsychiatrie vs. Klinische Psychiatrie
1960: Antipsychiatrie-Bewegung (sogleich Frauen- und Studentenbewegung)
-> Krankes Verhalten ist normale Reaktion auf kranke Zustände
-> Begründer: Psychologe Laing u. Psychiater Cooper: gg. medizinisch-naturwissenschaftl. Psychiatrietheorie,
gg. psychoanalytisches Therapiemodell
1970: Treffen des sozialistischen Patientenkollektiv, wollte Zsmhang zw. Kapitalismus u. psychischer Krankheit
deutlich machen, in Bezug auf Sucht insb. durch These 1998 von Erich Wulff in Brief an Toni Schlösser
Sozialpsychiatrie (oder Gemeindepsychiatrie): Gegenentwurf zur biologisch-pharmakologischen Psychiatrie
(ruhigstellen) u. Gegenteil der „Anstaltspsychiatrie“, Zsmleben menschlicher Seelen
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, 1.2 Das psychosoziale Versorgungssystem, seine Elemente und die Einordnung des SPDi
Hilfesystem:
Psychiatrisches KKH: Träger: idR überörtl. Sozial- u. Eingliederungshilfeträger o. Trägerschaft v. Kommunen
Tageskliniken: teilstationäre Behandlungen u. Betreuung, nachts zu Hause, ärztl. Verordnung notwendig
Tagesstätte: kein Therapieangebot, niedrigschwellige Tagesstruktur für chronisch psychisch kranke Menschen
Kontakt- u. Begegnungsstätte: niedrigschwelliger als Tagesstätten, da für Aufnahme weder Antrag noch med.
GA notwendig
Fachärzte für Psychiatrie u. Psychotherapie: 2005 Einführung Facharzt, 7 Psychiater auf 100.000 Einwohner
Ärztl. u. psychologische Psychotherapeuten: für Erwachsene: kostenintensive u. langjährige Ausbildung, für
Kinder/Jugendliche: Sozialarbeiter mit Master/Diplom, GKV übernimmt: analytische Psychotherapie, tiefen-
psychologisch fundierte Psychotherapie u. Verhaltenstherapie
Psychiatrische Institutsambulanz: Auffangen von Mangel an niedergelassenen Psychiatern, „nicht
wartezimmerfähig“
Soziotherapie: Leistung für psychisch schwer kranke Menschen, Ziel: stationären KKHaufenthalt vermeiden
Krisendienste: insb. in Abend- u. Nachtstunden
Berufl. Rehabilitation: geregelt in SGB IX, Wiedereingliederung in Arbeitsmarkt
Sozialpsychiatrischer Dienst (SPDi): regelt Vorsorge u. Nachsorge bei psychisch kranken Menschen, bei
Gesundheitsämtern untergebracht, Einführung entlastet niedergelassene Psychiater u. Hausärzte
Weitere: Bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfe, Betreutes Wohnen, Wohnheim, Forensik
Zielsetzung einer Beratung:
1. Abklärung der aktuellen Situation
2. Entwicklung eines Problembewusstseins, Krankheitseinsicht, Behandlungsmotivation
3. Reflektion der lebensgeschichtlichen Entwicklung auf freiwilliger Basis
4. Entwicklung von Verhaltensänderungen, alternative Lebensbewältigungsstrategien
5. Einleitung u. Koordination von Hilfsmaßnahmen
1.3 Rechtliche Grundlagen des SPDi
2011 Einhalt der medikamentösen Zwangsbehandlung in Psychiatrie durch Bundesverfassungsgericht
2018 Einschränkung der Fixierung psychisch kranker Menschen
Psychisch-Kranken-Gesetz: Regelung bzgl. SPDi u. Unterbringung psychisch kranker Menschen je Bundesland
SGB III: Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben
Kinder- u. Jugendhilfegesetz nach SGB VIII: Leistungen der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte o.
psychisch kranke Kinder, Jugendliche u. junge Erwachsene
Leistungen zur Rehabilitation u. Teilhabe nach SGB IX
-> „persönliches Budget“: Geld zur selbstständigen Organisation notwendiger Leistungen
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