Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften
Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft
Lernskript Sprachwissenschaft: Sprachgeschichte
Examen Frühjahr 2023
Verfasserinnen:
Klara Brockard
Alina Weich
Lena Wiedner
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,Gliederung des Skriptes (nach verwendeten Quellen):
Inhaltsverzeichnis 1 à Sprachhistorisches Arbeitsbuch zur dt. Gegenwartssprache (S. 1-74)
Inhaltsverzeichnis 2 à Alt- und Mittelhochdeutsch (S. 75-121)
Inhaltsverzeichnis 1
1. Vokalquantität und ihre graphische Kennzeichnung ......................................................... 1
2. Vokalphoneme und ihre graphischen Varianten ................................................................ 6
3. s-Lautung und -Graphien ................................................................................................... 9
4. Konsonantenmorpheme und ihre graphischen Varianten ................................................ 14
5. Konsonantische Unterschiede zw. dem Niederdeutschen und Hochdeutschen ............... 17
6. Vorkommen und Funktionen des Umlauts....................................................................... 21
7. Verbalflexion I: starke Verben ........................................................................................ 24
8. Verbalflexion II: schwache Verben.................................................................................. 31
9. Grammatische Besonderheiten der der Modalverben ...................................................... 35
10. Zur Bildung des Konjunktivs II ................................................................................... 40
11. Schwankungen und Entwicklungen in der Kasusflexion ............................................. 43
12. Doppelformen und Entwicklungen in der Numerusflexion ......................................... 47
13. Starke und schwache Adjektivflexion .......................................................................... 51
14. Zur Struktur der Nominalgruppe .................................................................................. 55
15. Ersatz des Genitivs ....................................................................................................... 58
16. Verbstellung im Haupt- und Nebensatz ....................................................................... 61
17. Zur pronominalen Anrede ............................................................................................ 64
18. Historische Wortbildung .............................................................................................. 65
19. Lehnwortbildung .......................................................................................................... 68
20. Fremdheitsmerkmale bei Entlehnungen ....................................................................... 71
Quellenverweis
Stricker, S., Bergmann, R. & Wich-Reif, C. (2016). Sprachhistorisches Arbeitsbuch zur
Deutschen Gegenwartssprache (2. Aufl.). Heidelberg: Universitätsverlag Winter.
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,1. Vokalquantität und ihre graphische Kennzeichnung (Stricker et a. 2016)
1.1 Orthographische Kennzeichnung von Vokallänge
- Kürze und Länge von Vokalen à keine einheitliche graphische Markierung
è Begründung: lateinische Buchstabenschrift wurde für die dt. Sprache verwendet,
lateinischer Buchstabenvorrat kann dt. Lautstruktur nicht 1:1 abbilden
- Heutzutage Nebeneinander mehrerer Verfahren:
o <h> steht für jedes Vokalphonem als Längenkennzeichnung zur Verfügung
o folgendes <e> auf /i:/ beschränkt (Ausnahme Orts- & Familiennamen)
o Verdopplung von Vokalgraphemen nur bei /a:/, /e:/ und /o:/
1.2 Historische Begründung für die Kennzeichnung von Vokallänge
Die Entstehung der Schreibung <ie>
- Folgendes <e> nur bei /i/
- Lautwandel vom Mhd. zum Nhd.
è mhd. Diphthonge wurden in der Entwicklung monophthongiert (wurden zu einem
Langvokal)
è mhd. /ie/, /uo/ und /üe/ à nhd. /i:/, /u:/ und /y:/ (liebe guote brüeder)
- die alte Schreibung <ie> bleibt als historische Schreibung erhalten (<e> entspricht
gegenwartssprachlich kein eigener Laut mehr)
Die Entstehung von <h> als Längenzeichen
- erklärbar durch historische Phonologie
- BSP: mhd. gemahel à nhd. Gemahl
- <h> konnte im mhd. nach Kurzvokal oder Langvokal stehen
- erschien im mhd. stets intervokalisch (vor schwach betontem Vokal /Ə/ (im nhd. nicht
mehr vorhanden)
- Lautwandel:
o erst Hachlaut /h/ intervokalisch verstummt à /gƏ.ma.hƏl/ > /gƏ.ma.Əl/
o Graphem <h> wurde aber beibehalten
o In vielen Fällen wurden benachbarte Vokale kontrahiert
o Kurzvokal wurde dabei gedehnt, /Ə/ der zweiten Silbe entfiel
o gƏ.ma.hƏl/ > /gƏ.ma.Əl/ > /gƏ.ma:l/
- Wegfall des /Ə/ wurde graphisch berücksichtigt, <h> wurde aber weiterhin geschrieben
- auch Hiatustilger: Vermeidung des direkten Aufeinandertreffens zweier Vokale, <h>
markiert Silbengrenze à z.B. bei sehen
è konnte somit als Zeichen für die Länge eines Vokals aufgefasst werden
- wurde als Längenmarkierung analog auch in Wörtern mit Langvokal eingesetzt (die
ursprünglich kein <h >hatten)
o mhd. bane > nhd. Bahn
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, o mhd. lôn > nhd. Lohn
è historische Schreibung, die auch auf Wörter übertragen wurde, bei denen es keine
lautliche Grundlage für die Graphien gibt
- HEUTE à Regel zur Verwendung: <h> steht vor <r>, <l>, <m>, <n> im Auslaut oder
vor diesen Liquiden und Nasalen vor unbetontem Vokal
o BSP: Jahr, Wahl, Kohle
o Ursache: Silbenstruktur
§ <r>, <l>, <m>, <n> häufig am Anfang eines komplexen Silbenrandes,
dabei vorausgehender Vokal stets kurz à z.B. Hirn, Sand
§ <h> erleichtert das Lesen, leicht wahrnehmbares Signal für Länge
à Jahr, kühn
§ Ausnahmen durch morphologisches Prinzip: Naht, Draht
à von nähen und drehen
Verdoppelung von Vokalgraphemen
- auf a, e und o beschränkt
à BSP: Saat, Beet, Boot
- Verdopplung von <i> und <u> unterbleibt heute
- Auftreten von <r>, <l>, <t> und <s>
o <t> und <s> häufig am Anfang komplexer Endränder à nach Kurzvokalen
o Doppelschreibung dann als graphisches Signal für die Länge des Vokals
Einfachschreibung der Langvokale
- Langvokale ohne graphische Markierung der Länge
o BSP: Tag, Weg, Lid, Lot
o Einsilber mit nur einem Konsonantengraphem im Endrand à Vokal lang
o Ausnahmen: einsilbige Funktionswörter (an, mit, ran)
- auch in Mehrsilbern langer Vokal
o Länge durch offene Tonsilbe bedingt
o BSP: Tage, geben, Tugend
1.3 Entstehung von Vokallänge
Erhalt des Langvokals
- mhd. Langvokale â, æ, ê, ô, œ im Nhd. überwiegend lang geblieben
o mhd. slâfen > nhd. schlafen
o mhd. sê > nhd. See
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