Lernmaterial Strafrecht AT
Jegliche nicht enthaltene Definitionen sind aus den
Definitionsbüchern von Fahl zu entnehmen
Übersicht:
I. Das materielle Strafrecht:
- Strafrecht gehört als verselbstständigtes Teilgebiet zum öffentlichen Recht, da der Staat
Staatsgewalt im Prinzip der Über und Unterordnung ausübt
- Die Rechtsgebiete stehen nicht isoliert neben einander, sondern es gilt die Einheit der
Rechtsordnung (Art 20 GG, Verfassungsrecht hat auch vor Strafrecht Vorrang)
- das materielle Recht stellt den Kernbereich des Strafrechts dar
- das Strafrecht ist in 2 Teile gegliedert:
Allgemeiner Teil: Besonderer Teil:
- Umfasst §1-79b StGB - Umfasst §80-358 StGB
- enthält Vorschriften die für alle Delikte des - enthält konkrete Straftatbestände
besonderen Teils gemeinsam gelten
- Mittelpunkt des Allgemeinen Teils ist die
Tat sowie die Rechtsfolgen von Straftaten
- Auch außerhalb des StGB gibt es wichtige Straftatbestände: Betäubungsmittelstrafrecht,
Steuerhinterziehung in der Abgabenordnung, StVG, Straftatbestände im Wirtschaftsrecht
II. Das formelle Strafrecht:
- ist in Abgrenzung zum materiellen Strafrecht das Strafprozess- oder Strafverfahrensrecht
- ist in der Strafprozessordnung (StPO) geregelt
- befasst sich mit der Frage wie das materielle Recht verfahrensmäßig durchgesetzt werden
kann
- Gegenstand des Strafprozessrechts ist die formelle Ordnung die Regelt, wie eine Person der
eine Straftat vorgeworfen wird rechtmäßig überführt werden kann (StPO)
- sind also die Regeln für die Sanktionsnormen
III. Das Ordnungswidrigkeitenrecht:
- fällt der Funktion zu als kleines Strafrecht bestimmte Handlungen zu sanktionieren die, das
Gemeinschaftsleben stören ( ist im engeren Sinne jedoch keim Strafrecht)
- typischer sind Verstöße gegen die StVO
- Drohen für Gewöhnlich nur eine Geldbuße an
- eine wichtige Ausnahme im OWi Recht stellt §14 OWiG mit dem Einheitstäterprinzip dar
- weiter Ausnahmen finden sich im Verfahrensrecht
,Übersicht über das Strafrecht:
Handlungs- und Erfolgsunrecht
- Erfolgsunrecht: Umfasst hauptsächlich die objektive Seite des Unrechts
- Handlungsunrecht: Umfasst hauptsächlich die subjektive Seite des Unrechts
- es gibt vorsätzliches und fahrlässiges Handlungsunrecht
- §212 und §222 unterscheiden sich damit alleine in der Art des Handlungsunrechts
Aufgabe des Strafrechts und Strafzwecke:
I. Aufgabe:
1. Rechtsgüterschutz:
- sind Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Eigentum, Rechtspflege
- Rechtsgüter lassen sich in Individualrechtsgüter (Leben, Leib, Freiheit, Eigentum,
Vermögen) und Universalrechtsgüter (Rechtspflege, Sicherheit des Straßenverkehrs,
Umwelt) unterteilen
2. Strafrecht als ultima ratio:
- das Strafrecht ist als äußerstes Mittel (ultima ratio) der Bestrafung anzusehen weshalb alle
anderen milderen Mittel im Sinne der VMK (Art. 20 III GG) Vorrang haben = Subsidiarität des
Strafrechts (zB Gesellschaftliche oder andere rechtliche Sanktionen oder Reaktionen)
- das Strafrecht soll also nur besondere sozialschädliche Verhaltensweisen bekämpfen
- das Strafrecht dient also als Mittel der Sozialkontrolle
II. Strafzwecke:
1. Absolute Straftheorien:
- geht auf Immanuel Kant und Georg Hegel zurück
- nach dieser Theorie ist der Sinn der Strafe losgelöst von gesellschaftlichen Zwecken
- die Strafe wirkt rein repressiv auf die Vergangenheit gerichtet, was bedeutet, dass die
Strafe als Vergeltung für begangenes Unrecht, sowie als Schuldausgleich und zur
Gerechtigkeitsherstellung zu sehen ist
2. Relative Straftheorie:
- beziehen den Sinn der Strafe auf den präventiven Zweck der künftigen Verhütung von
Straftaten beziehen
- Zweck 1 Ordnung ist der Rechtsgüterschutz und Zweck der 2 Ordnung sind 2 Theorien:
- a) Generalprävention:
- die negative Generalprävention sieht den Zweck der Strafe in der Abschreckung der
Allgemeinheit, um die Bevölkerung durch Strafe und Vollzug von der Begehung abzuhalten
- die positive Generalprävention zieht den Sinn der Strafe in der Erhaltung und Stärkung des
Vertrauens der Allgemeinheit in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung
(Straftaten rentieren sich nicht, sondern rechtstreues Verhalten)
,- b) Spezialprävention:
- die negative Spezialprävention will als Zweck die Gesellschaft vor dem nicht
besserungsfähigen Straftäter durch dessen einsperren schützen
- die positive Spezialprävention sieht als Zweck, den besserungsfähigen Straftäter zu bessern
und zu resozialisieren
3. Vereinigungstheorien:
- keine der beiden Theorien sind überzeugen weshalb versucht wurde, die Strafzwecke in ein
Ausgewogenes Verhältnis zu bringen
- a) vergeltende Vereinigungstheorie: will dem Täter eine repressive Übelzuführung im Sinne
des Schuldausgleichs zufügen
- b) präventive Vereinigungstheorie: sieht den Zweck der Strafe eher präventiv und erkennt
die vergeltende Vereinigungstheorie nicht an (Rspr schon)
Exkurs Instanzenzug im Strafverfahren:
Das Gesetzlichkeitsprinzip:
- Grundsatz nulla poena sine lege → eine Tat kann nur bestraft werden wenn die
Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde (Verankert in Art. 103
II, §1 StGB)
- das Verbrechen im materiellen Sinn sowie die Strafe nach Art und Höhe müssen gesetzlich
geregelt sein, um bestraft zu werden
- gibt dem Bürge die Möglichkeit sein Verhalten straffrei einzurichten und schützt vor
willkürlicher und unberechenbarer Strafverfolgung
- der Schutzbereich des Art. 103 II beschränkt sich auf das materielle Strafrecht weshalb
außerhalb des Schutzbereiches die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§61 StGB)
sowie das formelle Strafrecht
Die verschiedenen Ausprägungen des Gesetzlichkeitsprinzips:
Übersicht:
,1. Analogieverbot:
- ist das Verbot analoger Strafbegründung oder Strafschärfung
- der Wortsinn des Gesetzes markiert somit die äußerste Grenze der Strafbarkeit
- Analogien zugunsten des Täters steht Art. 103 II GG nicht entgegen
- selbiges gilt für teleologische Reduktionen
- daher kann ein Tier als Analogie aus dem Zivilrecht nicht als eine Sache gesehen werden
wenn das die Strafe schärfen würde (jedoch aus Gründen des StGB wie §324a)
2. Verbot von (belastendem) Gewohnheitsrecht:
- Gewohnheitsrecht entsteht durch langdauernde Rechtsausübung, die von einer allgemein
anerkannten Rechtsüberzeugung getragen wird
- strafrechtliche Folgen dürfen jedoch nur auf Gesetz beruhen
- es gibt jedoch gewohnheitsrechtlich streckbare Begriffe wie Vorsatz, Fahrlässigkeit,
Kausalität, Unterlassen, Irrtum usw.
- Hier wurde aber nur bestehendes Recht präzisiert und nicht neues geschaffen
- der Herausbildung von Gewohnheitsrecht zugunsten des Täters steht nicht entgegen
- Gewohnheitsrecht kann sich auch zurückbilden (Züchtigungsrecht des Lehrers)
- fraglich in wie weit das Verbot im allgemeinen Teil gilt
3. Bestimmtheitsgebot (Verbot unbestimmter Strafgesetze):
,- gilt für Voraussetzungen sowie für die Strafandrohung
- das BVerfG stellt jedoch keine hohen Anforderungen an die Bestimmtheit der Strafnormen
- fraglich in wie weit das Verbot auch im allg. Teil gilt
4. Rückwirkungsverbot:
- ist das Verbot strafrechtliche Folgen auf ein zur Zeit der Tatbegehung noch nicht geltendes
Gesetz zu stützen
- das Rückwirkungsverbot ist nur auf gesetzliche Bestimmungen begrenzt sodass der
Straftäter nicht davor geschützt wird, dass die Rechtsprechung ihre Meinung zu Ungunsten
des Täters ändert und ihn rückwirkend belastet
- das BVerfG und die h.M. hält die rückwirkende Verlängerung von Verjährungsfristen für
zulässig, insofern die Frist noch nicht abgelaufen ist (Relevant bei Kriegsmorden 1945 bis
1949)
-dies ist der Fall weil die Fristen dem Verfassungsrecht und nicht dem Strafrecht zuzuordnen
sind
Die Strafrechtliche Methodenlehre:
1. Die Auslegung:
- dient der Ermittlung der Bedeutung gesetzlicher Merkmale und der Findung juristischer
Argumente
- Grenzen der Auslegung sind der mögliche Wortsinn, der Wille des Gesetzgebers, und das
verbleiben eines sinnvollen Anwendungsbereichs der Norm
- Die 4 Auslegungsmethoden sind:
- Grundsätzlich existiert keine Rangfolge der Auslegungsmethoden, jedoch wird beim
Abwägungsprozess der teleologischen Auslegung die größte Bedeutung und Vorrang
zugemessen (nicht zwingend, wenn andere Argumente stärker sind)
- andere Auslegungsansätze:
- die verfassungskonforme Auslegung: im Wege restriktiver Auslegung ist bei mehreren
naheliegenden Auslegungsmöglichkeiten die zu wählen, die mit der Verfassung in Einklang
steht
- teleologische Reduktion: die Norm kann durch restriktive Auslegung auf bestimmte Fälle
die eigentlich erfasst sind nicht angewendet werden
,- Strafrahmenorientierte Auslegung: Überprüfung des Auslegungsergebnis an der
Strafandrohung
- Wichtig: Bei Auslegungsschwierigkeiten sollte in der Klausurbearbeitung wenn ein Problem
besonders schwer lösbar erscheint immer auf den Schutzzweck der Norm und auf den
Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 GG) zurückgegriffen werden um eine Sachgerechte Lösung
zu finden
Geltungsbereich des deutschen Strafrechts
- ist in §3-7,9 geregelt
- taucht im Fall zunächst ein Auslandsbezug auf muss als erstes geklärt werden, ob deutsches
Strafrecht überhaupt gilt (3-9,7 prüfen)
- weiterhin muss geprüft werden ob die Tat überhaupt in den Schutzbereich des deutschen
Straftatbestandes fällt
- daraus ergibt sich folgende Prüfungsstruktur bei Fällen mit Auslandsbezug:
I. Erwähnung des in Frage kommenden Straftatbestands
II. Feststellung des Auslandsbezugs
III. Prüfung der in Frage kommenden Anknüpfungspunkte der §3ff.
IV. Schutzbereichsfrage
V. Prüfung des Straftatbestandes
zu III
- In Fällen mit Auslandsberührung muss im Sinne des völkerrechtlichen
Nichteinmischungsprinzip ein unmittelbarer Bezug zwischen Strafsache und Inland
hergestellt werden
- ein legitimierter Anknüpfungspunkt ist die Verwendung der Deutschen Sprache oder im
Zweck auf deutsches Territorium einzuwirken
- es muss gefragt werden ob sich ein Anknüpfungspunkt aus §3-7, 9 ergibt
- Auch das deutsche Strafrecht orientiert sich am Prinzip des internationalen Strafrecht an
dem sich §3ff orientiert
- eigentlich hat jedes Land unabhängig sein eigenes Strafrecht doch in diesen § stehen
Ausnahmen
1. Das Territorialprinzip
-knüpft immer an den Ort der Begehung an
- für mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft gilt das die Tat an dem Ort begangen ist an
dem auch nur ein Beteiligter einen Tatort gem. §9 begründet hat
- §9 II regelt den Tatort in Teilnahmefällen
- Erfolgsbegriff im Sinne des §9 sind alle Erfolge von Erfolgsdelikten (Verletzungs- und
Gefährdundsgdelikte, Beleidigungsdelikte mit Kundgabeerfolg in D)
- neben dem Erfolgsbezug wird auch ein spezieller Inlandsbezug vorausgesetzt
- besonders Umstritten sind Delikte mit Tatort im Internet
- der Erfolg von Gefähdungsdelikten soll da sein wo die Tat ihre Gefährlichkeit auf das
Rechtsgut entfaltet
- Mitglieder von diplomatischen und konsularischen Vertretungen sind nicht deutschem
Strafrecht unterworfen (Schutz durch Immunität)
,2. Sonstige Prinzipien
- aktives Personalitätsprinzip: Anknüpfungspunkt in deutscher Staatsangehörigkeit
- passives Personalitätsprinzip: unabhängig vom Tatort wird an die Staatsangehörigkeit des
Opfers angeknüpft
- Schutzprinzip: Bezieht sich auf den Schutz wichtiger inländischer Rechtsgüter →
Staatsschutzprinzip
- Weltrechtsprinzip: Knüpft an ein Schutzinteresse von Rechtsgütern an für die ein
weltweites Interesse besteht
- Kompetenzenverteilungsprinzip: bei Straftaten die mehreren Staaten unterliegen wird die
Zuständigkeit durch Vereinbarungen geregelt
zu IV
- neben III setzt die Anwendung deutschen Rechts ein Verhalten voraus das den inländischen
Rechtsgutschutz auslöst
- ist bei auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter und bei Strafnormen die ihren Sinn
und Zweck des Schutz ausländischer Rechtsgüter und Interessen widmen der Fall
Der Handlungsbegriff:
- Def: ist ein willentliches Verhalten d.h. ein vom menschlichen Willen beherrschtes oder
beherrschbares Verhalten (Tun oder Unterlassen)
- vorausgesetzt ist also die Möglichkeit zu einer willentlichen Kontrolle
- eine Straftat ist eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung
- Sinn des Handlungsbegriffes ist die Abgrenzung von zB Naturereignissen, Unwillkürlichen
Bewegungen des menschlichen Körpers (Reflexe, Schlafwandeln Bewusstlosigkeit), vis
absoluta
- zu Handlungen zählen aber schon Spontan oder Kurzschlusshandlungen oder
automatisierte Verhaltensweisen
- beim Handlungsbegriff geht es um Menschen weshalb Tiere und juristische Personen nicht
handeln können
, Der allgemeine Deliktsaufbau:
- Voraussetzungen der Strafbarkeit ist die Verwirklichung eines Unrechts
- Ein Unrecht setzt wiederum voraus, dass ein Verhalten gegen eine strafrechtliche
Verhaltensnorm verstößt → Unrecht = Tatbestand
- Dies ist der Fall wenn der (objektive und subjektive) Tatbestand einer Straftat verwirklicht
wurde
- im weiteren Sinne umfasst die Strafbarkeitsvoraussetzungen die Frage, ob die Handlung
auch Rechtswidrig und Schuldhaft vorgenommen wurde
- bei der Rechtswidrigkeit geht es um die Prüfung von Rechtfertigungsgründen da die
Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit erstmal indiziert (Voraussetzt)
- bei der Schuld wird geprüft ob ein schuldhaftes Handeln vorliegt, also ob der Täter auch
verantwortlich gemacht werden kann
- bei der Schuld mangelt es nur bei Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründen
Der Basis Aufbau:
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand (Äußere Umstande der Tat)
a) Tatsubjekt
- legt fest wer tauglicher Täter sein kann
- bei Allgemeinheitsdelikten (Wer… ) jedermann
- bei Sonderdelikten nur ein bestimmter Personenkreis (Ärzte oder Amtsträger)
b) Tatobjekt
- sind in der Norm mit Worten wie Mensch, Sache, Urkunde, Gebäude bezeichnet
c) Tathandlung und Erfolg
- umschreibt das strafbare Verhalten und dessen Verwirklichung
- je nach Sachverhalt und Norm separat zu prüfen
d) Kausalität
- ursächliche Verknüpfung zwischen Handlung und Erfolg
- Def: : Kausal ist, jedes handeln das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne das der Erfolg
in seiner konkreten Gestalt ausbleibt
e) obj. Zurechnung
- Def: Der Erfolg is obj. Zurechenbar, wenn dieses Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr
des Erfolgseintritt geschaffen hat und diese Gefahr sich auch tatsächlich im konkreten
Geschehen realisiert hat (Beruht der Erfolgseintritt gerade auf dem durch die Handlung
geschaffenen, rechtlich missbilligtem Risiko)
- weitere Einzelheiten ergeben sich meist aus den Straftatbeständen und sind daher bei
diesen Erörtert (gleiches gilt für den subjektiven Tatbestand)
2. Subjektiver Tatbestand (innere Einstellung/ Haltung zur Tat)
a) Vorsatz
- ist bei den Vorsatzdelikten zu prüfen
- Def: Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung (Tatbestand)
b) sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale
- zB die Zueignungsabsicht beim Diebstahl