Entwicklungspsychologie Erwachsene FLB 1
Entwicklungspsychologie
Grundlagen, Methoden, kognitive Entwicklung 1
Kapitel 1 – Grundannahme und Konzepte der Entwicklungspsychologie der
Lebensspanne
Schlüsselbegriffe • Die Entstehung der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne
• Erfolgreiches Altern
• Biologische und kulturelle Evolution
• Theoretische Leitsätze der Entwicklungspsychologie der
Lebensspanne
• Theorien und Modelle zur Kontinuität und Wandel im
Erwachsenenalter
1.1 Die Herausbildung der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne
Ca. 1890 entwickelte sich die Entwicklungspsychologie als Zwei der Psychologie heraus.
Anfangs interessierte man sich wegen folgender 3 Gründe nur für die Entwicklung des
Kindes und Jugendalter
1. Entwicklungsbegriff: Damals was Entwicklung eine Höherentwicklung, die bei
Personen mehr oder weniger gleich abläuft, dies trat nur im Kindes- und Jugendalter auf
2. Altersunterschiede und Veränderungsdynamik: Während der Kindheit treten
Veränderungen in kurzen Zeiträumen auf, im Erwachsenenalter viel langsamer. Stabilität
war für die Entwicklungspsychologie uninteressant
3. Bedarf nach wissenschaftlichen Erkenntnissen: Die Suche nach Erkenntnissen war
wichtig z.B. für die Förderung der Entwicklung (Erziehungsmaßnahmen)
50 Jahre später fing man an sich mit dem Erwachsenenalter zu beschäftigen. Das Interesse
daran wurde durch 4 Faktoren begründet:
1. Zunahme der Lebenserwartung: Seit 1870 bis heute hat such die Lebenserwartung
verdoppelt (1870 wurden Menschen ca. 40 Jahre alt und 2005 wurden sie 80 Jahre alt).
Damit nahm der Anteil der Kinder in der Bevölkerung ab und der von älteren Menschen
zu
2. Zunehmende Instabilität im Erwachsenenalter: Scheidungsraten nehmen zu und eine
Ausbildung der Jugendlichen reicht nicht mehr bis zur Pensionierung aus um mit den
beruflichen Anforderungen Schritt zu halten. Daher ergeben sich Anlässe für
Entwicklungsprozesse und starkes Interesse an älteren Altersgruppen.
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,3. Interesse an der Gerontologie an frühen Anzeichen bzw. Prädiktoren des Alterns:
Es entstand die Erkenntnis, dass Altersprozesse mit der Entwicklung des bisherigen
Lebens zusammenhängen. Damit wuchs das Interesse an Entwicklungsprozessen über
die gesamte Lebensspanne
4. Das Altern von Längsschnittstudien: Zuerst wurden Kinder in Längsschnittstudien
untersucht, dann entschloss man sich die weiterzuführen. Die längste Längsschnittstudie
ist von Hochbegabten mit Daten, die über ca. 70 Jahre gesammelt wurden.
1.2 Begriffe
Entwicklung: Unter psychischer Entwicklung des Individuums versteht man heute die
geordnete (regelhafte), gerichtete und längerfristige Veränderung des Erlebens und
Verhaltens über die gesamte Lebensspanne.
Die Entwicklung im Erwachsenenalter umfasst ca. 60 Jahre. Es gibt (willkürliche) Versuche
zur Unterteilung, da es keine direkten Grenzen gibt (wie z.B. Pubertät oder Volljährigkeit).
Nur das Rentenalter ist eine sozial definierte Grenze.
Einteilung in frühes – (ab 18 Jahre) mittleres – (ca. ab 40/45 Jahre) und hohes
Erwachsenenalter – (ab Rente)
Es gibt Vorschläge zur differenzierten Unterteilung des frühen und späten
Erwachsenenalters (Zwischenstufe)
Unterteilung des jungen Erwachsenenalters
Emerging aduldhood
® Hier erfolgt ein schrittweiter Übergang vom Jugend- bis in das Erwachsenenalter. Der
Grund war der Befund für die Übernahme von Erwachsenen Rollen – Einstieg in den
Beruf, Eheschließung, Elternschaft – was zunehmend später erfolgt. Personen sind zwar
schon 18, aber sind noch nicht ausgezogen oder finanziell unabhängig – hier ist es
unmöglich eine klare Grenze zu ziehen.
Fühlen Sie sich Erwachsen (Studie)?
170 -> 13-19 jährige – weniger als 20% sagten ja
180 -> 20-29 jährige 45% ja und 50% ja und nein
135 -> 30-35 jährige 85% sagten ja
Unterteilung des höheren Erwachsenenalters
Es gibt die jungen-altern und die alten-alten oder auch das dritte und vierte Lebensalter. Der
Grund ist, dass die jungen-altern noch aktiv sind und die alten-alten pflegebedürftig
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,1.3 Theoretische Grundlagen und Leitsätze der Entwicklungspsychologie der
Lebensspanne
Bisher gibt es noch keine umfassende, integrative Theorie, welche die Entwicklungsprozesse
im Erwachsenenalter hinreichend beschreiben und erklären kann.
Aber es gibt zahlreiche theoretischen Annahmen. Diese Annahme können nach Grad ihrer
Abstraktheit auf 4 Ebenen angeordnet werden.
1. Die abstraktesten Annahmen befassen sich mit Einflussfaktoren auf die menschliche
Entwicklung und mit deren Veränderung im Lebensverlauf.
2. Formulierung theoretische Leitsätze der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne.
Hier gibt es allgemeine Aussagen über Merkmale der psychischen Entwicklung
3. Theoretische Vorstellungen über zentrale Themen der Entwicklung in bestimmten
Altersabschnitten
4. Bereichsspezifische Theorien, welche Entwicklungsprozesse in einem Funktionsbereich
beschreiben und erklären (z.B. zur kognitiven Entwicklung, zur Entwicklung sozialer
Motive, oder zur Veränderung des psychischen Befindens
1.3.1 Die Perspektive der biologischen und kulturellen Evolution
Die Gattung Mensch ist biologisch die Veränderung der Gene (also biologische Evolution)
und die Veränderung der gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen. Die zweite Gruppe
ist die kulturelle Evolution. Wie wirken diese zwei Gruppen auf dem Menschen?
Die biologische Evolution ist langsam, das menschliche Erbgut ist sehr stabil. Die kulturelle
Evolution vollzieht sich schneller (in Jahrzehnten oder Jahrhunderten). Paul Baltes meint,
dass die Diskrepanz zwischen dem Erwünschten und dem biologischen bzw. kulturell
Möglichen mit wachsendem Alter zunimmt.
3 Annahmen von Paul Baltes:
1- Vorteile der biologischen Selektion in der Evolution nehmen mit wachsendem
Alter ab: Survival oft he fittest. Gene, die ich erst im höheren Alter auswirken (wenn
man sich nicht mehr fortpflanzt), sind von dieser biologischen Selektion nicht direkt
betroffen. Gene für Alterskrankheiten wurden nicht assortiert.
2- Da im höheren Erwachsenenalter genetisch-biologische Faktoren immer
weniger zu einer hohen Funktionsfähigkeit beitragen, nimmt der Bedarf an
Kultur mit dem Alter zu: Kultur wird hierbei breit definiert als materielle, soziale,
symbolische (wissensbasierte) und psychische Ressourcen, welche die Menschheit
entwickelt hat. Hierzu zählen unter anderem Angebote zum Training von Fertigkeiten
oder medizinischen Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit.
3- Der Effekt der Kultur auf die Entwicklung nimmt jedoch mit dem Alter ab:
psychologische, soziale und materielle Interventionen sind im höheren Alter weniger
wirksam als im jungen oder mittleren Erwachsenenalter. Der Hauptgrund hierfür ist
die Abnahme der biologischen Plastizität. Es gibt keine Angebote für erfolgreiches
altern.
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, 1.3.2 Leitsätze der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne
Leitsätze der Grundposition von P. Baltes. Hier werden allgemeine Prozessmerkmale
beschriebe:
1. Die psychische Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess:
In jedem Altersbereich gibt es neue Anforderungen, die Entwicklungsprozesse auslösen
können. Inhalte und Richtung der Veränderungen können sich in Abhängigkeit vom Alter
unterscheiden.
2. Entwicklung als Gewinn und Verlust der Anpassungsfähigkeit (als Wachstum und
Abbau von Fähigkeiten):
Entwicklung schließt sowohl Gewinne als auch Verluste ein. Das Verhältnis von
Gewinnen und Verlusten verändert sich allerdings.
Gewinne werden seltener und Verluste werden häufiger.
Es gibt aber auch in der Kindheit Verluste und im Erwachsenenalter Gewinne (mehr
Freizeit, weniger Arbeit). Gewinne und Verluste liegen auch dann engbeieinander, wenn
aufgrund nachlassender oder verlorener Fähigkeiten neue
Kompensationsmechanismen aufgebaut werden, um die
Verluste zumindest teilweise auszugleichen.
Zeit, Kraft und Energie können investiert werden in das
Erzielen von gewinnen und Aufrechterhaltung und den
Umgang mit Verlusten.
Kinder investieren mehr Energie in die Höherentwicklung.
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