Vorlesung 4: Besteht eine Gesellschaft (nur) aus
Menschen?
- Die Frage, ob Gesellschaft ohne Menschen existieren könnte, erscheint auf den ersten
Blick naiv.
- Es wird betont, dass Gesellschaften zwar durch Menschen existieren, aber nicht von
bestimmten Mitgliedern abhängig sind.
- Eine Gruppe wird als überschaubare Form von Gesellschaft betrachtet.
- Die Frage wird vertieft, inwiefern eine Gesellschaft mehr ist als die bloße Summe ihrer
augenblicklichen Mitglieder.
Gruppen und Mitglieder:
1. **Mehrdeutigkeit des GruppenbegriIs:**
- Alltagssprache und Soziologie verwenden den BegriI "Gruppe" unterschiedlich.
- Kann eine zufällige Ansammlung, eine verbindlich zusammengeschlossene
Vereinigung oder eine anonyme Menge von Menschen bedeuten.
2. **Soziologische Definition von Gruppen:**
- In der Soziologie wird eine Gruppe als überschaubare Anzahl von Personen definiert.
- Gruppenmitglieder haben ein Bewusstsein ihrer Zusammengehörigkeit oder ein Wir-
Gefühl.
3. **Selbstverständnis der Gruppenmitglieder:**
- Entscheidend ist, dass Gruppenmitglieder sich selbst als Mitglieder verstehen.
- Es ist nicht erforderlich, dass alle Mitglieder sich untereinander kennen.
4. **Fortbestand der Gruppe trotz Mitgliederwechsel:**
- Gruppen können fortbestehen, auch wenn die Mitglieder wechseln.
- Beispiel: Fußballmannschaft bleibt für die Fans gleich, auch wenn Spieler sich
ändern.
5. **Veränderungen in größeren Gesellschaften:**
- In großen Gesellschaften, wie Nationalstaaten, gibt es ständige Veränderungen in der
Mitgliedschaft.
- Wechsel der Mitglieder bringt Wandel, aber die Gesellschaft bleibt bestehen.
6. **Positionen in Gruppen:**
- Gruppen können bestimmte Positionen vorsehen (z.B., Trainer, Torwart), die von
verschiedenen Personen ausgefüllt werden können.
- Diese Positionen bleiben bestehen, unabhängig von den wechselnden Personen.
7. **Einfluss des Mitgliederwechsels in Gruppen:**
- Gruppen mit klaren Strukturen sind weniger vom Mitgliederwechsel betroIen.
- In großen Gruppen haben Wechsel von einflussreichen Mitgliedern begrenzten
Einfluss auf die Struktur der Gesellschaft.
, 8. **Bestehen aus Menschen und Etwas Andauerndem:**
- Gruppen bestehen aus Menschen, aber als soziales Gefüge scheinen sie aus mehr zu
bestehen als wechselnden Mitgliedern.
- Was genau dieses Andauernde ist, bleibt zu klären.
Gesellschaft als objektive Tatsache**
1. **Frühe Soziologen und die Vorstellung von Gesellschaft:**
- Einige frühe Soziologen betrachteten Gesellschaft als greifbare Realität.
- Die Idee der Soziologie als Wissenschaft vom sozialen Zusammenleben hängt von
der Vorstellung ab, dass Gesellschaft eine eigenständige und feste Realität ist.
2. **Suche nach Gesellschaft als objektive Tatsache:**
- Historisch betrachtet war die Frage, was genau Gesellschaft ist, zentral für die
Entwicklung der Gesellschaftswissenschaften.
- Ein Ringen um die Vorstellung, dass Gesellschaft eine objektive Tatsache ist,
unabhängig vom individuellen psychischen Erleben.
3. **Alltagserfahrungen und objektive Gesellschaftliche Erwartungen:**
- Persönliche Handlungen können auf Widerstand stoßen, selbst wenn sie persönlich
begründet sind.
- Anonyme, allgemeine Erwartungen, die von jedem zu spüren sind, auch wenn sie
nicht geteilt werden, könnten eine objektive Tatsache der Gesellschaft repräsentieren.
4. **Émile Durkheims Konzept sozialer Tatsachen:**
- Émile Durkheim prägte den BegriI der sozialen Tatsachen als objektive Realitäten, die
einen "Zwang" auf das Handeln ausüben.
- Beispiele sind Sprache, soziale Werte, Religionen, Geld und die Sanktionen für
Regelverstöße.
5. **Geld als soziale Tatsache:**
- Geld in seiner modernen Form wird als soziale Tatsache betrachtet.
- Moderne Geldwährungen haben einen reinen Nominalwert, der durch kollektive
Anerkennung als Tauschmittel mit einem bestimmten Wert besteht.
6. **Soziale Tatsachen als äußere Sanktionen und innere Einflüsse:**
- Soziale Tatsachen wirken nicht nur als äußere Sanktionen, sondern beeinflussen
unser Verhalten oft schon im Vorfeld.
- Handlungen können als ausgeschlossen betrachtet oder konform gestaltet werden,
um äußeren Erwartungen zu entsprechen.
Sprache als soziale Tatsache**
1. **Durkheims Perspektive auf Sprache:**