Strafrecht BT – Straftaten gegen das Vermögen
Diebstahls- und Unterschlagungsdelikte
A. Diebstahl (§ 242)
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Fremde bewegliche Sache
Sachen = körperliche Gegenstände i.S.d. § 90 BGB (Legaldefinition)
Unabhängig von seinem Wert oder jeweiligen Aggregatzustand
Problem: Tiere = Sachen?
(1) Einheitlicher Sachbegriff
Die Regelung des § 90a BGB gelte zwar auch für das Strafrecht. Das hat
aber nicht zur Folge, dass Tiere von § 242 StGB nicht geschützt werden.
Gem. § 90a S. 3 BGB wird die für Sachen geltenden Vorschriften
entsprechend auf Tiere angewendet.
(2) Strafrechtlicher Sachbegriff
Sachbegriff unabhängig vom Zivilrecht. Auch Tiere fallen unter den
Sachbegriff, da diese den gleichen Schutz verlangten wie nicht lebende
Sachen.
Argumente: Dies ergibt sich unter anderem aus § 324a Abs. 1 Nr. 1, in
dem Tiere als Unterbegriff zu anderen Sachen gebraucht werden.
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Keine Sachen:
- Körper des lebenden Menschen
- fest eingefügte künstliche Teile (z.B. Herzschrittmacher) im lebenden Menschen.
Diese Teile haben nach ihrer Entnahme aus dem Körper wieder Sachqualität.
Mit Abtrennung vom Körper gewinnen Körperteile jedoch dann Sachqualität, wenn
sie nicht wieder mit einem Körper in Verbindung gebracht werden soll.
Problem: Sacheigenschaft beim menschlichen Leichnam
(1) Theorie vom Rückstand des Persönlichkeitsrecht
Der menschliche Leichnam ist keine Sache. Er wird durch besondere
Vorschriften (§§ 168, 189) geschützt.
Kritik: Diese dienen nur dem postmortalen Persönlichkeitsschutz.
(2) Sachtheorie (h.M.)
Der Leichnam ist ein körperliches Gebilde und angesichts der Neutralität
des Sachbegriffs von diesem erfasst. (Allerdings ist er im Regelfall
herrenlos, und wenn er nur der Bestattung zugeführt werden soll,
eigentumsunfähig.)
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Argument: § 4 Abs. 1 TPG erlaubt unter gewissen Voraussetzungen die
Verfügung nächster Angehöriger über die Organe des Verstorbenen. Der
Leichnam ist deshalb denkbares Verfügungsobjekt und damit Sache.
Soweit Leichen nicht zur Bestattung bestimmt sind (Mumien,
Anatomieleichen) ist deren Sachqualität anerkannt. An der Körperlichkeit
des Leichnams ändert sich aber durch den Bestattungszweck nichts.
Fremd
Definition: Fremd ist eine Sache, die nicht im Alleineigentum des Täters
steht und die auch nicht herrenlos ist.
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Problem: verkehrsfähige Gegenstände, deren Besitz verboten ist
Beispiele: Betäubungsmittel, bestimmte Tier- oder Pflanzenarten
(1) Eine Ansicht
Die Eigentumsfähigkeit dieser Gegenstände ist abzulehnen.
Kritik: Von einem besitzverbot kann nicht auf die Eigentumsfähigkeit
geschlossen werden. Die Vorschriften über den gesetzlichen
Eigentumserwerb knüpfen an Realakte an, die von einer Berechtigung zur
Vornahme dieses Verhaltens unabhängig sind. Geltung des deutschen
Zivilrechts an Orten, an denen regelmäßig Betäubungsmittel produziert
werden, ist fraglich. Nach der Zivilrechtsordnung eines Staates wird ein
anderer regelmäßig Eigentum erworben haben, so dass die
Betäubungsmittel fremd sind.
(2) h.M.
Die Eigentumsfähigkeit ist auch bei diesen Gegenstände zu bejahen.
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b) Wegnahme
Definition: Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründen neuen
nicht notwendigerweise eigenen Gewahrsams an der Sache.
(1) Fremder Gewahrsam
Definition: Gewahrsam bedeutet die mit Herrschaftswillen begründete,
in ihrem Umfang von der Verkehrsanschauung bestimmte
Verfügungsgewalt über eine Sache.
Tatsächliche Sachherrschaft
= (Faktische) Möglichkeit des jederzeitigen Zugriffs auf eine Sache.
Dieser ist in erster Linie rein faktisch zu betrachten. Gelingt dies nicht,
so ist als Korrektiv eine sozial-normative Zuordnung vorzunehmen.
Sachherrschaftswille
hier sind keine großen Anforderungen zu stellen. Es genügt auch ein
genereller Gewahrsamswille, insbesondere bei Gewahrsam in räumlich
abgegrenzten Herrschaftsbereichen
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Problem: Wann endet der Gewahrsamswille, wenn die Bewusstlosigkeit in den Tod
übergeht? (Tote haben keinen Gewahrsam)
(a) Eine Ansicht
Geht die Bewusstlosigkeit in den Tod über, so soll der Gewahrsam
bereits mit dem Eintritt der Bewusstlosigkeit enden.
Kritik: Der Strafrechtsschutz endet auch bei (moribunden)
Komapatienten erst mit dem Tod.
(b) h.M.
Der Gewahrsam endet erst mit dem Tod des Bewusstlosen.
Argument: Folge der 1. Meinung wäre ein Schwebezustand, an dessen
Ende mit dem Eintritt des Todes der Gewahrsam rückwirkend entfällt.
Dem steht jedoch entgegen, dass die Strafbarkeit des Täters im
Zeitpunkt der Tathandlung feststehen muss. Hier müsste jedoch über
die Frage, ob die Tat als Diebstahl oder Unterschlagung zu werten ist,
nach der späteren Entwicklung entschieden werden.
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Problem: Gewahrsam an vergessenen, versteckten oder verlorenen Sachen
Verlorenen Sachen: Bei verlorenen Gegenstände endet der ursprüngliche Gewahrsam, denn
der ehemalige Gewahrsamsinhaber weiß nicht, wo sich die Sache befindet.
Vergessenen Sachen: Von vergessenen Gegenständen spricht man, wenn der
Gewahrsamsträger weiß, wo sich die Sache befindet. Hier besteht der ursprüngliche
Gewahrsam (als gelockerter Gewahrsam) fort, wenn man die vergessene Sache ohne äußere
Hindernisse zurückerlangen kann.
Die Sache befindet sich in einer fremden Gewahrsamssphäre: Unabhängig davon, ob der
Gegenstand verloren oder vergessen wurde, entsteht neuer, fremder Gewahrsam im neuen
Herrschaftsbereich sog. Hilfsgewahrsam. Also kann die Sache vom unehrlichen Finder
gestohlen werden.
Fazit: Die Sache wird nur gewahrsamslos, wenn sie außerhalb einer Gewahrsamssphäre
verloren wird.
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Problem: Gewahrsamsverhältnisse
Ein Mitgewahrsam besteht, wenn mehrere Personen Träger der tatsächlichen
Verfügungsgewalt an der Sache sind. Für die Frage des Gewahrsamsbruchs durch einen der
Mitgewahrsamsinhaber ist dann das Rangverhältnis der Sachherrschaftsbeziehung
entscheidend.
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Gleichrangiger Mitgewahrsam
Beispiel: unter Ehegatten am Hausrat sowie unter Gesellschaftern
Für die Wegnahme durch einen der Mitgewahrsamsinhaber genügt der Bruch des fremden
Mitgewahrsams des oder der übrigen Mitgewahrsamsinhaber(s).
Über-/Unterordnungsverhältnisse
Allein der Inhaber untergeordneten Gewahrsams begeht einen Gewahrsamsbruch. Im
umgekehrten Fall, in dem der Täter übergeordneten Gewahrsams den Träger des
untergeordneten Gewahrsams nunmehr völlig von der Sachherrschaft ausschließt, liegt
dagegen keine Wegnahme vor.
Arbeitnehmer = Mitgewahrsam?
Arbeitnehmer ist lediglich sog. Gewahrsamsgehilfe. Der Arbeitgeber hat nach h.M.
regelmäßig Alleingewahrsam. Entscheidend sind insoweit jedoch stets die Umstände des
Einzelfalls.
In Ladengeschäften mit persönlicher Mitwirkung des Geschäftsinhabers hat dieser
Alleingewahrsam. Angestellte einer Fachabteilung eines Warenhauses mit
Eigenverantwortlichkeit haben untereinander Mitgewahrsam. Der Geschäftsinhaber hat
übergeordneten Mitgewahrsam.
Kassierer und Kassenverwalter haben Alleingewahrsam am Kasseninhalt, wenn sie allein die
Verantwortung für die Kasse tragen und Geldbeträge nicht ohne Mitwirkung der Kasse
entnommen werden dürfen.
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Problem: Verwendung eines verschlossenen Behältnisses
Bei den Gewahrsamsverhältnissen am Inhalt eines verschlossenen Behältnisses ist nach h.M.
zu unterscheiden:
- Sofern das Behältnis nicht oder nur schwer zu bewegen ist, hat allein der
Schlüsselinhaber Gewahrsam am Inhalt
- Ist das Behältnis jedoch frei beweglich, so weist die Verkehrsauffassung dem
Verwahrer des Behältnisses den Alleingewahrsam am Inhalt zu.
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(2) Gewahrsamsbruch
Definition: Der Gewahrsam wird gebrochen, wenn er ohne den Willen
seines Inhabers aufgehoben wird.
d.h. die Zustimmung des Gewahrsamsinhabers wirkt
tatbestandsausschließend.
Bei gleichgeordnetem Mitgewahrsam müssen alle
Mitgewahrsamsinhaber einwilligen
Bei mehrstufigem Mitgewahrsam reicht es aus, wenn der
Übergeordnete zustimmt
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