Anica Hahn, 218218033
Literatur für die mündliche Prüfung im Modul „Kinder- und Jugendliteratur“
a) Schwerpunkt: Astrid Lindgren
Primärliteratur:
Lindgren, Astrid (1999). Pippi in der Villa Kunterbunt. Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger
Lindgren, Astrid (1988). Wir Kinder aus Bullerbü. Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger
Lindgren, Astrid (1988). Michel in der Suppenschüssel. Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger
Lindgren, Astrid (1982). Ronja Räubertochter. Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger
Lindgren, Astrid (1980). Madita. Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger
Sekundärliteratur:
Kümmerling-Meibauer, Bettina (2008). Autobiografische Elemente im Werk Astrid Lindgrens.
In: Frauke Schade (Hrsg). Astrid Lindgren. Ein neuer Blick. Kinderkultur, Illustration,
Literaturgeschichte. Berlin, S. 64-76
Unterscheidung dreier Typen autobiografischen Erzählens
◦ Kindheitserinnerungen im allgemeinen/engeren Sinne, d.h. autobiografische Texte
für Kinder oder Erwachsene, z.B. Mein Schmåland (1987)
▪ Texte von Lindgren mit Kindheitserinnerungen, biografische Skizze über die
Liebesgeschichte ihrer Eltern als Vorbedingung ihrer Existenz
▪ kurze Geschichten, Essays, illustrierte Bücher mit Fotos
▪ Kriterien Autobiografie (Der autobiografische Pakt 1975 von Philippe Lejeune)
Prosaerzählungen
Überlieferung Bericht über eigenes Leben in einer rückblickenden Perspektive
Ich-Erzählungen oder homodiegetische Erzählungen
Identität zwischen Autor und Erzähler sowie Erzähler und Hauptfigur
▪ werfen ein Licht auf ihr Selbstbild als Autorin
▪ keine typische Autobiografie, denn ihre Erinnerungen sind auf die Kindheit begrenzt,
wenige zeigen die unglückliche Jugend als schmerzvollen Bruch zur unbeschwerten
Kindheit
▪ keine Vollständigkeit: zeigen nur Bruchteile, wie ihre Liebe zu Natur, Freude am
Spiel und an Büchern, harmonisches Familienleben in einer Dorfgemeinschaft
▪ auf den ersten Blick glaubwürdig, aber relevante Informationen fehlen
, z.B. Geschwister (kaum Erwähnung), Freundschaft mit gleichaltrigen Kindern
(über Personalpronomen wir, ohne Namen), Schulalltag (Ausnahme langweiliger
Unterricht an Sonntagsschule)
Eindruck einer ungewöhnlichen Kindheit
eigene Aussage: bei Kindheitserinnerungen denkt sie zuerst an die Natur,
danach an Menschen
▪ rührende Geschichte ihrer Eltern Samuel August von Sevedstrop und Hanna in Hult
→ Erwartung Chronologie in ihrer eigenen Geschichte
aber:
◦ keine Thematisierung der Entwicklung von früher Kindheit bis Adoleszenz
◦ keine Struktur der Geschichten durch Zeit- und Ortsangaben
▪ Eindruck von Zeitlosigkeit
▪ detailierte Beschreibung jahreszeitlicher Wandel → Dynamik, Eindruck
Zeit
▪ Kind als Selbstporträt Autorin erscheint alterlos, wird nicht erwähnt
▪ viele gemeinsame Züge mit dem romantischen Kindheitsbild: Konzept des fremden
und ewigen Kindes
fremdes Kind (1817 von E.T.A. Hoffmanns Kindermärchen: ungewöhnlich
aufgrund seiner mysteriösen Herkunft, Familiensituation, Einsamkeit
◦ zeigt sich auch bei Kindern in Lindgrens Werken → evtl. Anpassung an
romantisches Bild um Besonderheit eigene Kindheit hervorzuheben
(Alterslosigkeit, keine Erwähnung Eigenname, besondere Beziehung zur
Natur, Bedeutung von Spiel und Imagination im Vergleich zur schulischen
Bildung), vor allem Pippi und Karlsson vom Dach
◦ doppeldeutige Metapher „entschwundenes Land der Kindheit“
▪ romantische Idee der Kindheit als das frühere Goldene Zeitalter der
Menschheit, wird niemals zurückkehren
▪ fremdes Kind als Symbol für Phantasie und niemals endendes Spiel, nur
noch in Träumen, Erinnerung an verlorene Kindheit → Gefühl des
unwiederbringlichen Verlustes der eigenen Kindheit und schmerzlicher
Verlust historischer/kultureller Phase (Pferdezeitalter)
kehrte in verlorenes Paradies zurück als sie „Rasmus und der
Landstreicher“ schrieb
beschreibt Pferdezeitalter als gute Zeit um aufzuwachsen
◦ Landstreicher, Bauernmärkte, Pferde, Kutschen als
Transportmittel, religiöse Feiertage, enge Bindung Mensch und
Natur, viele Menschen arm und ungebildet
, ◦ Gleichsetzung der eigenen Kindheit mit diesem Zeitalter →
Eindruck des doppelten Verlustes
▪ einzige Möglichkeit Eindrücke und Gefühle ins Gedächtnis zu rufen → so
genau wie möglich zu erinnern
▪ Lindgren beschreibt, nie die Verbindung zur Kindheit verloren zu haben
und fast alles aus ihrer Kindheit behalten zu haben → widerspricht der
Metapher
▪ in Erzählungen keine Chronologie, kein Alter, Beschränkung auf
kindliche Sichtweise; heterodiegetische Kommentare
◦ „versteckte“ Autobiografien, z.B. Wir Kinder aus Bullerbü (1947), Madita (1960)
▪ basieren auf Kindheitserinnerungen, die aber nicht explizit kenntlich gemacht
werden und sie benutzt Verfremdungstechniken
geänderte Namensgebung der Hauptpersonen (Bullerbü), Wahl der Erzählform
(Madita): Erzählform der dritten Person erlaubt perspektivische
Mehrschichtigkeit, die verdeckte Motive, Gedanken anderer Personen sichtbar,
Spiegelung des eigenen Ichs an anderen
▪ nur Wissen über Biografie kann die Vermutung stützen, dass die Kinderromane
über Ereignisse aus dem Leben der Autorin berichten → Behauptung, dass diese
Romane auf eigene Kindheit zurückgehen
Mein Schmåland: alles in Bullerbü-Büchern (Bb) ist wahr
◦ Nördlich Vimmerby in Sevedstorp: 3 Häuser nebeneinander wie in Bb
◦ im Mittelhof: Vater als Kind
◦ Näs bei Vimmerby: Kindheit mit Geschwistern verbracht
◦ Wohnung bei Näs als Vorbild für Villa Kunterbunt
◦ Kletterbaum hinterm Elternhaus = Pate für Pippi Langstrumpfs
Limonadenbaum
◦ fiktionale Autobiografien, z.B. Der Räuber Assar Bubbla (1987)
▪ äußerst selten
▪ Räuber Assar Bubbla prototypisches Beispiel: hybride Geschichte, die zwischen
angeblicher Autobiografie und phantastischer Erzählung schwankt
fiktiver Diebstahl des Pippi Langstrumpf Manuskripts durch den Räuber
Ich-Erzähler; Geschichte in Stockholm; Bekanntgabe ihrer selbst als Autorin des
Manuskripts
Auftritt von Pippi + Pferd + Affe in Lindgrens Wohnung → Autorin spielt mit
Erwartungen der Leserschaft
reale Elemente: Beschreibung Wohnung Lindgrens + Entstehung Pippi Buch
fiktional: Diebstahl