2D LE 4: Sozialstruktur Deutschlands (Huinink & Schröder) (2019)
2. Begriffliche Grundlgen der Sozialstrukturanalyse
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Zentraler Gegenstand soziologischer Forschung = Sozialstruktur der Bevölkerung eines Landes
Begriff Sozialstruktur nimmt auf zwei Aspekte Bezug:
1. auf Muster sozialer Beziehungsgeflechte der Gesellschaftsmitglieder
2. auf Gliederung der Bevölkerung nach Merkmalen (Positionierung von Individuen in der Gesellschaft)
2.1 Gesellschaftliche Strukturen
• gesellschaftliche Strukturen beeinflussen das Leben der Menschen
• erst durch gesellschaftliche Strukturen werden Individuen handlungsfähig gemacht
Was sind den Beispiele für gesellschaftliche Strukturen?
• polit., rechtl. und wirtschaftl. Ordnung
• kulturelle Besonderheiten
• Zusammensetzung der Bewohner
(SB, LE 4, S. 13)
• Regeln des alltägl. sozialen Miteinanders
• uvm.
• gesellschaftliche Strukturen sind also Phänomene, die nicht einfach so verändert werden können,
weshalb den Individuen nichts anderes übrig bleibt als sich an diese zu orientieren
• solche sozialen Phänomene sind für Émile Durkheim „soziale Tatbestände“ / „faits social“
• Phänomene sind dem Einzelnen objektiv vorgegeben
Was sind Beispiele für soziale Tatbestände?
• Bräuche und Sitten (Traditionen)
• Sprache
• Regeln sozialen Zusammenlebens
(SB, LE 4, S. 13) also eigentlich jede Art von gesellschaftl.
Konventionen / Verhaltensnormen
• Regulation des sozialen Handelns der Menschen durch gesellschaftliche Strukturen
• hinter dem sozialen Handeln steht ein subjektiv gemeinter Sinn des/der Handelnden
• Max Weber führt eine berühmte Definition des „sozialen Handelns“ heran:
Individuelles Handeln versteht sich
jedoch nicht immer als soziales Handeln.
Nur wenn der Handelnde sich damit
(SB, LE 4, S. 14) sinnhaft oder intentional auf andere
Menschen bzw. deren Verhalten bezieht!
• unter sozialen Prozessen versteht man die Abfolge von Handlungen der Individuen
im alltäglichen Umgang miteinander z.B. in der Familie, im Beruf, in Vereinen usw.
• haben Auswirkungen auf soziale Tatbestände bzw. soziale Strukturen (Reproduktion und Veränderung)
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2. Begriffliche Grundlgen der Sozialstrukturanalyse
2.1 Gesellschaftliche Strukturen
(In Anlehnung an Hartmut Esser
(1993: 426); SB, LE 4, S. 15)
Indem Menschen in
gesellschaftlichen Strukturen
handeln und sich an ihnen
orientieren, reproduzieren oder
verändern sie die bestehenden
gesellschaftlichen Strukturen.
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Akteure = sozial handelnde Individuen
Wandel gesellschaftlicher Strukturen
• aufgrund der sozialen Prozesse sind gesellschaftliche Strukturen veränderlich und nicht starr
• Verhaltensvielfalt liegt vor, was ebenfalls zu Veränderungen von Verhaltensregeln führen kann (sozialer Wandel)
• meist langsamer Wandel der gesellschaftlichen Struktur
Drei Dimensionen gesellschaftlicher Strukturen (vgl. Esser 1993: 426 ff.)
Infrastruktur institutionelle Struktur Sozialstruktur einer Gesellschaft
• materielle und • Gesamtheit aller sozialen • enge Verknüpfung mit
technologische Basis der Institutionen der Infrastruktur und der
Gesellschaft
institutionellen Struktur
• „grundlegende, der Gesellschaft
• Bereitstellung von Mitteln übergreifende ‚Verfassung’
und Ressourcen einer Gesellschaft
• besteht aus sozialen
• z.B. technischer • z.B. Werte und Normen; Beziehungsstrukturen
Entwicklungsstand oder allgemein akzeptierte und sozialen
vorhandene Bildungs- Lebensziele der Verteilungsstruktur der
einrichtungen etc. Gesellschaftsmitglieder etc. Gesellschaft
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2. Begriffliche Grundlgen der Sozialstrukturanalyse
2.2 Die Sozialstruktur der Gesellschaft
(SB, LE 4, S. 19)
Begriff „Sozialstruktur“ wird nicht
immer einheitlich verwendet und es
wird unterschiedlich definiert…
Wir orientieren uns an die Definition
nach Geißler, bei der die
Sozialstruktur aus zwei Dimensionen
besteht.
mit Sozialstrukturanalyse werden die beiden Dimensionen und deren Wechselbeziehungen genauer untersucht
Soziale Beziehungsstruktur
In einer sozialen Beziehung sind Akteure sinnhaft aufeinander bezogen…
Max Weber definiert es wie folgt:
Was sind Beispiele für soziale Beziehungen?
• Geschäftsbeziehungen
• Freundschaften
• Kooperationen
• flüchtige Bekanntschaften
etc.
Soziale Beziehungsstruktur
= Gesamtheit aller sozialen Beziehungsgeflechte zw. den Gesellschaftsmitgliedern
Dabei weisen soziale Beziehungsgeflechte weitestgehend Stabilität auf und
sind relativ dauerhafte Strukturen sozialer Beziehungen (vgl. SB, LE 4, S. 21)
Soziale Positionen
Was sind Beispiele für soziale Positionen?
= „Ort“ individueller Akteure in sozialen Beziehungsgeflechten
zeigt das Verhältnis zwischen den individuellen Akteuren und • Mutter in der Familie
• Manager im Unternehmen
verweist zudem auf soziale Rollen je nach Position etc.
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Formal bestimmte Beziehungsgeflechte: Informell begründete Beziehungsgeflechte:
• soziale Beziehungen sind durch formal gesetzte • Soziale Beziehungen als Ergebnis persönlicher
Normen, Regeln und Vorschriften festgelegt Interaktion individueller Akteure
• individuelle Akteure sind nur Träger der • Personen können nicht so leicht austauschbar
festgelegten sozialen Rolle;
sind also austauschbar • z.B. in Familien und Freundschaftsnetzwerken
• z.B. in Wirtschaftsunternehmen
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2. Begriffliche Grundlgen der Sozialstrukturanalyse
2.2 Die Sozialstruktur der Gesellschaft
Soziale Verteilungsstruktur
Sozialstrukturelle Merkmale
• Eigenschaften der Gesellschaftsmitglieder, die vor allem für die Aufnahme
von sozialen Beziehung von hoher Bedeutung sind
• „Kriterien, die das aufeinander bezogene Verhalten von Menschen beeinflussen“ (Bolte 1990: 30)
• dies sind Merkmale wie Geschlecht, Staatsangehörigkeit oder Beruf uvm.
• Je nach Gesellschaft können Merkmale unterschiedlich sozialstrukturell relevant sein
Sozialstrukturelle Positionen
• individuelle Ausprägung eines sozialstrukturellen Merkmals
• Sozialstrukturelle Position kann sich im Laufe der Zeit ändern, ist also veränderbar,
aufgrunddessen, dass sozialstrukturelle Merkmale sich ebenfalls verändern können
bspw. das Alter nimmt zu oder Einkommen steigt oder sinkt usw.
amerikanischer Soziologe und Sozialstrukturforscher Peter M. Blau bezeichnet sozialstrukturelle Merkmale
„Parameter sozialer Strukturen“
Auch P.M. Blau ist der Ansicht, dass Menschen mit jeweiligen sozialstrukturellen Merkmalen unterschiedliche
sozialstrukturelle Positionen einnehmen. Solche Merkmale haben also Einfluss auf soziale Beziehungen (Blau 1978).
Unterscheidung zwischen zwei Typen sozialstruktureller Positionen:
Zugeschriebene sozialstrukturelle Position:
• je nachdem welche Merkmale vorliegen, wird einer Person die jeweilige Position zugeschrieben
• wird einem in die „Wiege gelegt“
• z.B. Geschlechtszugehörigkeit ist vorgegeben
Erworbene sozialstrukturelle Position: Soziales Aggregat:
Mitglieder der Gesellschaft mit
• Positionen werden von Akteuren aktiv selbst erworben derselben sozialstrukturellen
• z.B. das Ausbildungsniveau oder der Familienstand hängt von ihrem Handeln ab
Position aufgrund eines
sozialstrukturellen Merkmals.
Unterscheidung zwischen zwei typen sozialstruktureller Merkmale:
Klassifikationsmerkmale (nominal parameters): soziale Aggregate =
sozialstrukturelle Gruppen
• Unterscheidung von verschiedenen Kategorien und Untergruppen, aber keine Rangfolge (Blau 1994: 21 ff.)
• z.B. Religionszugehörigkeit, Geschlecht, Familienform usw.
• Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie von Akteuren
Ungleichheitsmerkmale (graduated parameters):
• Menschen können hier in eine Rangfolge gebracht werden
• z.B. Bildungsniveau, Einkommen usw.
• je nach Merkmal besitzen Personen einen jeweiligen Status (Statusposition)