Zusammenfassung Didaktik Biologie
1. Geschichte
1.1. Antike/Mittelalter
- Lesen naturkundlicher Schriften, keine eigene Naturbetrachtung
- Kein eigenes Entdecken oder Forschen
- Aristoteles (384-322vChr): „Naturgeschichte der Tiere“
- Plinius (23-79nChr): „Naturgeschichte“
- Auswirkungen: „Ob Öl gefriere, weiß man nicht. Aristoteles sagte nichts dazu.“
1.2. Exakte Naturwissenschaft (Realismus)
➔ Utilitaristischer Ansatz: Vermittlung „nützlichen Wissens“
- Baco v Verulam (1560-1626): Realismus gegen Verbalismus (bekämpft reines Wort- und Buchwissen)
- Wolfgang Ratke (1571-1635): Lebendiges Verständnis statt Auswendiglernen
- Johann Amos Comenius (1592-1670): Geistlicher und Volkerzieher
• Realismus gegen reinen Verbalismus (das ganze Leben ist eine Schule)
• „Nicht aus Büchern, sondern durch Betrachtung der Natur lernen wir die Natur kennen.“
• „Unterricht muss vor den Wörtern die Dinge selbst berücksichtigen.“
• Utilitaristische Betrachtungsweise:
◼ Das “Orbis sensualium pictus“ mit ausgewählten Holzschnitten war lange Zeit das verbreitetste und
bekannteste Schulbuch in DE
◼ Einsatz für die Belange der Naturkunde als empirisches Unterrichtsgebiet
◼ Erziehung soll stets die NATUR als die im Kosmos vorgegebene objektive Ordnung beachten
◼ Fordert statt alter Schulstrenge eine „heitere“ Unterrichtsatmosphäre
◼ Bedeutung der sinnlichen Anschauung
- Andreas Reyher (1601-1673): (Gymnasiallehrer, Herzogtum Sachen-Gotha) erste selbständige staatliche
Volksschulordnung und 1656 erstes naturkundliches Schulbuch
- August Hermann Francke (1663-1717): weiterer Vorkämpfer für anschauliche Naturkunde
- John Locke (1632-1704): „Nichts ist im Geiste, was nicht vorher in den Sinnen war.“ (Verstand eines Kindes
„tabula rasa“ → Alle Kenntnisse gründen auf Erfahrung bzw. sinnliche Wahrnehmung)
- Jean Jacques Rousseau (1712-1778): Verlangt genaue Betrachtung der Naturerscheinungen
- Christian Gotthilf Salzmann (1774-1811): Baut auf Locke auf und fordert Anschaulichkeit
1.3. Naturbeschreibung (exakte Verbalisierung, Systematisierung)
➔ Systematischer Ansatz
- Carl Linné (1707-1778):
• „Systema naturae“ (binäre Nomenklatur, Ordnung im System der Lebewesen)
• Begründer der Systematik und Taxonomie
• Ordnungssystem zur Gruppierung von Arten in eine Hierarchie zunehmend allgemeine Kategorien
• Linné stellt die drei Naturreiche Steine, Pflanzen und Tiere vor und beschrieb eine neue
Bestimmungsmethode für Pflanzen nach der Struktur
• Das System blieb aber in der Schule weitgehen ein Selbstzweck (Wortwissen ohne wesenhaftes Erfassen der
Naturdinge).
- Alexander von Humboldt (1769-1859): (Humboldtstrom) Entdecken der Vegetationszonen auf Bergen
- Charles Darwin (1809-1882): Reise um Südamerika, Evolutionstheorie
1.4. Zeit der „sinnigen“ Naturbeschreibung
➔ Ästhetisierender (romantisierender) Ansatz
- August Lüben (1804-1873): Kenntnis der Natur als eines der großen Gazen
,- Emil Adolf Roßmäßler (1806-1867): (Professor der Naturgeschichte, Tharandt)
• fordert statt einer simplen Naturbeschreibung eine vertiefte Naturbetrachtung, im Sinne eines vertieften
Naturerlebens
• „Der Naturkundeunterricht. Gedanken und Vorschläge zu einer Umgestaltung desselben“
• Inzwischen wurden aber in der Biologie bahnbrechende Befunde gemacht, die viele bisherigen Erkenntnisse
obsolet machten:
◼ Darwins Abstammungslehre (1859): Neue Auffassung der Natur, ständige Veränderung der Lebewesen,
Mensch als Teil der Evolution
◼ Wöhlers Harnstoffsynthese (1828): Organische Stoffe lassen sich aus anorganischen technisch herstellen
(ohne Vis Vitalis!)
1.5. Zeit der ökologische (biologischen) Betrachtungsweisen
➔ Ganzheitlicher Ansatz
- Friedrich Junge (1832-1903):
• 1885: „Der Dorfteich als Lebensgemeinschaft“
• Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit aufgrund der eigenen Anschauung
• Sein Bildungsziel lautete: „Es ist ein klares, gemütvolles Verständnis des einheitlichen Lebens in der Natur
anzustreben.“
• Er will dies innerhalb der Lebensgemeinschaft erreichen als ein örtliche bedingte Gesamtheit von Wesen,
die in gegenseitiger Abhängigkeit und Gesetzmäßigkeit untereinander und mit dem Ganzen leben.
• Verdienst: biologische-ökologische Sichtweise
• Erkennen der Zusammenhänge zwischen Bau, Lebensweise und Lebensraum der Tiere/Pflanzen durch
gründliches Beobachten
• Gefahr: zu viel Wissen beim Lehrer verlangt und Schüler überfordert
1.6. Zeit der funktionell-morphologischen Betrachtungsweise
➔ Biologischer Ansatz (Bau und Lebensweise eines Organismus in Zusammenhang zu Bau und Funktion eines
Organs)
- Otto Schmeil (1860-1943) (Volksschullehrer, 1904 Ernennung zum Professor)
• 1889: „Lehrbuch der Zoologie“
• 1896: „Über die Reformbestrebung auf dem Gebiet des naturwissenschaftlichen Unterrichts“
• 1901: „Lehrbuch der Botanik“
• Vertritt konsequent das biologische Prinzip, d.h. Hinwendung zu den kausalen Zusammenhängen im
biologischen Geschehen
• Zielt auf ein tieferes morphologisch-physiologisches Verständnis der Natur
• Biologische Betrachtungsweise (morphologisch/physiologisch)
◼ Gründliches Beobachten
◼ Kausale ursächliche Zusammenhänge zwischen Bau und Leben (z.B. Scharfe Zähne = Fleischfresser)
◼ Gesetzmäßigkeiten (in allgemeinen biologischen Sätzen) (z.B. Windblütler keine gefärbte Blüte, Nektar)
◼ Lebensgemeinschaft nicht im Vordergrund
➔ Funktionelles mit den Formen zugleich sehen
1.7. Die Arbeitsschulbewegung/Reformpädagogik
➔ (Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit als Grundforderung)
- Georg Kerschensteiner (1854-1932) (Volksschullehrer, dann Gymnasiallehrer, Stadtschulrat in München):
Vorteile des naturwissenschaftlichen Unterrichts gegenüber den Geisteswissenschaften, Vorkämpfer der
Arbeitsschule und Begründer der modernen Berufsschule
- Ludwig Auer (1839-1914): Bildungsreformer, Volksschullehrer, Schriftsteller, Verleger und Unternehmer
, 1.8. Didaktiker der jüngeren Vergangenheit
- Heinrich Gruppe (1878 – 1976): kein bulimisches Wissen mehr
- Martin Wagenschein (1896 – 1988):
• 1921 Promotion in Physik
• 1957 Honorarprof. f. Didaktik an der Uni Tübingen
• 1978 Ehrendoktor der TU Darmstadt
• Vater des „Exemplarischen“ im Unterricht als Folge des stark angewachsenen Wissens in der Biologie
• Befürworter des „genetischen“ Unterrichts (aufbauend auf ursprünglichen Phänomenen → bis zum
Gesetzmäßigkeiten)
• Neue „exemplarische“ Wege heißt: stellvertretend, beispielhaft für viele, vorbildhaft elementare
gleichartige Phänomene oder Gruppen-merkmale herausstellen
• Prinzip des repräsentativen oder exemplarischen Lernens
➔ Exemplarisch: „ausstrahlend, stellvertretend, repräsentativ“
• Redewendung „Mut zur Lücke“
- Wolfgang Kuhn (1928 - 2001): Repräsentant der modernen Didaktik, Grenzgänger Biologie/Theologie
1.9. Standortgemeinschaften/Grundwissen (1950er & 60er Jahre)
- Biologie wird eigenes Fach: Naturkunde
- Chemie/Physik wird das Doppelfach Naturlehre
- Stoffpläne mit Beispielcharakter (verbindliches Grundwissen)
- Dennoch: Lehrpläne waren damals kurzgehalten: sie bestanden nur aus einem Vorwort, einer Beschreibung der
allgemeinen Ziele des Fachs und einem nicht sehr detaillierten Katalog von Themenbereichen
- Beispiel: 5. Jahrgangsstufe Volksschule (1955)
• Eine Lebensgemeinschaft (Haus und Garten, Bauernhof)
• Kennenlernen der wichtigsten Arten, Einzelbetrachtung und möglichst laufende Beobachtung
charakteristischer Säugetiere, Vögel und Pflanzen
• Arbeit im Garten
• Vom heimatlichen Boden und seinen Schätzen
1.10. Wissenschaftsorientierung-Propädeutik (1970er & 80er Jahre)
- Griechisch vor, bilden
- Einführung in die Methodik der Wissenschaft
- Leistungskurse der gymnasialen Oberstufe wurden als Propädeutik für ein wissenschaftliches Studium
verstanden (Heranführen an bessere Studierfähigkeit)
- Voraussetzung: Didaktische Reduktion (hinführen auf die zu lernende Stufe); z.B. Allgemeine Biologie als
Orientierung
- Gilt auch für die Universität: Propädeutische Uni-Seminare bauen wichtiger Grundkenntnisse für weitere Kurse
auf
- Wissenschaftspropädeutik:
• Hinführung zu wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen
• Erlernen von Methoden des Erkenntnisgewinns
• Einarbeiten in Erkenntnis- und Wissenschaftstheorien
1.11. Lernzielorientierung Unterricht: Curriculare Lehrpläne (1980er Jahre)
- Schlagworte: LZ (Lernziel), LI (Lerninhalt), UV (Unterrichtsverfahren), LZK (Lernzielkontrolle)
- Lernzieltaxonomie (kognitiv, affektiv, psychomotorisch)
- Curriculum (lat.: Wettlauf, Umlauf)
- Ein Lehrplan gibt landesweit ein Lehrprogramm vor, aufbauend auf der Theorie des Lehrens und Lernens
(Didaktik).