Klinische Psychologie: Störungslehre
1.1 Grundlagen und Definition
Merkmale psychischer Störungen
Wodurch ist eine psychische Störung im Vergleich zu psychischer Gesundheit gekennzeichnet?
Vier Schlüsselmerkmale:
1. persönliches Leid:
bei einer Vielzahl psychischer Störungen
bspw. gedrückten Stimmung, Schlaf- und Konzentrationsproblemen &
vermindertem Antrieb
können dazu führen, dass Alltag kaum noch bewältigen
2. Beeinträchtigung in der Lebensführung:
Bpw. sozialen Phobie ➙ Schwierigkeiten bekommen
auch in persönlichen Beziehungen ➙ soziale Kontakte aufgrund depressiven
Episode vernachlässigen
3. Verletzen sozialer Normen:
Bereich weit gefasst & trifft nicht auf alle psychischen Störungen zu
bei zahlreichen Störungen zutrifft (z. B. Zwangsrituale bei Zwangspatienten & impulsives Verhalten
bei ADHS) ➙ berücksichtigt werden, dass Gesellschaften/Kulturen in sozialen Normen unterscheiden
4. dysfunktionales bzw. unangemessenes Verhalten:
Verhaltensweisen, die Situation nicht angemessen bzw. hinderlich sind
Bspw. Person, die sich vor negativen Beurteilung fürchtet und nicht zur mündlichen Prüfung erscheint,
kaum soziale Kontakte pflegt & zur Entspannung regelmäßig Alkohol konsumiert, würde somit
unangemessene Verhaltensweisen zeigen
Epidemiologie
geht Frage nach, wie (psychische) Krankheiten in der Bevölkerung verteilt &
Mobidität
welche Faktoren für Gesundheit und Krankheit von Häufigkeit, einer Erkrankung
berücksichtigt die Morbidität (Prävalenz/Inzidenz), Verletzungen,
Mortalität
Beeinträchtigungen und die Mortalität Anzahl der Sterbefälle
Wittchen und Jacobi (2011) führen Reihe von Aufgaben an, die die Epidemiologie im Bereich der Klinischen
Psychologie und Psychotherapie abdeckt:
1. Feststellung der Häufigkeit psychischer Störungen,
2. Verbesserung ihrer Definition (deskriptive Epidemiologie und Psychopathologie),
3. Bewertung des Versorgungssystems & Versorgungsbedarfs,
4. Untersuchung der Ursache (Ätiologie) und der Entwicklung (Genese) psychischer Störungen
, 5. Ableitung von Maßnahmen im Hinblick auf Prävention, Therapie,
Gesundheitsförderung & Rehabilitation.
Epidemiologische Studien ermöglichen Entdeckung möglicher Ursachen
und Risikofaktoren psychischer Störungen ➙ nicht zugrundeliegenden
Wirkmechanismen ➙ Hierfür sind experimentelle Forschungsdesigns notwendig:
Epidemiologische Grundbegriffe:
Prävalenz:
Häufigkeit einer Erkrankung
• Prävalenzrate: Prozentsatz aller Krankheitsfälle in einer definierten Bevölkerung
• Punktprävalenz: Prävalenzrate zu einem bestimmten Zeitpunkt
• 12-Monats- oder Lebenszeitprävalenz: Prävalenzrate für
entsprechenden Zeitraum
Inzidenz:
Häufigkeit der Neuerkrankungen an Störung innerhalb eines bestimmten Zeitraums
Risiko:
Wahrscheinlichkeit an bestimmten Erkrankung zu bestimmten Zeitpunkt zu erkranken#
1.2 Paradigma der Klinischen Psychologie
Das biologische Paradigma
Psychische Störungen entstehen
durch gestörte biologische Prozesse
Zwillingsstudien konnten zeigen, dass
einige Störungen besonders
hohe Erblichkeitsrate
Biologische Erklärungsansätze für
Einsatz von Behandlungsmethoden (z. B. Medikamente) relevant
Relevanter Ansatz dieses Paradigmas: Biochemie des Nervensystems:
Neuron besteht aus Zellkörper (+Nukleus), Dendriten, Axon und dessen Verzweigungen & Endknöpfen
Zwischen Neuronen werden über chemische Substanzen (Neurotransmitter) Informationen
ausgetauscht/weitergeleitet:
• Neurotransmitter verlassen Neuron über Endknöpfchen und gelangen in synaptischen Spalt
• Neurotransmitter docken über passende Rezeptorstelle an den Zellkörper des
postsynaptischen Neurons an und entfalten Wirkung
, • Übrige Neurotransmitter werden abgebaut oder vom präsynaptischen Endknopf
aufgenommen
Relevante Neurotransmitter für psychische Störung:
Noradrelanin, ⇒ Serotonin,
Dopamin, ⇒ γ-Aminobuttersäure (GABA)
Das psychodynamische Paradigma (Freud)
Ursache psychischer Störungen: Unbewusst Konflikte + Störungen in
der Entwicklung (vor allem Kindheit)
Menschliche Psyche besteht aus dem ES (Triebe und Impulse, seit Geburt),
ICH (Realitätsprinzip/ Vermittlung zwischen äußerer Realität und Impulsen,
seit 6. Lebensmonat) und Über-ICH (moralische Anforderungen und Normen,
seit dem 3. oder 4. Lebensjahr)
ICH reagiert bei Erleben unangenehmer Empfindungen mit unbewussten,
angstreduzierenden Strategien ➙ Abwehrmechanismen (z.B. Verdrängung)
Drei wichtige Annahmen aus Freuds Arbeiten:
1. Kindheitserfahrungen beeinflussen Persönlichkeitsentwicklungen und -bildung
2. Menschliches Verhalten wird von unbewussten Prozessen beeinflusst
3. Ursachen & Zweck menschlichen Handelns nicht immer offenkundig
Das humanistische Paradigma
Bewusstwerden problematischen Erlebens & Verhaltens zentrales Element in Änderung des Patienten
Wichtiger Vertreter: Carl Rogers
Drei Basisvariablen der Therapieform:
Empathie: einfühlendes Verstehen
therapeutische Grundlage zur Förderung der Selbstempathie des Patienten
Akzeptanz: unbedingte Wertschätzung
Patienten ohne Vorbehalt respektieren, schätzen und annehmen wie er ist
Kongruenz: Echtheit
authentisches Auftreten des Therapeuten
, Das lerntheoretische Paradigma
John B. Watson revolutionierte Psychologie mit Ideen des Behaviorismus
Fokus liegt auf beobachtbares Verhalten; menschliches Bewusstsein ist eine „Black Box“
Klassische Konditionierung:
Iwan Pawlow untersuchte ursprünglich das Verdauungssystem von Hunden
Pawlows Entdeckungen:
(1) Futter (UCS) löst automatisch die vermehrte Speichelproduktion (UCR) aus
(2) Glocke dient als neutraler Stimuli (NS)
(3) Glocke wird wiederholt gemeinsam mit dem Futter präsentiert
(4) Glocke (CS) ist nun in der Lage den Speichelfluss anzuregen (CR)
Löschung, wenn das Läuten der Glocke nicht mehr die Gabe des Futters zur Folge hat
Verknüpfung von Reizen und Reaktionen spielt bei Entstehung psychischer
Störungen eine wichtige Rolle
Prinzipien der Konfrontation & Habituation führen zu Abschwächung/ Löschung
Operante Konditionierung:
Lernart, auf Basis von Konsequenzen des eigenen Handelns entsteht
Positive Verstärkung: hinzufügen angenehmen Reiz (z.B. Eis)
Negative Verstärkung: weglassen negativen Reiz (z.B. Strom weg)
Positive Bestrafung: hinzufügen negativen Reiz (z.B. Schläge)
Negative Bestrafung: weglassen positiven Reiz (z.B. Handyverbot)
Bei Aufrechterhaltung psychischer Störungen relevant
Innerhalb einer Therapie bei Angststörung: Konfrontation, um Vermeidungsverhalten
abzubauen und Angst zuzulassen, um Gewöhnungseffekt zu erzielen
Stellvertretendes Lernen/Modelllernen:
Albert Bandura
Beispiel: Kinder, die Angst vor Hunden hatten, konnten diese beim Anblick von anderen
Kindern, die keine Angst beim Umgang mit Hunden hatten, abbauen