1. Kognitive Entwicklung
- = Kognition sind mentale Prozesse, die mit Denken beschrieben werden können. Im Laufe der
Kindheit bis ins Erwachsenenalter und darüber hinaus entwickeln sich Problemlöse- und
Handlungskompetenzen, Handlungsplanung und -steuerung, schlussfolgerndes und logisches
Denken, Verarbeitungsgeschwindigkeit und größere Verfügbarkeit von Kapazitäten (Lohaus,
2019)
1.1. Theorien der kognitiven Entwicklung
1.1.1. Soziokultureller Ansatz von Wygotski
- Transaktional (Umwelt und Individuum aktiv)
- Annahme:
• Kind als soziales Wesen
• Handlungs- und Denkschemata entwickeln sich in der Auseinandersetzung mit
der Umwelt und werden vom Kind selbst konstruiert
• Psychologische Werkzeuge für die Aneignung von Schemata: helfen Denken zu
organisieren und Verhalten zu lernen, Lernen innerhalb der Kultur und Basis für
Lernprozesse
• Sprache als psychologisches Werkzeug: Kommunikation mit Erwachsenen, die
das Verhalten und Denken steuern → Selbstgespräch zum selbstgesteuerten
Lernen und Verhalten wie Strategien → inneres Sprechen mit der mentalen
Repräsentation von Handlungs- und Denkschemata
- Mechanismen der Entwicklung
(1) Intersubjektivität (Gauvin, 2001)
• Fähigkeit in Kommunikationssituationen die Aufmerksamkeit auf einen
gemeinsamen Lerninhalt/ -gegenstand zu richten
• = wechselseitiges Verstehen in der Kommunikation
• Kinder richten bereits mit wenigen Monaten die Aufmerksamkeit bei der
Kommunikation auf den Gegenstand, den der Kommunikationspartner meint
(schauen in dieselbe Richtung)
• Je früher, desto besser der Spracherwerb (Tomasello, 1998)
• Soziales Referieren: Hilfe bei Aufgabe durch Anschauen des
Kommunikationspartners
(2) Zone der proximalen Entwicklung
• Beschreibt das Niveau, auf dem das Kind unter Hilfestellung das maximale
Leistung erbringen kann
• = Beschreibt die Spanne, die ein Kind spontan und maximal kann, das unter
Hilfestellung von Erwachsenen erfolgt
• Eltern machen dies intuitiv (Conner, 1997)
• Umsetzung der Unterstützung mit sozialer Stützung oder gelenkter Partizipation
(3) Soziale Stützung
• Beschreibt ein Rahmengerüst, welches durch einen kompetenteren
Erwachsenen vorgegeben wird und sukzessiv abgebaut wird. Das Kind wird
schrittweise an die neuen Aufgaben herangeführt und somit dem Kind ein
Denken auf höherem Niveau ermöglicht
• Viele explizite Anweisungen
• Mehr Lernerfolg, wenn an oberer Leistungsgrenze
(4) Gelenkte Partizipation:
• Ein kompetenter Erwachsener gestaltet die Aktivität und gibt dem Lernenden
eine immer aktivere und verantwortlichere Rolle.
• Erwachsener gibt Struktur vor und Kind erfüllt die Rolle zunehmend
, 1.1.2. Kritik
Positiv Negativ
o Kinder lernen in sozialen o Er stellte nur Hypothesen auf, da er
Situationen voneinander und davor starb
miteinander (Flammer/ Gasser, o Überschätzung der Rolle der
2007) sozialen Interaktion (Kinder können
o Anreiz für weitere Forschungen sich auch im Fernsehen Wissen
wie cognitive Apprenticeship aneignen oder durch eine
oder Scaffolding von Bruner selbstständige aktive
o Beachtet kulturelle Auseinandersetzung mit dem
Gegebenheiten und Gegenstand)
Entwicklungen, da sich Kinder o neben der verbalen Kommunikation
je nach Kultur unterschiedlich sind auch motorische,
entwickeln können -> Lutz wahrnehmungsbezogene und
(1988) verglich die aufmerksamkeitsbezogenen
Emotionskonzepte von Fertigkeiten verantwortlich für die
euroamerikanischer Kultur mit Entwicklung (Berk, 2005)
anderen Kultur und stellte fest, o kognitive Entwicklung von
dass Reaktionen von emotionalen und motivationalen
Emotionen kulturell Faktoren abhängig -> Perleth, 2000
unterschiedlich ausfallen zeigt in seiner Theorie, dass
o Kinder lernen Rechnen mit Leistung und kognitive Entwicklung
Rechenschieber und stellen nur unter der Bedingung von
sich später dieses Aktivität Wissen, nicht-kognitiven
mental vor (Siegler, 1984) Fähigkeiten und
o Beachtet Vorwissen: (beruht Begabungsfaktoren möglich ist
auch auf Vorwissen wie
Heimert/ Welke, 97 zeigen, ist
das Vorwissen für weitere
Denkleistungen mit
zunehmendem Alter
entscheidender)
1.1.3. Implikationen
- Soziale Stützung: Lernerfolg am größten, wenn Unterstützung an der oberen Leistungsgrenze
(durch Rahmengerüst werden die SuS nicht überfordert, sondern schrittweise kompetenter
und ein Denken auf höherem Niveau ermöglicht)
- Nahziele setzen und kleine Fortschritte würdigen:
• SuS sollen nicht m
it einem Schritt an das Ziel herangeführt werden, da es sie sonst überfordert
• Im Sinne der Zone der proximalen Entwicklung ist es sinnvoll den SuS eine
immer verantwortungsvollere Rolle zu geben oder ihnen ein Rahmengerüst zu
geben
• Aufgabe der LK: Ziel und Struktur vorgeben -> unter Anleitung immer mehr
fordern
• Beispiel: Analogien zu Wörtern bilden 1. Wörter lesen rechts und links 2. Erstes
Wort lesen und alle auf der rechten Seite und abgleichen (LK: „Passt das Wort zu
…?“ 3. Nächstes Wort selbstständig finden 4. Abgleichen 5. Arbeitsblatt alleine
machen
,- Aufgabe der LK ist es das Vorwissen der SuS zu ermitteln, um passende Aufgaben für die
SuS zu finden. Diese sollen sie nicht über- oder unterfordern, sondern auf geringfügigem
höheren Niveau für Wissensaneignung.
- Scaffolding nach Bruner:
• Vorübergehende Hilfestellung für SuS geben, indem vom konkreten zum
Abstrakten und von der Alltags- zur Fachsprache gegangen wird
• Beispiel Kompass: ausprobieren und Vorgang beschreiben → fachliche Begriffe
einführen → nochmal experimentieren und Vorgang in Fachsprache beschreiben
→ Fachtext
- Lehrlingsmethoden: Lehrkraft agiert als Vorbild, indem sie das Lösen der Aufgaben verbalisiert
und Gedanken sowie Vermutungen äußert. Anschließend führen die SuS die Aufgabe durch
und die Lehrkraft agiert als Trainer und unterstützt die SuS mit positivem und negativen
Rückmeldung zur Aufgabenbewältigung. Hilfestellungen können kritisches Nachfragen,
Vorschläge sein, die das Interesse vertiefen, Frustration abschwächen und Erfolgserlebnisse
ermöglichen.
- Erlernen von Kulturtechniken nach Wygotski von Bedeutung, um Handlungs- und
Denkschemata zu entwickeln (Rechnen, Schreiben, Lesen)
1.2. Piaget: strukturgenetischer Ansatz
- Bedient sich der aktionalen Theorie (Individuum aktiv und Umwelt passiv)
- Annahme
• Kind als Wissenschaftler
• Kinder als aktives Wesen, welches intrinsisch motiviert ist, sich Wissen
anzueignen
• Kind konstruiert Wissen selbst
• Entwicklung von Schemata durch den Prozess der Äquibrilation aus (sozialen)
Erfahrungen und der Entwicklung des Denkens in Stufen als Reifung (qualitative
und quantitative Veränderungen) ebenso wie soziale Erfahrungen
- Kontinuierlicher Prozess
• Adaption: Kind will die Welt entdecken und exploriert die Umwelt aktiv. Die Kinder
passen die vorhandenen Schemata an aktuelle Situationen an, das über
Assimilation und Akkommodation erfolgt
• Schemata= mentale Repräsentationen von Ereignissen in der Umwelt und
Gegenstand des Denkens
• Durch Erfahrungen in der Umwelt kommt es zur Adaption von Schemata, d.h. die
neuen Erfahrungen müssen in vorhandene Schemata eingeordnet werden. Wenn
dies nicht möglich ist erfolgt die Akkommodation, also die Neustrukturierung und
Veränderung vorhandener Schemata
• Pädagogik: Lernender interpretiert Neues zunächst vor dem Hintergrund bereits
Bekanntem. Um vorhandenes Wissen in Frage zu stellen sind Erfahrungen in der
Umwelt notwendig.
- Diskontinuierliche Prozesse
• Invariante Abfolge von qualitativ verändernden Denken: Kinder auf
unterschiedlichen Stufen und unterschiedlichem Alter denken verschieden
• Denken ist ein geordnetes Schemata: Denken vollzieht sich in Stufen und die
vorherige Stufe wird in die neue Stufe integriert mit gleichzeitiger Veränderung in
Strukturen und Denkfähigkeiten
Sensomotorische o Kind exploriert die Umwelt durch motorische
Phase Bewegungen und der Wahrnehmung, wodurch
das Kind Schemata über die Welt und Dinge
erlernen
, o Keine mentale Repräsentation, erst gegen
Ende 2. Lebensjahr, wo Säuglinge an Ort
suchen, an dem Spielzeug mal versteckt war ->
Prüfen ?
o Zeitliche Verzögerung der Nachahmung zeigt
allmählicher Übergang zur mentalen
Repräsentation
Präoperationale o Operationen: Ereignisse, die auf gedanklicher
Phase Ebene nach logischen Regeln ablaufen bzw.
Möglichkeiten, interne Repräsentation mental
zu manipulieren →Mentale Repräsentation
möglich, aber keine Ausführung der
Operationen
o Symbolische Repräsentation (Banane als
Telefon)
o Statisches Denken, wodurch es zu einigen
Einschränkungen kommt
… Egozentrismus (Drei-Berge Experiment:
Kinder bis 7 Jahren nehmen nur die eigenen
Perspektive wahr. Bei der Auswahl von Bildern,
wie die gegenübersitzende Puppe die Berge
sieht, wählen sie ihre eigene Perspektive aus)
… fehlendes Erhaltungs- und Invarianzkonzept
(Umschüttversuch: Kinder sind der Meinung,
dass die Flüssigkeit mehr geworden ist, da sie
sich nur auf ein Merkmal (Höhe) konzentrieren
und auch nicht mental zurückdenken können)
… Zentrierung: Fokussierung auf ein Merkmal,
weshalb die Kinder den Umschüttversuch nicht
schlüssig beantworten können
o Irreversibilität: betrachten Anfangs- und
Endzustand, Transformationsprozess wird nicht
beachtet (statisches Denken)
o Animismus: Gegenstände haben tierische bzw.
menschliche Eigenschaften (Papier tut es weh,
wenn zerschnitten)
o Klasseninklusion: Bedeutung von Über- und
Unterbegriffen noch unklar
o Kein numerisches Vorstellungsvermögen
Konkret-operational o Flexibleres Denken, weshalb frühere
(7-11 J) Denkfehler überwunden werden (mentale
Operationen können ausgeführt werden:
logisches und kausales Denken an
Wahrnehmungen und Anschauungsgrundlage
gebunden)
… vor- und rückwärtsdenken und Einbezug
mehrerer Dimensionen (Umschüttversuch kann
richtig beantwortet werden) -> Aspekte der
Kompensation und Reversibilität und Erhalt der
Masse
… wissenschaftliches Denken eingeschränkt
möglich: Einbezug mehrerer Dimensionen, aber