Lehrbrief 3
Kapitel 1 – Emotionale Entwicklung
Emotionen entstehen, wenn Ereignisse als relevant für die eigenen Bedürfnisse und Ziele
bewertet werden
o sind also eng mit Handlungen und Bewertungen verbunden.
Emotionale Zustände kann man identifizieren, indem man das subjektive Erleben (Gefühl),
ausgeübte Handlungen, physiologische Aktivierungsmuster (z.B. Herzrate), das
Ausdrucksverhalten (z.B. Mimik) und die Veränderungen in der Informationsverarbeitung (z.B.
Einengung der Wahrnehmung) erfasst.
o emotionale Zustände verändern sich laufend. Erfassung entspricht einer Momentaufnahme
Eine Emotionale Reaktion zielt darauf ab, eine Beziehung des Individuums zur Umgebung
herzustellen, zu erhalten oder zu verändern.
Emotionen gehen somit mit einer Handlungsaktivierung einher. Und haben für den Menschen
eine Kommunikationsfunktion. Sie dienen der Mitteilung von eigenen Bewertungen.
Emotionsausdruck kann aber auch unabhängig von der eigenen Emotion als Handlungsregulator
für andere dienen und beeinflusst deren Handeln (z.B. freudiges Kopfnicken als Ermutigung).
1.1 Entwicklung diskreter Emotionen
diskreter Emotionen sind klar unterscheidbarer Emotionsqualitäten
Differential Emotions Theory:
o Jeder Mensch verfügt über 10 angeborene, grundlegende und diskrete Basisemotionen
o Ekel, Interesse, Freude, Ärger, Trauer, Furcht, Überraschung, Scham/Schuld,
Distress/Schmerz, Verachtung
o In der emotionalen Entwicklung entstehen durch Reifungsprozesse und soziale Interaktionen
typische, emotionale Gesichtsausdrücke für jede Basisemotion, die den jeweiligen
Gefühlszustand widerspiegeln.
o Experimentelle Auslösung von Emotionen im Säuglings- und Kleinkindalter erfolgt z.B. durch
Zielblockade für die Ärgerauslösung (z.B. Plexiglasbarriere vor Spielzeug) oder ein
erschreckendes Spielzeug für die Auslösung von Angst.
o Studien zeigen, dass der Emotionsausdruck, den Kinder zeigen, nicht bei allen Situationen
den jeweils ausgelösten Emotionen entspricht.
o Es bleibt offen, ob sich das Erleben von Emotionen oder nur der Emotionsausdruck
unterscheidet.
Differenzierungsmodell
o Emotionen entstehen nach diesem Modell aus physiologischen Zuständen, die sich im 1
Lebenshalbjahr über Proto-Emotionen (Vorläuferemotionen, die noch nicht durch eine
Bedeutungszuschreibung ausgelöst werden und bei denen Ausdruck und Körperreaktion
noch nicht mit dem Emotionsanlass abgestimmt sind) zu „psychologischen“ Emotionen
im zweiten Halbjahr entwickeln.
o Bei Neugeborenen tritt zwar schon emotionstypisches Ausdrucksverhalten auf (z.B.
Lächeln im Schlaf), jedoch besteht anfangs noch keine dauerhafte Verbindung zwischen
auslösenden Situationen und spezifischen mimischen oder Verhaltensreaktion.
o Es liegen bei der Geburt zunächst nur die drei Basisemotionssysteme Ärger, Angst und
Freude vor, aus denen sich später weitere Emotionen herausdifferenzieren.
o Z.B. entwickeln sich Scham und Schuld aus der Basisemotion Angst nach 18-36 M
Voraussetzung: Fähigkeit des Selbsterkennens und Internalisierung von sozialen
Verhaltensnormen
, o Prozesse der Emotionsentwicklung sind nicht auf die Herausdifferenzierung neuer
Emotionen beschränkt.
o Die Emotion Ekel ist bereits im Neugeborenenalter unterscheidbar und entwickelt sich
nur hinsichtlich der Veränderung der Auslöser.
o Vergleichbare Veränderungen der Auslöser gibt es auch für die Emotion Angst.
Kinder: Bedrohung wie wilde Tiere, Jugendliche: soziale Bewertungssituationen
o Entwicklungen bei diskreten Emotionen ergeben sich aus einer Veränderung der Anlässe
und deren Bewertung.
Internalisierungsmodell:
o Integriert die Entstehung von Emotionen mit Veränderungsprozessen in der Art der
Emotionsregulation.
o Auch dieses Modell geht von Vorläuferemotionen im Säuglingsalter aus.
o Entwicklung von diskreten Emotionen und den damit verbundenen Ausdruckszeichen
entwickelt sich durch die Reaktion enger Bezugspersonen z.B. durch Interpretation und
Spiegelung erst ab dem 2. Lebensjahr zu vollständigen Emotionen.
o Zwischen Grundschulalter und Jugendalter beginnt eine zunehmende Internalisierung
der Emotion, Ausdifferenzierung zwischen erlebtem Gefühl und dessen Ausdruck
1.2 Wissen über Emotionen: Entwicklung der Emotionserkennung und des Emotionsverständnisses
non-deklaratives Wissen, welches sich in
Form von automatischen Bewertungen und
Handlungsmustern ausdrückt, ist meist vor
dem deklarativen Wissen feststellbar.
Emotionswissen kann in 9 Teilbereiche
unterscheiden werden, die im Mittel zu
unterschiedlichen Alterszeitpunkten erreicht
werden.
1.2.1 Das Erkennen und Benennen des Emotionsausdrucks
Eine Reihe von Basisemotionen (Angst, Ärger, Trauer, Freude, Überraschung, Ekel, Verachtung)
werden kulturübergreifend in ähnlicher Form im Gesicht ausgedrückt und erkannt.
o Annahme das die Fähigkeit der Emotionserkennung evolutionär entstanden und als
Basisprozess bereits angeboren ist.
o Frage ob Fähigkeit zur Emotionserkennung, bereits früh in der Entwicklung feststellbar ist?
o Dazu muss man zwei Fähigkeiten Unterscheiden: Die Unterscheidung von
Gesichtsausdrücken und die Erkennung der zum Ausdruck gebrachten Gefühle.
o Kinder können schon früh verschiedene Emotionsausdrücke unterscheiden (4M)
o Positive Emotionen werden von Kindern früher richtig erkannt als negative
o Verbesserung des Erkennens negativer Emotionen im Alter von 7-10
o Die Schnelligkeit des Emotionserkennens steigt im Kindes- und Jugendalter an
, Nutzung des Emotionsvokabulars
Die Erfassung von deklarativem Wissen über das Emotionserkennen setzt voraus, dass Kinder
über ein Vokabular von Emotionsbegriffen verfügen, um eigene innere Zustände und Gefühle
sowie die anderer Personen zu beschreiben.
Im 2. und 3. Lebensjahr erfolgt ein starker Zuwachs der Nutzung von Emotionsbegriffen
o Emotionales Vokabular wird nicht nur umfangreicher und komplexer, sondern beinhaltet
zunehmend Wissen über emotionale Prozesse, z.B. werden Ursachen und Handlungen mit
einbezogen
1.2.2 Wissen über äußere Ursachen von Emotionen
Ab 3 Jahren beginnen Kinder, äußere Auslöser und Ursachen von Emotionen weitgehend in
Übereinstimmung mit der Sicht von Erwachsenen zu benennen.
In diesem Alter ist Wissen bereits skriptartig im Gedächtnis organisiert, so dass Emotionen für die
Kinder nicht nur den aktuellen Zustand oder Ausdruck repräsentieren.
o Das Emotionswissen umfasst typische Ursachen, Ausdrucksformen und mögliche
Konsequenzen. Kinder wissen in diesem Alter z.B., dass ein Geschenk Freude auslöst,
dass der Verlust eines Spielzeugs zu Trauer führt.
Bei der Ursachenzuschreibung von Stolz und Scham zeigt sich ein besonders deutlicher
Entwicklungsschritt.
o Bis ca. 5 J ist das Wissen von Kindern über die Ursachen dieser Emotionen allein vom
Handlungsergebnis abhängig, wie z.B. dem Erreichen eines Ziels.
o Erst ab einem Alter von etwa 7 Jahren sind Kinder dann in der Lage, die Absicht oder
tatsächliche Verursachung mit einzubeziehen.
Es gibt jedoch auch deutliche interindividuelle Unterschied im Alter
1.2.3 Wissen über Wünsche als Ursachen von Emotionen
Ab 3 Jahren beziehen Kinder in ihre expliziten Begründungen dafür, wie sie eine Person
beurteilen oder deren Reaktion vorhersagen, zunehmend nicht nur äußere Merkmale mit ein,
sondern auch innere Prozesse.
Emotionale Reaktionen können deshalb über die Wünsche und Vorlieben von Personen erklärt
werden.
Einbeziehung der Wünsche als Erklärung erst ab dem Alter von 5 J von der Mehrheit der Kinder
angewandt.
Kinder zwischen 3-5 J bauen somit auch Wissen darüber auf, dass Menschen verschiedene
Emotionen in der äußerlich gleichen Situation erleben können.
1.2.4 Wissen über Annahmen als Ursachen von Emotionen
Ab dem Alter von etwa 4 J werden Überzeugungen von der tatsächlichen Realität unterschieden
„theory of mind“ zeigte, dass die meisten 4 J wissen, dass jemand fälschlicherweise etwas über
die Wirklichkeit annimmt und dies sein Handeln beeinflusst.
Für den Bereich der Emotionen ist dies bei den meisten Kindern erst ab 6 J der Fall. Auch hier
muss das Wissen über Wünsche und Annahmen anderer Personen mit dem Wissen um die
tatsächliche Situation verglichen werden.
o Z.B. wissen sie, dass eine Puppe sich auf das Lieblingsgetränk freuen wird, dass sie in
einer Flasche vermutet, und können auch vorhersagen, wie sich die Emotion verändert,
wenn sie bemerkt, dass es sich um ein anderes Getränk handelt.