JURISTISCHE METHODENLEHRE UND ARGUMENTATION
SoSe 2024
A. Was ist Recht
= Normen + Möglichkeit die Normenbefolgung mit Zwangsmitteln durchzusetzen
-> Rechtsordnung zum Interessenausgleich durch zwangsbewehrte Normen
- Funktionen von Rechtsnormen: gerechte Lösung für Rechtsprobleme, Auflösung Interessenskonflikte
B. Lehre von den richtigen und der gerechten Entscheidung
I. Juristische Methodenlehre
- Begriff: Lehre von der richtigen, gerechten Entscheidung (Entscheidungstheorie)
= Entscheidungssystem für Fälle, wenn soziale Ordnungen nicht ausreichen, nicht ausreichend
funktionieren
= Regeln zur Lösung von sozialen Konflikten
a. Entscheidung des täglichen Lebens aus dem Privatbereich
- nicht einklagbar
- Selbstsorgen für Einhaltung, da keine rechtliche Vorschrift außer Berechtigung gegeben, dass
Eigenständigkeit/Privatautonom bei Regeln geben
b. Entscheidungen für soziale Konflikte
- soziale Ordnung gewährleistet
- allgemeingültige Regeln
- gesamtgesellschaftlicher Konsens
- Einhaltung, Durchsetzung mittels staatlicher Mittel (Rechtsstaatprinzip Art. 2 I GG)
II. Richtige jur. Entscheidungen
wenn widerspruchsfrei zu RNormen
III. Gerechte Entscheidungen
- wenn angemessener Interessensausgleich für alle Beteiligten
- DE: richtig jur. begründete Entscheidung meist als gerecht gesehen
- Ausnahme: wenn Unrecht im Rechtssystem va. in anderen Ländern (zB. Willkür, Folter)
IV. Was ist gerecht?
- Teil der Rechtsphilosophie in Einzelfällen
- Strafe kann unterschiedlich ausfallen (Strafmaß unterschiedlich auszulegen nach Normen)
- Schuldunfähigkeit zu berücksichtigen (ab 2 Promille, seelische Störungen)
- Verfahrensgang:
1. Einstellung des Verfahrens, Argumentation (Initiative des Gesetzgebers -> Gewaltenteilung)
2. Gegenargumentation
V. Rechtsquellen
- Bundesrecht: GG, Gesetze im materiellen Sinn auf Bundesebene (Erlass durch Staat zb. BGB, StGB),
Gesetze im formellen Sinn (Legislative)
- Landesrecht: Landesverfassungsrecht, Gesetze im materiellen Sinn auf Landesebene
(selbstverwaltende Körperschaften), Gesetze im formellen Sinn (Legislative)
- wichtig, wenn Recht kollidiert
- Staat selbst (Verwaltungsakte, öffentl. Verträge)
- BürgerInnen untereinander (Verträge)
- Gewohnheitsrecht (anerkanntes, aber nicht niedergeschriebenes Recht von denen ausgegangen wird,
dass es geltendes Recht ist; zB. Schweigen auf Bestätigungsschreiben gilt als Zustimmung)
- nicht im StrafR, da Bestimmtheitsgebot (Strafbarkeit muss bestimmbar sein -
niedergeschrieben)
- langfristige, stetige Praxis; allgemeine Überzeugung der Rechtsbindung
- subjektives Element (gerecht, zweckmäßig)
objektives Element (normal ausgeführte Norm muss als ungerecht gesehen sein)
- nicht angewendet, wenn kein klarer gesetzlicher Text das Gewohnheitsrecht ausschließt
C. Was ist die Juristische Methodenlehre
I. Begrifflichkeit
- Lehre von Art, Weise der Normenaufstellung durch JuristInnen
, - Lehre von Art, Weise der Normumsetzung durch RichterInnen
- Lehre von Art, Weise des Normverständnisses durch RechtsanwenderInnen
D. Kleine Normenlehre
I. Das Normenquadrat
- was findet sich in der RO, wie steht es im Verhältnis zueinander
- konträrer Gegensatz: Gebot („Tu das“) - Verbot („Lass das“) -> technisch austauschbar, aber inhaltlich gleich bei Austausch;
können bzgl. gleicher Handlung nicht gleichzeitig gelten (zB. „Kommen Sie“ – „Kommen Sie nicht“)
- kontradiktorischer Gegensatz: Verbot – Erlaubnis -> Erlaubnis=genaues Gegenteil des Verbots; nicht gleichzeitig gelten
- kontradiktorischer Gegensatz: Gebot – Freistellung
- Gebot – Erlaubnis: Gebot schließt Erlaubnis ein
- Verbot – Freistellung: Verbot schließt Freistellung aus
II. Die grammatikalische Gestaltung einer Norm
- sprachliche Umsetzung, Transfer in Normen durch Gesetzgeber
- in Normen in Form von Verbot (BGB), Anordnung (StGB): grammatikalische Aussagesätze beinhalten
inhaltliche Befehlssätze
a. Normenstruktur
- Regelfall: Tatbestand <-> Rechtsfolgenseite -> an Voraussetzung geknüpft (Wenn-Dann)
- Verhaltensbefehl (zB. „Freiheit der Person ist unverletzlich“ Art.2 II S.2 GG) -> Eingriffe nur
aufgrund eines Gesetzes -> absolute/relative Geltung
b. Haupt- und Hilfsnormen
- Hauptnormen = Normen enthalten Norm-, Verhaltensbefehl (in Form von Verbot, Gebot, …) ->
„so; das gilt, wenn; wenn“
- Hilfsnormen = Normen enthalten keinen Normbefehl; dienen Ausführung Hauptnormen;
definitorische (allg. verständl. machen), inhaltliche Ergänzung (zB. Haftungsumfang
Schadensersatz)
III. Normenhierarchie
= Stufenverhältnis/Normenpyramide:
Europarecht -> GG -> Landesverf. -> Gesetze -> Verordnungen -> Satzungen
IV. Scheinbare Normenkollisionen
- nicht gesetzlich geregelt
- der Reihenfolge nach (1 bis 3) prüfen !
1. Vorrang höherer vor niedriger (zB. GG > LV)
2. Speziellere = Qualifikation (wenn Tatbestand alle Voraussetzungen der anderen Norm enthält +
mind. 1 weitere) > allgemeinere = Grundtatbestand
-> Qualifikation = Grundtatbestand + Qualifikationsmerkmal
-> greift nicht, wenn keine der beiden eine speziellere Regelung enthält
3. Jüngere > ältere (Aufhebung nicht zwingend)
- Verhältnis untereinander:
- von versch. Normsetzgebern: höhere > niedere Norm
- demselben Normsetzgeber: speziellere > jüngerer / Einzelfallentscheidung
V. Gesetzeslücken
- Möglk. 1: Warten auf Tatigwerden des Gesetzgebers
- Möglk. 2: Rechtsfortbildung der Gerichte
E. Auslegung von Gesetzen
I. Allgemeines
Auslegung= Deutung/ Interpretation zur Erfassung des geäußerten Gedankens
II. Gesetzesauslegung
Gesetze, Normen, Verträge, WE, AGBs
III. Auslegungsgesichtspunkte im Überblick (für Regelungszweck d. Begriffs) (nicht im StrafR!)
-> in Reihenfolge prüfen
I. Voraussetzungen (zB. für Bestrafung)