©2024 A. Weiher
STAATSEXAMEN GESCHICHTSDIDAKTIK
SKRIPT
THEMEN
• Quellen
• Außerschulische Lernorte
• Unterrichtsprinzipien
• Geschichtsbewusstsein
• Geschichtskultur
• Kompetenzen
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GESCHICHTSDIDAKTIK
QUELLEN
1. DEFINITIONEN
QUELLEN •
Kenntnis über die Vergangenheit: Quellen sind ,,alle Texte, Gegenstände
oder Tatsachen, aus denen Kenntnis über die Vergangenheit gewonnen
werden kann.‘‘ [KIRN]
➔ Rekonstruktion der Vergangenheit: Durch die Arbeit der Quellen ist die
Rekonstruktion der Vergangenheit möglich.
DARSTELLUNGEN • Ergebnis wissenschaftlichen Arbeitens – Präsentation
Forschungsergebnisse: Darstellungen sind ,,das Ergebnis wissenschaftlichen
Arbeitens und die Präsentation der Ergebnisse der Forschung.‘‘
➔ Deutung der Vergangenheit: Eine Darstellung ist nichts anderes, als die
Deutung der Vergangenheit mit Hilfe von Quellenarbeit. Daher gibt es auch
unterschiedliche Darstellungen zu verschiedenen Themenbereiche [z.B.
Forscher A sieht Ereignis X so, Forscher B sieht Ereignis X anders]
2. EINTEILUNGSMÖGLICHKEITEN
ÄUSSERE FORM INHALT
• Textquellen: z.B. Briefe, Urkunden • Deskriptiv: Quellen, die in eigenen Worten
• Bildquellen : z.B. Fotografien, Gemälde, über ein Ereignis berichten [z.B. Historien
Karikaturen des Herodots]
• Sachquellen: z.B. Münzen, Tonscherben • Normativ: Quellen, die nach formalen,
• Akustische Quellen : z.B. Tonaufnahmen normativen Kriterien verfasst sind und über
• Audiovisuelle Quellen : z.B. Filme, ein Ereignis berichten [z.B. Urkunde,
Dokumentationen Protokolle]
• Mündliche Quellen: z.B. Zeitzeugen
ZEITLICHE ÜBERLIEFERUNG INTENTIONALITÄT
• Primärquelle: Quellen, die in der für uns • Überrest: Quellen, welche ohne jede
untersuchten Zeit zum Ereignis entstanden Absicht auf Erinnerung hinterlassen worden
sind [z.B. Tagebuch der Sophie Scholl über sind [z.B. Briefe]
ihren Alltag in der NS-Diktatur] • Tradition: Quellen, die mit Absicht auf
• Sekundärquelle: Quellen, die mit einer Erinnerung hinterlassen worden sind [z.B.
entsprechenden zeitlichen Differenz zum Historien, Memoiren, Annalen]
Ereignis entstanden sind [z.B. Bericht des
Polybios über die Punischen Kriege]
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3. BEDEUTUNG VON QUELLENARBEIT IM UNTERRICHT
• Direkte Historizitätserfahrung: Im Allgemeinen ermöglicht Quellenarbeit eine
direkte Historizitätserfahrungen. 1
• Kompetenzen: Im Allgemeinen fördert Quellenarbeit den Aufbau von
Kompetenzen. 2
• Forschend-entdeckendes Lernen: Im Allgemeinen fördert Quellenarbeit das
forschend-entdeckende Lernen. 3
• Selbsttätigkeit: Im Allgemeinen fördert Quellenarbeit die Selbsttätigkeit der SuS. 4
• Geschichtsbewusstsein: Im Allgemeinen fördert Quellenarbeit das
Geschichtsbewusstsein. 5
• Arbeit wie ein Historiker: SuS arbeiten wie ein richtiger Historiker, indem sie
Quellen lesen, auswerten und interpretieren.
4. WOFÜR SIND QUELLEN QUELLEN ? [SAUER]
• Ereignisgeschichte: Dokumentation von Umständen eines bestimmten Ereignisses
[z.B. Schlachten, Krönung] [z.B. Proklamation des Kaiserreichs im Spiegelsaal von
Versailles 1871]
• Sachkultur: Dokumentation von Lebens- und Arbeitsverhältnisse [z.B. Leben in der
Industrialisierung] [z.B. Tagebuch der Sophie Scholl über das Leben im NS-Staat]
• Mentalitätsgeschichte: Dokumentation von gesellschaftlichen Wertvorstellungen
und soziale Beziehungen [z.B. Ablassbriefe, die eine Vorstellung von der
Frömmigkeit der Menschen im Mittelalter geben]
• Propaganda: Dokumentation von Wirkungsabsichten [z.B. Wahlplakate,
Herrscherportraits] [z.B. Wahlplakat der NSDAP mit der Aufschrift ,,Wählt Hitler‘‘]
1 Quellen sind durch ihre Echtheit und Authentizität geprägt. Durch die Quellenarbeit wird eine direkte Auseinandersetzung
mit der Vergangenheit möglich.
2 Beispielsweise die Methodenkompetenz – da man eine Quelle dekonstruiert – Sachkompetenz – da man durch
Quellenarbeit zu einem Sachurteil kommt – und Orientierungskompetenz – da man durch Quellenarbeit zu einem Werturteil
kommt.
3 Beispielsweise stellen die SuS eine Frage zu einem historischen Sachverhalt und suchen nach Antworten, die sie mit Hilfe
von Quellenarbeit lösen möchten.
4 Beispielsweise lesen die SuS einen Tagebucheintrag eines KZ-Häftlings und werten diesen Text auf Inhalt und Intention aus.
5 Die SuS setzen sich mit einer Quelle auseinander und werten diese auf Inhalt und Intention aus. Sie kommen somit zu
einem Sachurteil. Gleichzeitig ziehen sie Rückschlüsse auf die Gegenwart, welche Bedeutung die Person/ das Ereignis für die
Gegenwart hat. Sie kommen zu einem Werturteil.
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5. QUELLEN: Textquelle, Bildquelle, Sachquelle
TEXTQUELLEN
Definition Definition [BRÜNING]
• Texte aus vergangener Realität: ,,Schriftliche Quellen sind in der Gegenwart
vorhandene Texte einer vergangenen Realität.‘‘
• Wissen über Vergangenheit – multiperspektivisch historische Erzählung: ,,Aus
den Texten können Wissen über die Vergangenheit erschlossen und mit deren
Hilfe multiperspektivisch historisch erzählt werden.‘‘
➔ Verlaufsprozess: Bei Textquellen handelt es sich um einen Verlaufsprozess eines
historischen Ereignisses
Gattungen
• Urkunden:
o Eigenart: Formgebundenheit von Schriftstücken
o Intention: Frage nach der Form
o Abfassungszeit: zeitgleich
• Akten:
o Eigenart: Verlaufsprozess, an dessen Ende eine Entscheidung steht
o Intention: Frage nach dem Verlauf
o Abfassungszeit: zeitgleich/ zeitnah
• Briefe:
o Eigenart: Einblick in die Subjektivität anderer Menschen
o Intention: Frage nach der Individualität
o Abfassungszeit: zeitgleich
• Zeitungen:
o Eigenart: politisch-weltanschauliche Vorstellungen
o Intention: Denkweise anderer Gruppen
o Abfassungszeit: zeitgleich
• Reden:
o Eigenart: rhetorische Wirksamkeit
o Intention: Frage nach der Wirksamkeit
o Abfassungszeit: zeitgleich
• Autobiographie:
o Eigenart: Konstruktion von Lebensgeschichten
o Intention: Frage nach der Indentitätspräsentation
o Abfassungszeit: zeitfern
• Annalen, Chroniken, Historien:
o Eigenart: Sinndeutung historischer Ereignisse
o Intention: Frage nach der Zeitdeutung
o Abfassungszeit: zeitfern
Wofür sind Textquellen Quellen?
• Ereignisgeschichte: Textquellen dokumentieren Umstände eines bestimmten
Ereignisses
o Beispiel: Bericht des Herodots über die Perserkriege
• Sachkultur: Textquellen dokumentieren Lebens- und Arbeitsverhältnisse
o Beispiel: Tagebuch der Sophie Scholl über das Leben im NS-Staat]
• Mentalitätsgeschichte: Textquellen dokumentieren gesellschaftliche
Wertvorstellungen und soziale Beziehungen
o Beispiel: Ablassbriefe des Mittealters über die Frömmigkeit der
Menschen]
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• Propaganda: Textquellen dokumentieren Wirkungsabsichten
o Beispiel: Hitlers ,,Mein Kampf‘‘
Interpretation Historisch-kritische Methode
• Historische Frage: Festlegung der Leseabsicht & Fragestellung [u.a. Was wollen
wir wissen?]6
• Heuristik: Suche nach geeigneten Quellen, Festlegung der Quellengattung,
Bereitstellen von Verstehenshilfen
• Quellenkritik: kritische Hinterfragung der Überlieferungsweise der Quelle [u.a.
zeitliche Distanz: Ereigniszeit vs. Abfassungszeit]
Quelleninterpretation: Erschließung der Quelle hinsichtlich der zugrunde
liegende Fragestellung
• Darstellung: Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse
Textinterpretation [SAUER]
• Erschließen:
o Wie ist der Text strukturiert?
o Was ist die Textaussage?
• Analysieren:
o Wer ist der Verfasser und was ist seine Perspektive?
o Wann ist der Text entstanden?
o Was ist die Gattung?
o Wer sind die Adressaten?
o Was ist die Intention?
o Wie ist die Darstellungsweise?
• Deuten:
o Wie kann der Text im historischen Kontext beurteilt werden? Was ist davor/
danach passiert?
o Wie kann der Text aus gegenwärtiger Perspektive bewertet werden?
Genaue Textanalyse [SAUER]
• Verfasser:
o Wer war der Verfasser? [u.a. Amt, Schicht, Stellung]
• Entstehung der Quelle:
o Wann, wo in welchem Kontext?
• Quellengattung:
o Welche Art von Quelle?
• Thema & Aussage:
o Worüber spricht der Verfasser und was teilt er darüber mit?
• Adressaten & Intention:
o Wer wird angesprochen?
o Was soll beim Leser erreicht werden?
• Darstellungsweisen:
o Welche sprachliche Mittel werden verwendet?
o Wie ist der Aufbau & Gliederung des Textes?
o Welche Wortwahl, Satzgestaltung, Argumente etc.?
Beispiele Beispiele
• Urkunde: ,,Goldene Bulle‘‘ [1356] als ,,Grundgesetze‘‘ des H.R.R.
• Brief: Brief von Sophie Scholl an ihren Freund Fritz Harnagel
6 Z.B. Wie ergriffen die Nationalsozialisten 1933 die Macht in DE?
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