Prüfungsrelevante Fragen
für das Modul Elemente der Tierzucht, WS 2021. In Anlehnung an das Lehrbuch
Tierzucht von Willam und
Simianer, UTB-Verlag, 2. Auflage sowie den VL-Einheiten zur praktischen Tierzucht
in Deutschland.
Fragen zu Kapitel 1.1
Was verstehen Sie unter Evolution?
Evolution ist jener Prozess, aus dem alle Lebewesen und ihre vielfältigen Ausprägungsformen
während der Phylogenese (Entstehung) aus einfachen Organismen durch Abänderung
hervorgegangen sind. Einfach strukturierte Lebewesen haben sich zu komplexen Lebensformen
weiterentwickelt. Diese Veränderungen schließen morphologische und physiologische Strukturen
sowie angeborenes und erlerntes Verhalten ein. Die Höherentwicklung und Spezialisierung geht dabei
bildhalft dargestellt im Sinne eines verzweigten Stammbaums von wenigen Stammformen aus.
Nennen Sie die wichtigsten Kennzeichen der Evolution.
Die Evolution spielt sich in erdgeschichtlichen Zeitdimensionen ab. Die Entstehung der
Säugetiere geht z.B. auf das Jura-Zeitalter vor etwa 150 Millionen Jahren zurück. Die
Differenzierung in die verschiedenen Gattungen geschah überwiegend im Tertiär-Zeitalter vor 50
bis 10 Millionen Jahren
Die Differenzierung einer Population in verschiedene Arten im biologischen Sinn vollzieht sich
über lange Zeiträume (hunderte von Generationen), in denen Zwischen- und Übergangsformen
existieren.
Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass die Evolution nicht kontinuierlich, sondern in
„Schüben“ verlief. Es entstanden also in bestimmten, relativ kurzen Perioden viele, und in
anderen. Längeren Perioden relativ wenige neue Arten. Diese Schübe sind wahrscheinlich von
externen Einflussfaktoren, wie z.B. globale Klimaänderungen, ausgelöst worden.
Da sich der Mensch erst vor ca. 150.000 Jahren entwickelte und sich vor etwa 100.000 Jahren
von Ostafrika in andere Regionen der Welt ausbreitete, erfolgte die Evolution der heutigen
Nutztierarten die weitaus längste Zeit ohne Einfluss des Menschen.
Was verstehen Sie unter Domestikation? Erläutern Sie das wichtigste Charakteristikum der
Domestikation.
Domestikation bezeichnet den Prozess, aus Wildtieren Haustiere hervorzubringen. Bei der
Domestikation handelt es sich um einen durch den Menschen aktiv gesteuerten, zielgerichteten
Prozess. Haustiere (Nutz- und Heimtiere) sind also Tiere, die an den Umgang mit Menschen
angepasst sind und der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen. (Erzeugung tier. Produkte,
Dienstleistungen, emotionaler Natur).
Das wesentliche Charakteristikum der Domestikation ist der Ersatz der natürlichen Selektion
(„survival oft he fittest“) durch die künstliche Selektion, bei der der Mensch entscheidet, welche Tiere
sich wie oft fortpflanzen können und wie viele Nachkommen sie haben.
Domestikation beruht auf züchterischen Maßnahmen und ist durch die kontrollierte Haltung und
Fortpflanzung der Tiere möglich.
Nennen Sie Beispiele für die durch Domestikation verursachten morphologischen,
physiologischen und verhaltensbedingten Veränderungen bei Tieren.
Schnelleres Wachstum und Veränderung der Körperproportionen: Haustiere zeigen eine
Verlagerung der Muskulatur von der Vor- auf die Hinterhand, häufig einen verkürzten
Gesichtsschädel und eine Verminderung des Geschlechtsdimorphismus, d.h. Unterschiede in
Größe und Gewicht zwischen den Geschlechtern.
Steigerung der Fruchtbarkeit: Hausiere sind früher geschlechtsreif und wegen der geringeren
Abhängigkeit von saisonalen Klimaschwankungen sind bei vielen Arten ganzjährige Brunst und
mehr Nachkommen möglich.
1
, Steigerung der Nutzleistungen: durch eine höhere Futteraufnahme und effizientere
Futterverwertung, z.T. auch durch einen längeren Darm, erbringen Haustiere deutlich höhere
Leistungen.
Variabilität der Haut- und Haarfarbe sowie Haarqualität: Wildtiere Tarnung, bei Haustieren
auffällige Färbungen und Muster. Diese Vielfalt von Färbungen und Musterungen war neben der
variierenden Größe der Tiere ein wichtiger Grund für die Entstehung der Rassen. Je nach
Nutzungsrichtung wurde das Haarkleid ausgedünnt (Schwein) oder verstärkt und strukturell
verändert (Schaf). Hornlosigkeit bei Hornträgern ist ebenfalls eine typische Folge der
Domestikation.
Reduktion des Hirngewichts: Bei Haustieren um 10 bis 30 % geringer als bei Wildarten.
Besonders betroffen sind Hirnregionen, die die Bewegungskoordination und die
Sinneswahrnehmung steuern. Haustiere müssen sich durch die Obhut und Fürsorge des
Menschen weniger mit komplexen Herausforderungen der natürlichen Umwelt auseinandersetzen.
So haben Tiere, die sich in der freien Natur nicht ernähren könnten, als Haustiere keinen
Fitnessnachteil, So ist die Reduktion für diesen Funktionsbereich zuständigen Hirnregion im
Verlauf der Domestikation erklärbar.
Änderung des Verhaltens: enger Zusammenhang zur Reduktion des Hirngewichts. Wegfall der
Nahrungssuche und Verteidigung gegen natürliche Feinde. Haustiere leben im „entspannten“
Feld. Sie zeigen deshalb natürliche Verhaltensweisen in übersteigerter (Nahrungsaufnahme,
Fortpflanzung) oder abgeschwächter Form (Aggressivität, Fluchtverhalten) oder überhaupt nicht
mehr. Haustiere zeigen gegenüber Wildtieren im verhalten eine große Vielfalt. Der Ablauf dieser
Verhaltensweisen hat sich gegenüber Wildtieren grundsätzlich aber nicht geändert. Es wurden
also keine Verhaltensweisen „angezüchtet“ oder „weggezüchtet“. Domestikationsbedingte
Verhaltensänderungen sind keine „Degenerationen“, sondern Anpassungen an die vom
Menschen geschaffenen Haltungsbedingungen.
Höhere genetische Plastizität: Haustiere zeigen im Vergleich zu den Wildtierarten eine höhere
genetische Rekombinationshäufigkeit; Ähnliches ist auch für die Mutationshäufigkeit zu vermuten.
Die Selektion extremer Typen hat zu einer Erhöhung der sichtbaren und genetischen Variabilität in
Haustierarten geführt.
Was verstehen Sie aus genetischer Sicht unter Rasse und Population?
Der Begriff Rasse ist im genetischen Sinn nicht eindeutig definierbar (Differenzierung subjektiv und
kulturell bedingt).
Im Allgemeinen versteht man unter einer Rasse eine Gruppe von domestizierten Tieren der gleichen
Art, die sich in morphologischen, physiologischen und ethologischen Merkmalen (Aussehen/Exterieur,
Leistung, Verhalten) ähnlich sind und eine gemeinsame Zuchtgeschichte haben.
Genetisch gesehen ist eine Population eine Gruppe von Tieren der gleichen Art, die eine
Paarungsgemeinschaft bildet und einen gemeinsamen Genpool darstellt. Wird in der Tierzucht mit
einer Rasse/ Teil einer Rasse, der sogenannten Zuchtpopulation gleichgesetzt.
Erklären Sie aus historischer Sicht in groben Zügen die wichtigsten Maßnahmen
(„Meilensteine“) für die Entwicklung der heutigen praktischen Tierzucht.
Basis für heutige praktische Tierzucht in zweiter Hälfet 18. Jh. In England: züchterische Maßnahmen
Leistungsprüfung und gerichtete Paarung.
Einführung von Zuchtbüchern (Herd- und Stammbücher) mit systematischer Erfassung der Tiere
einer Zuchtpopulation, um deren Abstammung zu dokumentieren und dieses Wissen für die
Anpaarung zu verwenden. (erstes Zuchtbuch Pferd 1793 / Rind 1822)
Ab zweite Hälfte 19. Jh.: Gründung Züchtervereinigungen, mit Hauptaufgabe Führung der
Zuchtbücher und Definition von Rassestandards.
Ab 1900 etablierte sich die Leistungsprüfung, eine zentrale züchterische Maßnahme jedes heutigen
Zuchtprogramms.
Ab zweite Hälfte des 20. Jh.: große Zuchtfortschritte durch gezielte Anwendung wissenschaftlicher
Erkenntnisse. Vererbungsregeln Mendel, „Genetics“, Regression (Rückschlag zum Mittel)
Differenzierung zwischen Genotyp und Phänotyp (genetische Anlagen und körperliche Merkmale).
2
, Unterscheidung zwischen qualitativen und quantitativen Merkmalen (von einem/vielen Genorten
und Umwelt beeinflusst) führt zur Etablierung der Wissenschaftsdisziplinen Quantitative Genetik und
Populationsgenetik.
Gewichtung verschiedener Merkmalsinformationen für die Selektionsentscheidung im Selektions-
Index gilt als Basis der modernen Tierzucht.
Entwicklung der mathematisch-statistischen Theorie der gemischten linearen Modelle und der BLUP-
Zuchtwertschätzung.
Die praktische Anwendung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse verknüpft mit
reproduktionsbiologischen Methoden wie künstlicher Besamung und Embryotransfer (Rind) ,
systematischer Kreuzungszucht (Schwein, Geflügel) sowie die Einbeziehung molekularbiologischer
Methoden (Gendiagnostik, Genomanalyse, marker- und genomisch- unterstützte Selektion) waren und
sind Basis der eindrucksvollen Leistungen.
Fragen zu Kapitel 2.1
Was verstehen Sie unter Remontierung und uni- bzw. multiparen Tieren?
Remontierung bzw. Bestandesergänzung ist der Ersatz von ausgeschiedenen „alten“ Zuchttieren
(Elterntieren) durch einen bestimmten Anteil der jungen Tiere und entspricht im biologischen Sinn der
Funktion der Arterhaltung.
Unipare Tiere haben normalerweise nur ein Nachkommen je Geburt (Rind, Pferd).
Bei Multiparen Tieren wird ein aus mehreren Jungtieren bestehender Wurf geboren (Schwein, Schaf,
Ziege).
Erläutern Sie die Unterschiede zwischen Geschlechts- und Zuchtreife und deren Bedeutung
für die Tierzucht.
Die Geschlechtsreife (Pubertät) ist jenes Entwicklungsstadium, in der die Fortpflanzungsfähigkeit
erreicht wird: Ausbildung befruchtungsfähiger Spermien; erster Eisprung/Brunst. Hormonell gesteuert,
tierartspezifisch und rassespezifisch.
Die Zuchtreife ist dann erreicht, wenn ein Tier für den züchterischen Einsatz (die erste Belegung)
körperlich entwickelt ist. Ausreichende Menge Ejakulat mit vielen befruchtungsfähigen Spermien
(Geschlechtsreife: mengenmäßig geringer und weniger konzentriert); Skelettentwicklung so weit
fortgeschritten, dass genügend Platz für fötales Wachstum der Nachkommen, Risiko Schwergeburt
reduziert.
Zuchtreife nach Geschlechtsreife und bestimmt in Verbindung mit dieser das tierart- und
rassespezifisch angestrebte Alter bei der Geburt der ersten Nachkommen (EKA, Erstferkelalter, etc.)
In welche drei Gruppen können die Merkmale der Zuchtleistung (Reproduktion), die in der
Praxis züchterisch bearbeitet werden, allgemein zusammengefasst werden? Nennen Sie für
jede Gruppe Beispiele.
1. Beginn, Rhythmus und Dauer der reproduktiven Phase:
Beginn mit Erreichen Zuchtreife und Erstbelegalter; Geburt, Erst/-ferkel/-lamm/-fohl/-kalbealter;
Rastzeit (zw. Geburt und Belegung); Verzögerungszeit (falls Belegung nicht erfolgreich); Güstzeit
(Rast- + Verzögerungszeit = zw. Geburt und erfolgreicher Belegung); Zwischen -wurf/-lamm/-fohl/-
kalbezeit (von Geburt zu Geburt).
Rhythmus der reproduktiven Phase ist abhängig von Güstzeit und Trächtigkeitsdauer. (nur bei
ganzjährig polyöstrischen Tierarten von Bedeutung, wie Schwein, Rind). Güstzeit von
Besamungserfolg und damit vom Menschen beeinflusst Auskunft über Güte des
Reproduktionsmanagements in einer Herde.
Dauer der reproduktiven Phase mit Nutzungsdauer beschrieben (Anzahl Kalbungen/Würfe).
2. Geburtsverlauf und Anzahl geborener, aufgezogener, abgesetzter Nachkommen
Geburtsverlauf soll problemlos sein, beeinflusst von maternaler Komponente (anatomische
Voraussetzungen wie Beckenbreite) und paternaler Komponente (Größe der geborenen
Jungtiere) beeinflusst; Kalbeverlauf/Geburtsverlauf besonders bei uniparen Tieren züchterisch
wichtig. Totgeburtenrate erfasst Zahl tot geborener/ nach bestimmter Zeit nach Geburt verendete
Tiere.
Anzahl Nachkommen je Geburt ist die Wurfgröße, v.A. beim Schwein, Aber auch bei
Mehrlingshäufigkeit bei Schaf/Ziege. Anzahl lebend geborener Ferkel/Lämmer pro Wurf. Anzahl
3