Skript Grundschulpädagogik
Inhalte:
1. Heterogenität
2. Differenzierung und Individualisierung
3. Inklusion
4. Jahrgangsmischung
5. Ganztagsschulen
6. Übergänge inkl. Schuleingangsdiagnostik
7. Leistungsbewertung
8. Unterrichtsqualität
9. Unterrichtsformen
10. Bildung
11. Erziehung und erziehender Unterricht
, 1. Heterogenität
Relevanz:
• in der Grundschule: Zusammenkommen von Kindern mit verschiedensten
Persönlichkeiten, Voraussetzungen, Interessen etc.
• Finden sich trotzdem gemeinsam in einer Klasse und sollen gleiche Grundausbildung
erhalten
• OECD 2004:
„Die Gesellschaft erwartet heutzutage Schulen, die in der Lage sind, effektiv mit
unterschiedlichem sprachlichen sowie familiären und sozialem Hintergrund der Schülerinnen
und Schüler umzugehen, sich sensibel mit kulturellen und geschlechtsspezifischen Fragen
auseinanderzusetzen, für Toleranz und gesellschaftlichen Zusammenhalt einzutreten,
effektiv auf die Anliegen von benachteiligten Schülerinnen und Schülern sowie von
Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten oder Verhaltensproblemen einzugehen.“
• LehrplanPlus in Bildungs- und Erziehungsauftrag
„ Die Grundschule als erste und gemeinsame Schule ist Lernort und Lebensraum für eine
Schülerschaft von großer Heterogenität in Bezug auf ihre familiäre, soziale, regionale und
ethnische Herkunft sowie ihre individuellen Lern- und Leistungsdispositionen. Entsprechend
unterschiedlich sind Vorerfahrungen, religiöse und ethische Orientierungen,
Lernbedingungen und Leistungsvermögen sowie die geschlechterspezifische Sozialisation.“
- Strukturverändernde Maßnahmen, die zu einer Zunahme heterogener Lerngruppen geführt
haben
• Keine Zurückstellungen mehr, Einschulung für alle
• Erweiterungen der Möglichkeit für frühzeitige Einschulungen
• Halbjährliche Einschulungstermine
• Flexible Schuleingangsphase für die Jahrgangsstufen 1-3
• Jahrgangsgemischter bzw. jahrgangsübergreifender Unterricht
• Inklusion -> Behindertenrechtskonvention von 2010: Zusprechung von Kindern mit
Behinderungen der gemeinsamen Beschulung mit nicht-behinderten Kindern
,Definitionen:
Trautmann und Wischer (2011):
„Heterogenität ist ein in historischer, theoretischer und empirischer Hinsicht relatives
Konstrukt, dass in engem Zusammenhang zu weiteren Begriffen wie Homogenität, Einheit
und Differenz/ Unterschiedlichkeit, Vielfalt, Ungleichheit und Normalität steht.“
Brügelmann (2001):
Zuschreibung von Unterschieden auf Grund von Kriterien, deren Bedeutung von sozialen
Normen und persönlichen Interessen abhängt.
Bedeutungsübersicht des Duden:
Verschiedenartigkeit, Ungleichartigkeit, Uneinheitlichkeit im Aufbau, in der
Zusammensetzung
Inhalte:
Kluczniok, Große, Roßbach (2014): Heterogenität in verschiedenen Dimensionen
• Heterogenität in den Schulleistungen
• Hochbegabte Kinder
• Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf
• Heterogenität im Alter
• Heterogenität in familialen Merkmalen
• Finanzieller Hintergrund der Familien
• Sozioökonomischer Status
• Bildungshintergrund der Familien
• Heterogenität und Migrationshintergrund
• Je nach kultureller Herkunft dürften die familialen Einstellungen zu Formen des
schulischen Lernens unterschiedlich sein
• Unterschiede in Hinblick auf Dauer der Kontakte mit der deutschen Kultur, Religion, Kultur
etc.
Speck-Hamdan (2009, S. 259ff.); 8 Facetten von Heterogenität: Geiss, Reis, A
1) Geschlecht
2) Alter
3) Individuelle Lerndisposition
4) Sozioökonomischer Hintergrund
5) Ethnische bzw. kulturelle Herkunft
6) Sprachliche Fähigkeiten
7) Religionszugehörigkeit
8) Special needs
, Heterogenität der Lernvoraussetzungen (Seibert 1996)
Def. Lernvoraussetzungen: all die Bedingungen und Faktoren, die den Schüler in seiner
Entwicklung, in seiner Lern- und Lebensgeschichte fördern, aber auch hemmen können - die
eine unbedingte Grundlage für das differenzierte Bemühen des Lehrers sein muss
• kognitiv (Kreativität, Leistungsfähigkeit, Logik)
• Sprachlich (Grundwortschatz)
• Emotional (Erfüllung der emotionalen Grundbedürfnisse)
• Motivational ( Voraussetzung für Interesse am Lerninhalt)
• Individuell (Ziel ist Entwicklung der persönlichen Fähigkeiten)
Reaktionsmöglichkeiten auf Heterogenität (Weinert, 1997)
1. Passive Reaktionsform
• ignorieren der Lern- und Leistungsunterschiede
• Unterricht an fiktivem oder realen Durchschnittsschüler orientiert
Kritik: Leistungsschere geht weiter auseinander (vor allem bei Frontalunterricht)
2. Substitutive Reaktionsform
- Anpassen der Schüler*innen an Anforderungen des Unterrichts durch
schulorganisatorische Homogenisierung (z.B. Leistungskurse) oder spezielle Programme
(z.B. systemtische Intelligenzförderung) -> äußere Differenzierung
3. Aktive Reaktionsform
• differenzielle Anpassung des Unterrichts an lernrelevante Unterschiede zwischen
Schüler*innen -> innere Differenzierung
• Bei möglichst vielen Schüler*innen ein Optimum erreichbarer Lernfortschritte bewirken
4. Proaktive Reaktionsform
• frühzeitige Diagnose der Lernmöglichkeiten und Leistungsgrenzen der Schüler*innen
• Gezielte Förderung der einzelnen Schüler*innen durch adaptive Unterrichtsgestaltung
à Individualisierung
• Differenzielle Lernziele (z.B. Unterscheidung zwischen Fundament und Additum),
adaptiver Lehrstil (Individualisierung zwischen Einzelarbeitsphasen) und genügend
nachhelfende Instruktion zur Realisierung des Fundamentums
Empirische Befunde:
Entwicklung der Heterogenität:
Heterogenität steigt -> zeigen sowohl PISA (2018) , als auch IGLU (2016)
PISA: Anteil der Schüler mit Migrationshintrgrund stieg auf 36% (im Gegensatz zu PISA 10%
mehr)
-> IGLU 2016 zeigt gleiche Entwicklungen
Bertelsmannstiftung 2015: mehr Kinder, denen sonderpädagogischer Förderbedarf
diagonostiziert wird -> höhere Inklusionsquote -> auch mehr Kinder mit
sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen