Prof. Dr. Roger Berger
Mittwoch 16.10.19
Einführung
http://sozweb.sozphil.uni-leipzig.de/de/lehre/details/show/methoden-der-empirischen-
sozialforschung-5.html
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Einige Gründe für die Sozialforschung
Verschiedene Argumente sprechen zugunsten einer systematischen empirischen Sozialforschung
und ihres Studiums.
• Plausibilität,
• Intuition,
• Introspektion,
• individuelle Erfahrung,
• der Schluss vom Einzelfall auf das Allgemeine,
• moralische, ideologische, religiöse, politisch korrekte, sozialromantische und andere normative
Gewissheiten
• etc.
führen oft in die Irre und ziehen Fehlschlüsse nach sich!
Definition empirische Sozialforschung
• Empirische Sozialforschung: umfasst die systematische und methodisch geleitete Beschaffung,
Verarbeitung und Deutung von empirischen Informationen über die individuelle und soziale
Wirklichkeit und deren Effekte
• Empirisch: bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Erkenntnisse auf Beobachtungen bzw.
Fakten (auf Erfahrung) beruhen bzw. dass theoretische Überlegungen mit der Realität konfrontiert
werden
• Systematisch und methodisch: meint, dass die disziplinenübergreifend mit Werkzeugen bzw.
Techniken geschieht, intersubjektiv überprüfbar (unabhängig von einem individuellen Urteil) sind
Gegenstand und Typologie
Der Gegenstand der empirischen Sozialforschung umfasst
• die methodisch geleitete Aufdeckung potentieller Zusammenhänge zwischen Merkmalen oder
Variablen: explorative Untersuchungen
• die möglichst genaue Beschreibung von Sachverhalten und Beziehungen zwischen Variablen und
Prozessen: deskriptive Untersuchungen
• die möglichst exakte Überprüfung von theoretischen Hypothesen über
Merkmalszusammenhänge anhand von empirischen Daten, die möglichst kontrolliert gesammelt
, oder erhoben werden: theoriegeleitete Untersuchungen
• die unterindividuell und nachvollziehbare Vorhersage von sozialen Phänomenen und Ereignissen:
Prognose
• deren methodisch geleitete Beeinflussung durch praktisch-politische oder sozialplanerische
Maßnahmen: Intervention
• und die systematische und methodisch geleitete Bewertung von deren Wirksamkeit:
Evaluationsstudien
Tätigkeiten in der Sozialforschung
• Meinungsforschung
• Durchführung von Umfragen und Beobachtungen
• Analyse von Dokumenten und Filmmaterial
• Durchführung von Experimenten im Labor und im "Feld"
• Bemühung um eine systematische Erfassung der relevanten Untersuchungsopulation durch die
Einhaltung von vorher konzipierten Stichprobenplänen
• Auswertung von selbst erhobenen oder prozessproduzierten Daten mit statistischen Methoden
am Computer
Zentral
• Sicherstellung der intersubjektiven Nachprüfbarkeit der Vorgehensweise und der gewonnenen
Resultate
• Methodisch informierte Kontrolle von "Störfaktoren" und/oder die Entwicklung von solchen
Kontrolltechniken
,Mittwoch 23.10.19
Methodologische Grundbegriffe der Sozialforschung
Variablen und Merkmalsträger
• Variable: ein Merkmal von Personen, Gruppen, Organisationen, Gütern, Staaten oder anderen
Merkmalsträgern
◦ Beispiel:
‣ Geschlecht, Alter oder der soziale Status von Personen
‣ Ausmaß sozialer Integration von Gruppen
‣ Dauer der Ehe
‣ Zahl der Hierarchieebenen in Organisationen
‣ Preise von Gütern
‣ Regierungsformen von Staaten
• Weil Variablen jeweils Merkmale bezeichnen, repräsentieren Variablenwerte entsprechend
Ausprägungen oder Kategorien von Merkmalen
◦ Beispiel:
‣ Geschlecht, Frau / Mann
• Für die statistische Analyse werden den Merkmalsausprägungen numerische Variablenwerte
zugewiesen
◦ Beispiel:
‣ Geschlecht, Frau / Mann –>
Konstruktion von Variablen
• Zu beachten ist, dass:
◦ die Kategorien sich nicht überlappen –> disjunkt
◦ jede in der Realität mögliche Beobachtung einer Kategorie zugeordnet werden kann –>
erschöpfend
Klassifikation von Variablen
Variablen lassen aich nach verschiedenen Kriterien voneinander unterscheiden:
• Der Ausprägungen
• Des Messniveaus
• Der Merkmalsebene
• Der Stellung in einer Hypothese
–> Wichtig für die Messung von Variablen oder die Datenanalyse
Satzarten
• Aus methodologischer Sicht sind Aussagen irgendwelcher Art so genannte „Sätze“. Im
wesentlichen lassen sich 3 Typen von Sätzen unterscheiden
◦ Logische
◦ Präskriptive
◦ Empirische
, Kriterien für Sätze und Informationsgehalt
Dimensionen zur Unterscheidung von Aussagen:
• Geltungsanspruch: apriori oder aposteriori
• Realitätsbezug: mit oder ohne
• Geltungsbereich: raum-zeitlich begrenzt oder unbegrenzt
• Prüfbarkeit: logisch oder empirisch
• Informationsgehalt: mit oder ohne, größer oder kleiner
Beispiel:
• Satz von Phytagoras: apriori Geltungsanspruch (stimmt, ohne das man ein Dreieck zeichnen und
messen muss), ohne Realitätsbezug, raum-zeitlich unbegrenzt, logische Prüfbarkeit, ohne
Informationsgehalt
• Ökonomisches Nachfragegesetz: aposteriori Geltungsanspruch (kann erst gelten, nachdem es
überprüft worden ist), mit Realitätsbezug, raum-zeitlich unbegrenzt, empirische Prüfbarkeit, mit
Informatiomsgehalt
Informationsgehalt
• Der Informationsgehalt eines Satzes ist die Klasse der möglichen Fälle, in denen der Satz nicht
gilt bzw. die Menge der potentiellen Falsifikatoren, d.h. die Menge der vom Satz
ausgeschlossenen Fällen
• Informative Aussagen sind „risikoreich“!
Logische Sätze
• Umfassen alle mathematische Theoreme
• Lassen sich einteilen in
◦ Analytisch wahre Sätze
◦ Kontradiktorische Sätze
• Sind „wahr“ oder falsch unabhängig von den Zuständen der empirischen Welt (apriori)
• Sie besitzen keinen empirischen Informationsgehalt
• Sie können mit logischen Verfahren geprüft werden
• Ihre Bedeutung für Sozialforschung liegt in der logischen oder mathematischen Deduktionen (–>
Theoriebildung), sowie in der Statistik
• Zu den logischen (und tautologischen) Aussagen zählen insbesondere auch Definitionen
• Im Konventionalismus sind (Nominal)Definitionen eine reine Teilmenge von analytisch wahren
Aussagen
◦ Sind Vereinbarungen über die Verwendung von Begriffen
◦ Haben keinen empirischen Gehalt –> Informationsgehalt ist null
◦ Sind deshalb nicht falsifizierbar und können weder falsch noch wahr sein
◦ Aber Aussagen über Definitionen sind falsifizierbar
◦ Sollten von empirischen Aussagen strikt unterschieden werden (z.B. A := B, statt A = B)
◦ Sollten im Hinblick auf das Untersuchungsziel zweckmäßig sein
◦ Sollten jeweils hinreichend präzis sein
• Eine wichtige Teilmenge von analytisch wahren Sätzen sind Tautologien