Geschichte der Psychologie II - Psychologie als Wissenschaft
Aufgabe 1
Schulen der Psychologie.
a) Was versteht man unter der Schulenbildung und wie wirkt diese sich auf
wissenschaftlichen Nachwuchs aus?
Im 19. Jahrhundert bildeten sich psychologische Schulen an Universitäten heraus, welche
unter der Leitung des jeweiligen Lehrstuhlinhabers forschten und Wissen vermittelten. Ziel
der Schulen war es, Theorien und Methoden veröffentlichen, welche allgemeine
Anerkennung finden sollten. (Stangl, 2021) Die Bildung verschiedener Schulen hatte eine
Ausdifferenzierung an Theorien und Forschungsparadigmen zur Folge.
Die Leitung des jeweiligen Lehrstuhls oblag einem Professor. Voraussetzung für den Erwerb
einer solchen Position war neben einer Wissenschaftskarriere auch die Zugehörigkeit zu
einer Schule sowie eigene Forschungsarbeit und -veröffentlichung unter der Obhut eines
seinerseits angesehenen Lehrers. Bereits hier zeigt sich der Einfluss der Schulenbildung auf
den wissenschaftlichen Nachwuchs. Um die eigene Mitgliedschaft in der Schule zu sichern
und schlussendlich eine ordentliche Professur zu erhalten, muss die wissenschaftliche Arbeit
mit den Lehren der jeweiligen Schule übereinstimmen. Eine kritische Auseinandersetzung
mit den Ansichten der eigenen Schule konnte nicht nur den Ruf und das Ansehen innerhalb
des Zusammenschlusses schädigen, sondern auch zum Ausschluss führen. Ebenso hatte
das Verhalten und die Befolgung der „schulentypischen Paradigmen in Forschung, Lehre
und Publikation“ (Reuter, 2020) Einfluss auf die Karriere innerhalb der Schule. Die Meinung
des ausscheidenden Professors über seinen Nachfolger floß in die Entscheidung über
dessen Berufung ein. Diese Struktur sicherte den Fortbestand der jeweiligen Schule und
ihrer Auffassungen.
b) Welche besondere Rolle kam der Leipziger Schule Wilhelm Wundts zu?
Als Wilhelm Wundt 1879 das erste „Institut für Psychologie mit einem systematischen
Forschungsprogramm“ (Fahrenberg, 2020) gründete, trug er damit entscheidend zu einem
naturwissenschaftlichen Verständnis der Psychologie bei. Dieses neue
Psychologieverständnis betonte experimentelle und statistische Methoden und löste die
bisher vorherrschende philosophische Reflexion durch eine neue Methodologie aus
Beobachtung und Experiment ab. Die Leipziger Schule erfreute sich eines hohen Ansehens
und hatte zahlreiche auch heute noch bekannte Schüler. Unser heutiges Verständnis der
Psychologie ist maßgeblich von der (partiellen) Abwendung der Philosophie hin zu einer
naturwissenschaftlichen Herangehensweise und den damit deutlich werdenden
„Paradigmenwechsel im Denken über die menschliche Seele“ (Reuter, 2020) bestimmt,
welche ihren Ursprung in Wundts Leipziger Schule und der Begründung Leipziger
psychologischen Labors 1879 fand.
, c) Was versteht man unter der „überindividuellen Vermessung des Seelenlebens“
(Reuter, 2020, S. 20, FLB II Geschichte der Psychologie)?
Ziel der durch Wundt begründeten experimentellen Psychologie war es, seelische Vorgänge auf
Grundlage physiologischer Veränderungen zu erklären, indem das Bewusstsein in Kleinstbestandteile
zerlegt wird. Durch instruierte Selbstbeobachtung sollten direkte Sinneseindrücke messbar gemacht
werden. Die Fragen, die sich bei dieser Herangehensweise auftun, betreffen zum einen die genaue
Definition aller dem Bewusstsein zugehörigen Elemente sowie die Verbindungen, die diese Elemente
nach welchen Gesetzmäßigkeiten eingehen.
Aufgabe 2
Tiefenpsychologie und Psychoanalyse.
a) Wodurch unterschiedet sich die Individualpsychologie nach Adler von der
Psychoanalyse Freuds?
Freuds Psychoanalyse geht von einer Schichtung des Menschen in Über-Ich, Ich und Es
aus. Das Über-Ich umfasst dabei das Gewissen und die Kontrolle, verinnerlichte Norm sowie
zwanghafte Tendenzen. Die bewusste Instanz des Denkens, Gestaltens, Handelns und der
Gefühle ist im Ich angesiedelt. Im Es liegen das Unbewusste, Triebhafte, Unkontrollierte und
Unkontrollierbare. Hierhin werden zudem jene Triebe, Wünsche und Begehren verdrängt,
welche für das Ich als inakzeptabel gelten. Ziel der Psychoanalyse ist es, die unkontrollierten
Triebe des Es umzuformen, so dass sie von der hierarchisch höher gelegenen Schicht des
Ichs kontrolliert werden können. Diese Sublimation ist für Freud die „Basis der seelischen
Gesundheit“ (Reuter, 2020). Freud selbst definiert die Psychoanalyse als Verfahren zur
Untersuchung seelischer Vorgänge, eine Behandlungsmethode neurotischer Störungen,
sowie die Einsichten, welche darauf gewonnen werden (Kächele, 2020). Die Psyche wird
nach Freuds Auffassung von unbewussten Motiven (vorwiegend sexueller Natur) beherrscht.
Dies zeigt sich bereits in den Entwicklungsphasen der Kindheit, in welchen die Sexualität
eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Persönlichkeit spielt. Später formuliert
Freud neben der „Allmacht der Libido“ (Reuter, 2020) den Todestrieb als weiteren
entscheidenden menschlichen Trieb. In das Unbewusste verdrängte Sexualtriebe entwickeln
sich zu inneren Konflikten, die sich im Außen durch Fehlhandlungen (Kächele, 2020) zeigen.
Diese auftretenden Symptome – Freud sieht hier vor allem Träume als wichtiges Indiz - sind
stets ein Hinweis auf verdrängte Inhalte, welche in der psychoanalytischen Therapiesitzung
an die Oberfläche des Bewusstseins gebracht werden sollen. Der Patient liegt zu diesem
Zweck auf einer Couch, der Therapeut sitzt für ihn nicht sichtbar am Kopfende. Das
Triebkonzept ist somit der Grundgedanke der Freud’schen Psychoanalyse: unserem
Handeln liegen unbewusste Motive zugrunde.
Die Individualpsychologie ist ebenso in der Tiefenpsychologie zu verordnen. Anstelle einer
hierarchischen Gliederung der Psyche, wie sie bei Freud zu finden ist, sieht die
Individualpsychologie nach Adler den Menschen als „unteilbare Einheit und Ganzheit“
(Caspar, 2020). Adler, mit Freuds Ansatz durch die persönliche Verbundenheit bestens
vertraut, geht gleichwohl von der Existenz des Unbewussten im Menschen aus. Im
Gegensatz zu Freud bewertet er die Sexualität und Libido jedoch nicht als „zentrale Kraft des
psychischen Geschehens“ (Reuter, 2020). Vielmehr legt Adler besonderen Wert auf die
„sozialpsychol[ogischen] Aspekte der Entwicklung und Veränderungen“ (Caspar, 2020).
Wichtig für die Entwicklung sind in der Individualpsychologie demnach die Interaktionen
zwischen Umfeld und dem einzelnen Menschen als soziales Wesen. In der Kindheit erlebte
Minderwertigkeitserfahrungen versucht der Mensch zu kompensieren. Eine negative
Kompensation führt zu neurotischen Symptomen. Der Umgang mit erlebten
Minderwertigkeitserfahrungen ist somit entscheidend für die menschliche Entwicklung.
Gleichzeitig zur Kompensation strebt der Mensch nach sozialer Anerkennung. Diese beiden
Seite2 PFH-Private Hochschule Göttingen 07.12.2021
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