Zusammenfassung Skript für Psychologie-Aufnahmetest 2022
1. Geschichte der Psychologie
• diverse Standpunkte werden verschiedenen psychologischen Schulen bzw. Paradigmen
zugeordnet
• Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Paradigmenwechsel
• Paradigma: vorherrschende Denkmuster, Grundannahmen & akzeptierte
Experimentalmethoden als Basis der wissenschaftlichen Orientierung einer psychologischen
(Teil-)Disziplin → steuern die wissenschaftliche Realitätsauslegung = was „wahr“ ist
1.1 Wurzeln der Psychologie: Philosophie und die Seele (bis ca. Ende des 17. Jhd.)
1.1.1 Ursprünge des Seelenbegri s und mythologische Seelenvorstellungen
Orphiker (ca. 600 v. Chr. im alten Griechenland)
• zwei voneinander getrennten Teilen (sto icher Körper + unsto iche Seele)
• Seele lebte weiter, wenn Körper stirbt → Seele hat höhere Stellung
• Körper dennoch als Gefängnis der Seele zu betrachten
• Seele: durch Sühne schuldenfrei → Körper: kann sich nicht aus Unvollkommenheit befreien
• Annahmen über das Schicksal der Seele:
- Körper besitzt genau eine Seele
- Seele ist unsterblich & braucht nicht zwingend einen Körper
- Wanderung der Seele von Körper zu nächste = Kreislauf von Leben und Tod
• Dualistisches Denken auch bei „Diesseits“ und „Jenseits“
- Diesseits: Unglück, unvollkommen, schlecht → Körper
- Jenseits: Glück, vollkommen, gut, schön, wahr → Seele = göttliche Natur
• Zu büßende Vergehen führen zur Verhaftung der Seele im Kreislauf zwischen Leben und Tod
→ Körper hält Seele zurück, ins Jenseits zu gelangen
→ Leben = Kampf zwischen Seele und Körper
Anaximander & Empedokles
• Überlegungen zu Geheimnissen der Irdischen (bspw: kleinsten und größten Teile der Erde)
• Fokus auf das Hier und Jetzt als Naturforscher (dennoch nicht rein analytisch und rational)
Theophrast (aristotelische Schule)
• Betrachtung des Denkvermögens
• Menschen denken weder mit Kopf noch mit Herz, sondern mit Blut → dort werden die
meisten Elemente im Körper gemischt
• Gedanken entstehen durch Aufnahme von Sto en ins Blut + ihre Verarbeitung in den Organen
• 30 Charakterskizzen (bspw: der Geizige, der Taktlose, …)
300. v. Chr.: erste Systematik durch Begründung unterschiedlicher Denkschulen in der gr. Antike
(Lehre der Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Ethik)
Platon (427-347 v. Chr.)
• Schüler von Sokrates
• Dualistische und idealistische Ansicht der Seele (begründet auf orphischen Lehre)
• Unsterbliche Seele haucht Körper (=Wohnstatt der Seele) Leben ein
→ Existenz der Seele unabhängig von Körper, beständig und vollkommen
→ Körper ist trügerisch und unvollkommen, der Seele untergeordnet
• Seele setz sich zusammen aus:
- Begehrende/versorgende Seele (Unterleib; körperliche Begierden/Bedürfnisse)
- Zielstrebige/entschlossene Seele (Brust; Emotionen)
- Denkende/vernünftige Seele (Kopf; Kontrolle von Begierde & Temperament; führt
Seelenteile zusammen → höchster Seelenteil)
Aristoteles (384-322 v. Chr.)
• Schüler Platons
• Zunächst Übernahme der dualistischen Sichtweise → Entwicklung hin zur Untrennbarkeit von
Seele und Körper
• Seele = Vervollständigung des Körpers = dessen Ursache und Prinzip → Körper = Lebewesen
• Seele gibt Organen Zweckmäßigkeit → Möglichkeit der „Unterseelen“ (bspw: Augenseele, …)
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, • Arten der Seele
- Vegetative Seele = P anzenseele: Grundfähigkeit zu Ernährung, Wachstum, Fortp anzung
- Animalische Seele = Tierseele: Sinneswahrnehmung, Begierde, Fortbewegung
- Denkende Seele = Geistesseele: Fähigkeit zur Logik (nur Menschen)
Hippokrates (460-370 v. Chr.) und Galen (129-199 n. Chr.): Die Lehre der Körpersäfte
• Hippokrates: Vier-Säfte-Lehre zur medizinischen Erklärung von Krankheiten
• Galen: Bezug der Vier-Säfte-Theorie zur Persönlichkeit = Temperamentenlehre
- Funktioneller Zusammenhang von physischen und psychischen Phänomenen
- Persönlichkeitstypologie, die bis ins 20. Jhd. bedeutsam war
- Temperamenttypen abhängig von dominantem Körpersaft
• Sanguiniker: freudvoll, schnell & stark erregbar (Blut)
• Phlegmatiker: langsame & schwache Reaktionen, freundlich (Schleim)
• Choleriker: temperamentvoll, schnell & stark erregbar, leicht zu verärgern (gelbe Galle)
• Melancholiker: starke Gefühle der Traurigkeit, Schwermut, Trübsinn (schwarze Galle)
1.1.2 Die römische Antike und das Mittelalter: Augustinus und Thomas von Aquin
• Keine Gründung eigener Schulen im alten Rom, aber: Lehren der griechischen Lehren
• Einzug des Christentums in röm. Reich → rechtgläubig & fromm statt Streben nach Erkenntnis
• Bis ins Mittelalter waren alle Lehren dominiert von Gott bezogenen Hintergrund
Augustinus (354-430 n. Chr.)
• Christlicher Glaube = höchste Form der Erfahrung
• Einigkeit von Körper, Geist & Seele = Natur des Menschen (Geist & Seele ineinandergreifend)
• Christliche Interpretation der platonischen Seelen-Vorstellung (hierarchische Seelenteile)
• Körper & Seele gegensätzlich, die von Natur aus aber zusammengehören
→ Körper = Materie = „äußerer Mensch“ vs. Seele = Immaterielles = „innerer Mensch“
• Seele im gesamten Körper gegenwertig
• Einwirken des Körpers auf Seele unmöglich
• Nervensystem = Vermittler für Wirksamkeit der Seele → Reize in Außenwelt rufen körperliche
Reaktion hervor → erregen Aufmerksamkeit der Seele
• Seelische Substanz steht über Seele, weil sie dem Göttlichen geö net ist
Mittelalter (Ende 11., Beginn 12. Jhd.)
• Forschung hauptsächlich in Klöstern & Stiftsschulen
• Streben nach Erkenntnis und Wahrheit führte zu wissenschaftlichem Aufschwung
→ Gründung von Universitäten mit Medizin, Rechtswissenschaften, Theologie, Philosophie
→ Metaphysik, Natur-, Moralphilosophie → großes Interesse an aristotelischem Gedankengut
Thomas von Aquin (1225-1275)
• Kommentierte Schriften der alten Griechen & lehrte an Universitäten
• Schnittstelle zwischen Glaube und Wissenschaft
• Vertreter der Scholastiker (Vereinigung von aristotelischem Denken mit christlicher Lehre)
• Arten der Seele:
- Vegetation: unbeweglich, schmerzunemp ndlich Natur
- Tiere: sensitiv, Sinneswahrnehmungen, beweglich, schmerzemp ndliche Natur
- Menschen: intellektive Natur, Denkvermögen, Strukturierung der Sinneswahrnehmungen
• Menschliche Seele wird von Gott aus dem Nichts erscha en (Schöpfungsakt → Embryo wird
„Geistesseele“ (= intellektive statt sensitive Natur) einge ößt
• Geistesseele ist nicht an Körper gebunden, kann nach Tod nicht vergehen
• Tod beendet das Dasein der Geistesseele in dieser Welt → Platz in anderer Wirklichkeit
1.1.3 Rationalismus versus Empirismus - 17. & 18. Jahrhundert - Aufklärung
Rationalismus (basierend auf logischem Denken)
• Kernannahme: körperliche Welt + Welt des Verstandes & der Vernunft
• Vernunft führt zu logischer Ordnung & Vollkommenheit
• Hauptmerkmal: Wissen ist nicht durch Körperliches erfahrbar, weil Emp ndungen keine
vertrauenswürdige Quelle darstellen → ausschließlich Nutzen des Verstandes
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, René Descartes (1596-1650)
• Cogito ergo sum
• Vernunft als Basis & Methode für Erkenntnisgewinn
• Dualistisches Menschenbild → Verschiedenheit & Ver ochtenheit von Körper und Geist
• Verdingung beider Entitäten über Zirbeldrüse
- Mechanismus, der sto ichen Körper über Gefühle mit Geist verbindet
- Von in Zirbeldrüse lokalisierte Animalgeister werden Bilder an Seele übermittelt
- Neigung der Drüse verursacht Druck auf unterschiedliche Nervenenden → Reaktion
Monismus vs. Dualismus
• Dualismus: Leib und Seele als voneinander unabhängige Einheiten (Descartes)
• Monismus: körperliche & seelische Vorgänge selbstständig, parallel, ohne gegenseitige
Interaktion = psychophysischer Parallelismus (Baruch de Spinoza, 1612-1677)
→ bspw: Erleben von Scham (Seele) & Erröten (Körper) haben gleichen Auslöser aber
→ Prozesse voneinander unabhängig / laufen durch vernünftige Ordnung der Welt ab
Empirismus (basierend auf Erfahrungen)
• Zweifel an der Existenz einer objektiven Welt
• Ursprung des Wissens in dem, was wahrgenommen werden kann
• Erkenntnisprozess kann nur durch Studium subjektiver Eindrücke durch (Sinnes-)Erfahrungen
erfolgen (Vernunft reicht nicht aus) → Beobachtung & Experimente
• Geburt: Mensch ist frei von allen Ideen = unbeschriebenes Blatt
• Erkenntnis nur durch sinnliche Erfahrungen der sto ichen Welt möglich (vgl. Materialismus)
• Ausschließlich versachlichte Bewusstseinsinhalte (Unterschied zu Materialismus)
• Quellen der Erkenntnis:
- Sensation = Wahrnehmung äußerer Reize über Sinne
- Re exion = Bewusstseinsvorgänge, Tätigkeiten des Geistes, Beobachtung des eigenen
Denkens
John Locke
• Verfasste die erste empiristische Erkenntnistheorie
• Stufen des Erkenntnis-Prozesses:
- Stufe 1: Sinnliche Erfahrung führt zu partikulären Ideen
- Stufe 2: Abstraktion der partikulären Ideen
- Stufe 3: Verbalisierung der partikulären Ideen
- Stufe 4: Diskus über unterschiedliche Erfahrungen möglich
1.2 Anfänge der wissenschaftlichen Psychologie - 18. & 19. Jahrhundert
• Grund für Etablierung als eigenständige Wissenschaft: Interesse an der Lehre über
menschliches Verhalten in Gesellschaft
• „Magazin für Erfahrungsseelenkunde“ als erste deutschsprachige psychologische Zeitschrift
(begründet von Karl Philipp Moritz; Vorreiter psychologischer Fachzeitschriften)
- Möglichkeit, empirische Erkenntnisse über Seelengesundheit &-krankheit zu bündeln
- Versorgen der Gesellschaft mit Fakten statt Anekdoten
- Beiträge von Ärzten, Philosophen, … in verschiedenen Rubriken:
• Seelennaturkunde: Beschreibung von psychischen Phänomenen (Erinnerungen, Träume)
• Seelenzeichenkunde: Typisierung, Charakterisierung, Kategorisierung = psychologisch
Diagnostik heute
• Seelenkrankheitskunde: Betrachtung normabweichenden Verhaltens; Vorreiter der
klinischen Psychologie; Psychopathologie heute
• Seelenheilkunde: Heilung von Seelenkrankheiten = Psychotherapie heute
1.2.1 Die Vernunft als Schlüssel zur Wissenschaft: Immanuel Kant (1724-1804)
• Ergänzung des Empirismus durch die Verbindung zum Denken
• Reine empirische Beobachtungen enthält nicht alle Informationen
→ Verknüpfung der Sinneseindrücke mit Verstand, um Erkenntnis zu erlangen
• Wichtigkeit von Eindeutigkeit, Gewissheit, Beständigkeit wissenschaftlicher Ergebnisse
→ ohne mathematische Formulierung keine exakte Wissenschaft möglich
→ Gegenstände der Psychologie sind nicht „mathematisierbar“
→ geringer Stellenwert der (empirischen) Psychologie
→ Psychologie nur beschreibende Wissenschaft (nicht exakt)
→ Widerlegung durch bspw. Herbart: Mathematisierung der Assoziationstheorie
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, 1.2.2 Positivismus - eine philosophische Hintergrundströmung im 19. Jahrhundert
• Begründer: August Comte (1798-1857) - Begründer der Soziologie
• Forderung:
- vorurteilsbefreite Erfassung von ausschließlich überprüfbaren Tatsachen mit der Erfahrung
als einzige Quelle der Erkenntnis
- Wissenschaftliche Analyse stütz sich auf Tatsachen und deren beobachtbare Beziehung
- Metaphysische Deutungen sind wissenschaftlich nicht zulässig
- Maßstab der Wahrheit = Gewissheit, welche durch Übereinstimmung der Forscher entsteht
- Wissenschaft ist grundsätzlich unvollendet → überbleiben einer Wirklichkeit, die nicht
durch Wissen erfasst werden kann
- Alleiniges Sammeln von Beobachtungen nicht ausreichend → aus Beobachtung muss
Theorie abgeleitet werden
- Positive Wissenschaft ist dem technischen und sozialen Fortschritt dienlich
• Steht im Gegensatz zur „Geisteswissenschaft“ des deutschen Idealismus
• „Positive“ Stadium = Stadium der empirischen Naturforschung ist gekennzeichnet durch die
Orientierung an beobachtbaren Tatsachen → Ablehnung der Bewusstseinspsychologie;
Vorwegnahme einer zentralen Aussage des Behaviorismus
• Einsatz quantitativer Methoden aufgrund Forderung nach nachvollziehbaren Beobachtungen
• Weiterführung im amerikanischen Behaviorismus: Anerkennung ausschließlich des
beobachtbaren Verhaltens als möglicher Gegenstand wissenschaftlicher Psychologie
→ Ablehnung der nicht objektiven Beschreibungen zugänglichen Bewusstseinsinhalte als
Erkenntnisgrundlage (sondern nur Introspektion)
1.2.3 Beginn der naturwissenschaftlichen Suche, was Menschen im Innersten ausmacht
• 19. Jhd.: wirtschaftlicher und technischer Fortschritt → Aufschwung der Universitäten (
- Verstaatlichung
- liberales Universitätsmodell nach Wilhelm von Humboldt: eigenständige Bestimmung über
Forschungsgegenstände & vorherrschenden theoretischen Au assungen
- Folge: Ausdi erenzierung von Ausbildungsschwerpunkten; Förderung des internationalen
Austausches; Bestand des fakultativen Aufbaus; Ausdi erenzierung der philosophischen
Disziplinen hin zu Einzeldisziplinen (aus Universalgelehrten wurden Spezialisten)
• Humboldtsches Bildungsideal:
- Kernaufgabe der Universitäten: Forschung
- Universitäre Doppelaufgabe: Wissenschaft + staatsfunktionale Ausbildung
- Liberales deutsche Universitätsmodell: ganzheitliche Ausbildung (Forschung & Lehre) im
Kontext akademischer Freiheit (unabhängig von wirtschaftlichen/staatlichen Interessen)
• Ausdruckspsychologie: Verbindung zwischen körperlicher Erscheinung und psychologischer
Bedeutung
- Physiognomik (Johann Caspar Lavater): Seelisches drückt sich im Körperlichen aus
(bspw: hohe Stirn - Intelligenz; Form der Nase - Drang zur Selbstverwirklichung)
- Phrenologie (Franz Joseph Gall): Ausprägung der Hirnareale abgeschätzt durch Form und
Größe des Schädels; bestimmte Charaktereigenschaften/Fähigkeiten der einzelnen Areale
1.2.4 Die naturwissenschaftliche Neubegründung der Psychologie
- die Wegbereiter der experimentellen Psychologie im 19. Jahrhundert
Der Platz der Psychologie an Universitäten: Johann Friedrich von Herbart (1776-1841)
• Neuausrichtung der Psychologie weg von subjektiven Bewusstseinszuständen
• Mathematisierung der Psychologie → empirische Erforschung der Bewusstseinsinhalte
• Vorstellungen (= Inhalte des Bewusstseins) verfügen über kraftähnlichen Charakter
→ können schwächer, stärker werden; sich vereinen, gehemmt werden
• Mathematisches Modell für das Konkurrieren zweier Vorstellungen
• Empirisches Fundament der Psychologie → Einzug in die Naturwissenschaften
Sinnesphysiologische Forschung: Hermann von Helmholtz (1821-1894)
• Untersuchung der physiologischen und neurologischen Grundlagen des Sehvermögens
• „Handbuch der physiologischen Optik“: Anatomie, Beschreibung der Reizübertragung;
Farbwahrnehmung; Zusammenspiel aller optischen Systeme
• Unterteilung in mehrere Sinnessysteme → Widerspruch zum „Gesamtsinn“
• Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit mithilfe physiologischer Messungen
• Überzeugung: physiologische & anorganische Parameter sind beobachtbar und messbar
• Erkenntnis: bei jeder Beobachtung & Messung gibt es Ein üsse durch beobachtende Person
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