komplette Zusammenfassung des Buches Agnes von Peter Stamm inklusive:
- Kontext und Einordnung
- Formaler Aufbau
- Handlung
- Charaktere
- Themen und Orte
- Motive und Symbole
- Erzählweise
Agnes – Peter Stamm
Kontext und Einordnung
Agnes ist ein Roman des schweizerischen Schriftstellers Peter Stamm aus dem Jahre 1998 und spielt in
Chicago. Der namenlose, personale Ich-Erzähler schreibt von seiner gescheiterten Liebesbeziehung mit
Agnes, einer Physikstudentin. Im Roman werden Themen wie Identität und Selbstentfremdung, Isolation
und Anonymität sowie das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit behandelt. Dabei ziehen sich
Leitmotive wie Kälte, Tod, Wärme und Leben durch die Handlung. Agnes weist, etwa mit seinen vielen
intertextuellen Bezügen, zahlreiche Merkmale des postmodernen Romans auf.
Formaler Aufbau
Romanstruktur
Stamms Roman scheint auf den ersten Blick wie lose zusammengestellt: Die 36 sehr kurzen Kapitel
wirken wie in einer Collage aneinandergereihte Bilder - zwischen einzelnen Kapiteln liegen meist kurze
Zeitsprünge. Handlungsvorantreibende Kapitel wechseln sich mit solchen ab, deren tiefer Sinn sich
zunächst nicht erschließt, wie im Fall des siebten Kapitels, als der Erzähler (im Folgenden „E.“) neben
einer unästhetisch dicken, schwitzenden Frau sitzt.
In Wahrheit aber besitzt Agnes eine strenge Form. So entsprechen die 36 Kapitel der Dauer der
Beziehung von Agnes und E., der Zeitspanne der Geschichte insgesamt sowie der Dauer einer
Schwangerschaft (9*4=36). Außerdem unterstreicht die chronologische Vorgehensweise des Erzählers
den fast mathematisch anmutenden Aufbau.
Das Buch lässt sich in mehrere Abschnitte gliedern. Das erste und das letzte Kapitel spielen in
der Erzählgegenwart und bilden den Rahmen des Romans. Erzähltempus ist das Präsens. In Kapitel
2 setzt E.s Rückblende ein. Bis Kapitel 35 gibt er das Geschehen aus personaler Perspektive wieder.
Erzähltempus ist hier das Präteritum.
Dieser Hauptteil lässt sich wiederum untergliedern. In den Kapiteln 2-8 lernen sich Agnes und E. kennen
und beginnen ihre Liebesbeziehung. E. fängt in Kapitel 9 an, seine Geschichte von Agnes zu schreiben.
Daraufhin (bis Kapitel 18) gestaltet sich das Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Fiktion als schwierig.
Während E. mit seiner Geschichte in Kapitel 11 die Gegenwart erreicht, stößt er ein Kapitel später in die
Zukunft vor.
Die Kapitel 19-23 stehen im Zeichen der Trennung und der Flucht E.s in seine fiktive Geschichte. Danach
kommt es zur Wiederaufnahme der Beziehung bei emotionaler Distanz zwischen den Protagonisten
(Kapitel 24-29). Die Kapitel 30-35 können sowohl mit den vorangegangenen Kapiteln eine Sinneinheit
bilden als auch als eigener Block betrachtet werden. E. beendet seine fiktive Geschichte und Agnes
verschwindet, wobei ihr Schicksal offen bleibt. Erzählzeit und Zeit der Geschichte Agnes fallen für einen
kurzen Moment wieder zusammen, die Wirklichkeit hat die Fiktion eingeholt.
Das letzte Kapitel endet in der Erzählgegenwart. Erzähltempus ist wiederum das Präsens. Deshalb besitzt
der Roman eine Ring- oder Zirkelstruktur. Textteile der Geschichte Agnes wer- den kursiv gedruckt im
Roman integriert, bis auf wenige Ausnahmen. Episoden aus der Vergangenheit der Protagonisten
,tauchen im Dialog oder in reflektierenden Passagen E.s auf. Insgesamt erinnert der Romanaufbau an das
pointillistische Gemälde Seruats (Kap. 14), da sich die Episoden erst durch ihre Verbindung im
Gedächtnis des Lesers zu einem Gesamtbild fügen.
Schematische Darstellung der zeitlichen Struktur von Agnes.
Der Roman besitzt eine Ringstruktur: Anfang und Ende fallen zeitlich zusammen. Schematisch lässt sich
der Aufbau aber besser in einem linearen System darstellen, auch weil mit E.s Geschichte über Agnes
eine weitere Dimension hinzukommt. Diese Geschichte holt das Romangeschehen erst ein und überholt
es dann. Mit Agnes‘ literarischem Tod und ihrem Verschwinden fallen Geschichte und Romangeschehen
wieder zusammen.
Intertextualität
In Agnes finden sich zahlreiche Referenzen zu literarischen und nicht-literarischen Texten.
Literaturwissenschaftler sprechen in diesem Fall von Intertextualität. Dies bedeutet, dass literarische
Texte nicht isoliert, aus sich heraus verstanden werden können, sondern dem Einfluss anderer Texte und
Textstrukturen unterliegen. Dieser Einfluss kann in Form von Zitaten oder Verweisen sichtbar sein.
So finden sich im Roman Referenzen zu Gedichten, z. B. Robert Frosts Stopping in the Woods on a
Snowy Evening, William Shakespeares Sonnett XVIII oder Dylan Thomas‘ A Refusal to Mourn the Death
of a Child, by Fire, in London, und zu nicht-literarischen Werken, z. B. zu den Bildern von Georges Seurat
(Un Dimanche d‘été àl‘île de la Grande Jatte) und Ernst Ludwig Kirchner (Gebirgslandschaft) oder zum
Theaterplakat Oskar Kokoschkas (Mörder, Hoffnung der Frauen). Diese Anspielungen eröffnen jeweils
neue Interpretationsmöglichkeiten für Agnes und sind mit den Leitmotiven des Romans verknüpft (s. u.).
Auch die text- oder werkimmanenten Bezüge können unter Intertextualität gefasst werden. Dazu zählen
die tote Frau auf dem Bürgersteig vor dem Restaurant, Agnes‘ eigene Kurzgeschichte, die von E.
verfasste Geschichte Agnes und einzelne Episoden. Allerdings ist hier Vorsicht geboten, da text- oder
werkimmanente Bezüge mitnichten ein neues literarisches Konzept oder gar eine Erfindung der
Postmoderne sind.
, Handlung
Kapitel 1 – Einstieg
(1) E. beginnt mit der Bemerkung: „Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet [Hervorhebung jew. d.
Verfasser, M. U.].“ Durch diesen Einstieg und die Betonung des Todes wird die Aufmerksamkeit des
Lesers von Anfang an in eine bestimmte Richtung gelenkt. Auch ist mit dem Tod gleich ein zentrales
Motiv des Romans eingeführt.
Wir erfahren, dass es kalt war, als sich E. und Agnes kennenlernten und dass der böige Wind auch durch
das Isolierglas der Fenster noch hörbar ist. Das Isolierglas steht für Distanziertheit, während die Kälte,
genau wie die leeren Plätze draußen und die Nacht, auf den inneren Zustand des Erzählers verweist.
Dieser trägt sich mit Suizidgedanken, wobei nur die Fenster, die sich nicht öffnen lassen, ihn vom Tod
trennen. In seiner depressiven Stimmung sieht er sich zum wiederholten Male ein Video von sich und
Agnes an. Er thematisiert Agnes‘ Ängste und verweist auf die Sprachlosigkeit zwischen ihnen („dann
sprach sie nicht mehr davon [von ihren Ängsten]“), womit ein weiteres Motiv des Romans eingeführt
wird.
Kapitel 2-8 - Beziehung und punktuelles Glück
(2) In einer Rückblende beginnt E. das Geschehene zu erzählen. Er lernt Agnes im April in der Public
Library kennen, als er Recherche für sein neues Sachbuch betreibt. Ihre Gegenwart - sie setzt sich ihm
direkt gegenüber - verunsichert ihn und raubt ihm die innere Ruhe, woraufhin er die Bibliothek verlässt,
um eine Zigarette zu rauchen. Wie wir erfahren, kennt E. niemanden in Chicago, was sich erst ändert, als
Agnes neben ihm auf der Freitreppe vor der Bibliothek Platz nimmt. Dem gängigen Klischee
entsprechend kommen sie ins Gespräch, als E. ihr Feuer anbietet.
(3) In den nächsten Tagen sehen sie sich in der Bibliothek wieder,
(4) bis E. Agnes in ein Restaurant einlädt. Vor dem Restaurant liegt eine tote Frau, die nicht älter ist als
Agnes. Nach dem Essen kommen sie auch auf das Thema Tod zu sprechen, wobei Agnes kühl feststellt,
dass E. nicht lange über diesen Gegenstand nachgedacht hat.
(5) Am Ende des Abends schlafen sie miteinander, wobei es für Agnes das erste Mal ist, was stark mit
der nüchternen, leidenschaftslosen Schilderung E.s kontrastiert. Als sie in der Dämmerung erwachen,
fragt Agnes, ob E. Bücher schreibe, weil er keine Kinder habe. Damit taucht ein Motiv erstmals auf, das
im Laufe der Romanhandlung an Bedeutung gewinnt: Das Spurenhinterlassen. Während E. meint, er
wolle nicht ewig leben und keine Spuren hinterlassen, entgegnet ihm Agnes einfach „Doch“.
(6) Dieses Motiv kehrt im nächsten Kapitel wieder. Der Doktorandin Agnes - sie hat eine Assistenzstelle
an der Universität inne - gefällt der Gedanke, dass andere, die sich mit ihrem Thema befassen, eines
Tages auf ihre Dissertation stoßen werden. Wie im weiteren Gesprächsverlauf klar wird, ist es Agnes
wichtig, nicht spurlos von der Welt zu verschwinden. Auch erfahren wir von ihrer problematischen
Beziehung zu ihrem Vater und davon, dass E. früher versucht hat, einen Roman zu schreiben.
(7) E. erzählt, dass er sich wieder besser auf seine Arbeit konzentrieren kann, seit er Agnes kennt. Nun
befindet er sich im Zug nach New York, weil er auf Bücher von dort angewiesen ist. In diesem Zug sitzt er
neben einer überaus dicken Frau, die gemäß seiner Beschreibung („[sie] roch nach altem saurem
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