1 EINFÜHRUNG, ZENTRALE DENKSCHULEN UND WIRTSCHAFTSSEKTOREN
IM WANDEL (18.10.2022)
Zentrale Denkschulen
1. Raumwirtschaftlicher Ansatz: ökonomische Erklärung räumlicher Strukturen und
Entwicklungen durch Theorien/Modelle
2. Akteursansatz: Handeln der Akteure als Ursache für räumliche Strukturen
3. Relationaler Ansatz: Erklärung der räumlichen Dimension sozialer und ökonomischer
Aktivitäten und Beziehungen im Mittelpunkt (Paradigmenwechsel)
• Relationale Grundprinzipien: Prinzip der Kontingenz (individuelle, nicht
reproduzierbare Entwicklung, Bsp. Silicon Valley), Prinzip der Kontextualität (situiertes
Handeln von Akteur:innen, Setting), Prinzip der Pfadabhängigkeit (historische
Entwicklungen)
• „Ionen“ der Wirtschaftsgeographie: Organisation, Evolution, Innovation, Interaktion
Wirtschaftssektoren
Primärer Sektor: Urproduktion (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei)
Sekundärer Sektor: Verarbeitende Wirtschaft (Industrie, Bergbau, Handwerk)
Tertiärer Sektor: Dienstleistungswirtschaft (Handel, Bildung, Öffentlicher Dienst etc.)
• fast 70% des BIP in Deutschland (+ DL oft in Industrie „versteckt“) Bsp. Schweden >70%
DL
Modell des sektoralen Wandels (Fourastié)
Nachfragehypothese:
steigendes Pro-Kopf-Einkommen im primären Sektor
steigener Konsum im sekundären Sektor
Sättigung Nachfrage nach Dienstleistungen mehr
Arbeitsplätze im tertiären Sektor
Angebotshypothese:
steigende Produktivität durch neue Methoden
Freisetzung von Arbeitskräften wegen Maschinen
tertiärer Sektor bleibt auf Menschen angewiesen
Sektoraler Wandel im globalen Süden
,GEO32 WIRTSCHAFTSGEOGRAPHIE
Informeller Sektor:
wirtschaftliche
Aktivitäten, die nicht
staatlich registriert und kontrolliert sind (Bsp. Transport, Kinderarbeit)
Quartärer Sektor: Informations- und Datenverarbeitung, DL mit spezialisierten Kenntnissen
(Bsp. Forschung, Versicherung)
2 GRUNDLAGEN DER INDUSTRIELLEN STANDORTWAHL (28.10.2022)
Grundtypen der unternehmerischen Entscheidungsträger
• Homo oeconomicus / Optimiser: verfügt über vollständige Informationen, versteht diese
optimal zu verarbeiten und trifft eine ökonomisch-rationale Entscheidung mit dem Ziel der
Gewinnmaximierung
• Satisficer: besitzt unvollständige Informationen, wertet diese suboptimal aus und trifft dann
eine begrenzt rationale bzw. durch persönliche Präferenzen beeinflusste, an einem
individuellen Anspruchsniveau orientierte Entscheidung
Volkswirtschaftliche Produktionsfaktoren
• Arbeit (Humankapital): Ausbildung, unternehmerische Tätigkeiten
• Kapital (Sachkapital): Maschinen, Gebäude, Werkzeuge
• Boden (Naturkapital): Grund und Boden, Energie, Rohstoffe
• Technisches Wissen (Wissenskapital): Know how, Patente
daraus ergibt sich der Produktionsinput
Faktorausstattungen (nach Porter)
• Humanvermögen: Menge, Qualifikation und Kosten des Personals
• Materielle Ressourcen: Fülle, Quantität und Zugänglichkeit natürlicher Ressourcen
• Wissensressourcen: Fundus eines Landes an wissenschaftlichem, technischem und
marktmäßigem Wissen, das Güter und Dienstleistungen betrifft
• Kapitalressourcen: Menge und Kosten des Kapitals, das der Finanzwirtschaft zur
Verfügung steht
• Infrastruktur: Art, Qualität und Benutzungskosten der Infrastruktur
,GEO32 WIRTSCHAFTSGEOGRAPHIE
Standortfaktoren
= Gesamtheit der (im)materiellen Einflüsse an einem Standort (Ausstattung)
• Harte Standortfaktoren: quantifizierbare Einflüsse mit unmittelbaren Wirkungen auf Kosten
und Erlöse des Unternehmens, Bsp. Stromkosten, Verkehrsanbindung
• Weiche Standortfaktoren: qualitative Einflüsse mit indirekten Wirkungen auf das
Unternehmen und die Beschäftigten, Bsp. Standortimage, Wohnqualität
(Branchenspezifische Standortfaktoren)
Standortanforderungen: Anforderungen an Produktionsfaktoren, die ein Unternehmen an
seinen Standort stellt, um im Wettbewerb zu bestehen
Standortfaktoren: Produktionsfaktoren, die an einem Ort gegeben sind (aus der Perspektive
eines Standorts)
Raumzeitliche Phänomene
• footloose industries: Betriebe, die keine besonderen Standortfaktoren haben und deren
Standortanforderungen in vielen Räumen gleichermaßen befriedigt werden können
• ubiquitification: Verbreitung von Standortfaktoren durch Infrastrukturausbau und
Verbreitung von bspw. Bildung und Normen; Standortvorteile bisheriger Zentren
verschwinden
Standortentscheidungsprozess (siehe Ottmann: Methoden der Standortanalyse)
1. Erstellung eines Präferenzprofils mit klar definierten Standortanforderungen und tolerablen
Standortdefiziten
2. Vergleich des Präferenzprofils mit potentiellen Standorten (von Makro- zu
Mikrostandorten)
3. Rational-ökonomische Auswahl von einigen wenigen Mikrostandorten
4. Abschließende Standortauswahl durch oft persönliche Bewertung in Bezug auf die
Unternehmensphilosophie
STATISTISCHE STANDORTTHEORIEN
Johann Heinrich von Thünen: Landnutzungstheorie
„Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie, oder
Untersuchungen über den Einfluss, den die Getreidepreise, der Reichthum des Bodens und
die Abgaben auf den Ackerbau ausüben“
Vereinfachende Annahmen:
• „isolierter Staat“ als Wirtschaftsraum, der von der übrigen Welt abgeschlossen ist und in
seiner Mitte eine einzige dominierende Stadt besitzt, die von einer homogenen Ebene
umgeben ist
• Stadt versorgt den Wirtschaftsraum mit Industriegütern und stellt den einzigen Markt für
die im Umland erzeugten Agrarprodukte dar
• Transportkosten sind direkt proportional zur Entfernung des landwirtschaftlichen
Produktionsortes vom Konsumzentrum und dem Gewicht der Agrarprodukte; Volumen und
Verderblichkeit beeinflussen ebenfalls die Höhe der Transportkosten
• Landwirte erstreben Gewinnmaximierung
, GEO32 WIRTSCHAFTSGEOGRAPHIE
Heute:
• Sinkende Bedeutung von Transportkosten (außer z.T. globaler Süden)
• Persistenz einiger landwirtschaftlicher Intensivgebiete
• Einflussnahme der Agrarpolitik
Alfred Weber: Industriestandorttheorie
Vereinfachende Annahmen:
• Geographische Lage der Inputmaterialien sowie Umfang und räumliche Verteilung der
Nachfrage sind bekannt
• Keine regionalen Monopole
• Einheitliches Transportsystem
• Transportkosten ergeben sich proportionale zu Gewicht und Entfernung
• Räumliche Verteilung der Arbeitskräfte ist bekannt, sie sind immobil und bei einem
gegebenen Lohnsatz unbegrenzt verfügbar
• Einheitliches wirtschaftliches, politisches und kulturelles System innerhalb des
betrachteten Raumes
Grundaussage:
• Der optimale Produktionsstandort eines Betriebes liegt dort, wo die niedrigsten
Transportkosten zwischen dem Fundort der benötigten Input-Materialien und dem
Konsumort auftreten (idealer Produktionsstandort = tonnenkilometrischer Minimalpunkt)
• Berechnung anhand des Gewichts der Rohmaterialien und Fertigprodukte sowie der
zurückzulegenden Distanzen zwischen Fundort, Produktionsort und Konsumort
Inputmaterialien
• Ubiquitäten: nahezu überall im Raum verfügbar, es entstehen nur geringe Transportkosten
(Luft, Wasser, Land)
• Lokalisierte Materialien: befinden sich nur an bestimmten Fundorten
Reingewichts- und Gewichtverlustsmaterialien
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