Schulpädagogik als empirische Wissenschaft:
16.11.22
Wie lassen sich Schule und Unterricht erforschen?
1. Schulpädagogik in geisteswissenschaftlicher Traditionslinie
Ausgangslage in der Pädagogik:
- Orientierung der Pädagogik an christlichen Tradition, Philosophie (z.B. Schriften
griechischer und römischer Philosophen), pädagogischen Programmatiken (z.B.
Comenius, Pestalozzi, Diesterweg. Montessori)
● Anleitung für das alltägliche pädagogische Handeln in der Praxis
- Auslegung und Interpretation vorliegender Schriften und Publikationen
- persönliche Erfahrungen
Beispiel: Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827)
- Lernen mit Kopf, Herz und Hand
Schulpädagogik als geisteswissenschaftliche Pädagogik:
- Dominanz der geisteswissenschaftlichen Pädagogik bis in die 1960er Jahre
- Erkenntnisgewinnung als interpretativ-deutender Prozess der Praxis, die als
geschichtlich gewordene Wirklichkeit begriffen und zu verstehen gesucht wird
- Überlegungen sind an das Vorverständnis der Wissenschaftler gebunden
(Vorwissen, Werte, Überzeugungen)
- Beispiel: ,,Ermahnung im Unterricht”
2. Schulpädagogik als empirische Wissenschaft
Schulpädagogik als empirische Erziehungswissenschaft:
- griechisch: empeiria = Erfahrung, Erfahrungswissen
- Versuche der Etablierung einer Empirischen Pädagogik im Anschluss an
Naturwissenschaften und Psychologie ab dem 19. JH
- Aussagen auf der Grundlage der empirischen Erforschung der Schul- und
Unterrichtswirklichkeit
- Beispiel: ,,Ermahnung im Unterricht”
3. Phasen der empirischen Schulforschung
3.1 ,,Aufbruch” - Empirische, experimentelle Pädagogik (Ende des 19. und Beginn
des 20. JH)
Ernst Meumann (1862-1915):
- Kritik an traditionellen normativen Pädagogik (fehlende empirische Absicherung
und fehlende wissenschaftliche Begründung)
, August Lay (1862-1926):
- fordert wissenschaftliche Beobachtungen und Experimente
Experiment von August Lay zum Vergleich von Druck- und Schreibschrift:
- künstlich aufgebaute Wörter (z.B. Listrom, Tramwo, Nohmasch) wurden an Tafel
abwechselnd in Schreib- und Druckschrift dargeboten
- Wörter wurden von Schülern nachher aufgeschrieben
- Feststellung der Fehleranzahl
- Varianten des Experiments: 1. lautes Lesen, 2. Abschreiben ohne Sprechen, 3.
Abschreiben mit Sprechen, 4. Buchstabieren, 5. Lautieren
- Versuche in 17 Klassen und mit unterschiedlichen Altersgruppen (6-7, 11-, 16- und
18-jährige Schüler)
- Ergebnis: Schreibschrift ist der Druckschrift überlegen (Schreibschrift 4,8 und
Druckschrift 7,9 Fehler pro Volksschüler)
Fazit: ,,Danach ist der Erfolg orthographischer Übungen doppelt so groß, wenn man
sie nicht an Druck- sondern an Schreibschrift vornimmt”
Peter Petersen (1884-1952):
- ,,Pädagogischen Tatsachenforschung” als Anfänge einer empirischen
Unterrichtsforschung in der Universitätsschule Jena
Zusammenfassung: Annahmen der experimentellen, empirischen Pädagogik
- Basisn einer empirischen Pädagogik sind ,,pädagogische Tatsachen”
- Erfassung dieser ,,Tatsachen” mit Hilfe von Beobachtungen und Experimenten
- aus einzelnen Beobachtungen wird auf generelle Gesetze geschlossen
- Anweisungen für praktische Handeln können daraus abgeleitet werden
3.2 ,,Realistische Wendung” der Pädagogik (ab Mitte der 1960er bis Ende der 1970er
Jahre)
Heinrich Roth (1906-1983):
- Antrittsvorlesung im Juli 1962 an der Unterversität Göttingen: ,,Realistische
Wendung in der pädagogischen Forschung”
Wolfgang Brezinka (geb. 1928)