Bildung: Was sollen Schüler in der Schule lernen?
07.12.22
1. Bildung und Erziehung als Grundbegriffe der
Pädagogik/Erziehungswissenschaft
Bildung:
- Kernbegriff der Disziplin Erziehungswissenschaft (neben Erziehung, Lernen,
Sozialisation)
- ,,deutscher Begriff” (in vielen anderen Sprachen kein Äquivalent)
- im 18. und 19. Jahrhundert hohe Wertschätzung von Bildung
(,,Bildungsbürgertum”)
- inflationärer und mehrdeutiger Gebrauch im wissenschaftlichen und alltäglichen
Diskurs (,,Containerwort” (Lenzen 1997))
Erziehung:
- bedingt einen Erzieher und einen Zu-Erziehenden (Generationsverhältnis)
- bewusste und gezielte Einwirkung von Erwachsenen auf Heranwachsende
- findet in spezifischen Erziehungsinstitutionen (Familie, Schule) statt
- zeitlich begrenzt (mit Erreichen der Mündigkeit)
,,Erziehung ist eine notwendige und absichtsvolle Hilfe der Erwachsenengeneration
bei der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu mündigen Persönlichkeiten”
(Wiater, 2015)
Grundverständnisse von Erziehung:
- Erziehung als ein ,,herstellendes Machen” (Erzieher als Handwerker oder
Bildhauer)
- Erziehung als ,,begleitendes Wachsenlassen” (Erzieher als Gärtner)
Bildung:
- Individuum steht im Zentrum
- Vorgang des Sich-Bildens: Auseinandersetzung des Einzelnen mit der Welt
- Bildung ist nicht institutionell gebunden
- lebenslange Aufgabe des Menschen
Pädagogische Fragestellung in Bezug auf Bildung:
● Bildungsbegriff als Deskription (Beschreibung)
- Wie eignet sich der Einzelne die Welt, das Allgemeine, die Kultur an?
- Wo findet Bildung statt?
● Bildungsbegriff als normative Zielvorstellung
- Welche Bildungsziele sollen verfolgt werden?
- Wie lassen sich Bildungsinhalte legitimieren?
Kritik an diesem Lehrerhandeln verweist auf einen impliziten Bildungsbegriff, also
Vorstellungen davon, welche Bildungsziele erreicht werden sollen
, Beispiel: UN-Kinderrechtskonvention
Artikel 29: Bildungsziele, Bildungseinrichtungen
(1) Die Vertragsstaaten stimmen darin überein, dass die Bildung des Kindes darauf
gerichtet sein muss,
a) die Persönlichkeit, die Begabung und die geistigen und körperlichen Fähigkeiten
des Kindes voll zur Entfaltung zu bringen
b) dem Kind Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten und den in der
Charta der Vereinten Nationen verankerten Grundsätzen zu vermitteln
c) dem Kind Achtung vor seinen Eltern, seiner kulturellen Identität, seiner Sprache
und seinen kulturellen Werten, den nationalen Werten des Landes, in dem es lebt,
und ggf. des Landes, aus dem es stammt, sowie vor anderen Kulturen als der
eigenen zu vermitteln;
d) das Kind auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im
Geist der Verständigung, des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung der
Geschlechter und der Freundschaft zwischen allen Völkern und ethnischen,
nationalen und religiösen Gruppen sowie zu Ureinwohnern vorzubereiten
e) dem Kind Achtung vor der natürlichen Umwelt zu vermitteln
2. Historischer Rückblick: Bildungsbegriff bei Wilhelm von Humboldt
Wilhelm von Humboldt (1767-1835):
- 1809-1810 Leiter der Abteilung für Kultus und Unterricht im preußischen
Innenministerium, später preußischer Gesandter
- grundlegende Reformen für ein allgemeines und durchgehendes
Erziehungssystem von der Elementarstufe bis zur Universität (Einführung des
Lehramtsexamens, Vereinheitlichung der Abiturprüfung, Erarbeitung eines
Lehrplans für das Gymnasium, Gründung der Berliner Universität 1810)
Was ist das Ziel der Bildung?:
- ,,Kräfte” verweist auf Potentialität, die es erst noch zu verwirklichen und zu bilden
gilt
- Entfaltung aller menschlichen Kräfte weitestgehend (,,höchste”) und gleichzeitig
ausgewogen und gleichmäßig (,,proportionierlichste”) zu einem harmonischen
Gesamtbild (,,zu einem Ganzen”)
- Ziel menschlicher Entwicklung wird nicht mit Blick auf Anforderungen bestimmt, die
von außen an den Menschen gestellt werden, sondern Bezugspunkt ist das Innere
des Menschen
- Bildung als Selbstgestaltung und Selbstverfügung des Menschen, als die
Entwicklung seiner Kräfte und Anlagen, als Entwicklung der gesamten Person