Barry Buzan, Ole Weaver und Jaap de Wilde haben Anfang der 1990er Jahre das Konzept der
„Versicherheitlichung“ („Sekuritisierung“) entwickelt, um die Unzufriedenheit mit dem bis dahin
vorherrschenden Sicherheitsbegriff zum Ausdruck zu bringen. Die sog. 'Kopenhagener Schule' lehnt
einen substantiellen Sicherheitsbegriff ab und ersetzt ihn durch einen akteursorientierten, situativen
und diskursiven Sicherheitsbegriff.
a. Skizzieren Sie kurz das Konzept der „Versicherheitlichung“ und grenzen Sie dieses vom
Sozialkonstruktivismus nach Alexander Wendt ab.
b. Gehen Sie auf zentrale Faktoren ein, welche die „Versicherheitlichung“ eines Themen- bzw.
Problemfelds begünstigen. Problematisieren Sie dabei insbesondere die zentrale Rolle des Publikums
beim sicherheitsrelevanten Sprechakt.
c. Illustrieren Sie den Erkenntniswert des Konzepts der „Versicherheitlichung“ bei der Bekämpfung
des internationalen Terrorismus nach „9/11“ oder an einem Beispiel Ihrer Wahl!
Um diese Aufgabe zu beantworten, beginnen wir mit einer ausgiebigen Betrachtung des
Konzepts der Versicherheitlichung nach Buzan, Weaver und de Wilde (Kopenhagener Schule) und
vergleichen es nachher mit der Theorie des Sozialkonstruktivismus nach Alexander Wendt
hinsichtlich der Legitimation von Sicherheitsmaßnahmen. Anschließend überprüfen wir welche
Theorie die Rechtfertigung von Sicherheitsmaßnahmen am besten erklären kann. Definitionsgemäß
bedeutet Versicherheitlichung den mündlichen und sozialen Prozess des Aufbaus von Sicherheit in
einem Staat nach einem besonderen Ereignis. Das Beispiel von 9/11 kann dabei helfen, dieses
Konzept zu verdeutlichen, weil nach diesem Ereignis besondere Maßnahmen ergriffen worden sind,
um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Diese Theorie ist wesentlich heutzutage, da wir
uns momentan auch in einer Situation der Versicherheitlichung durch die Corona Pandemie auch
befinden.
Nach der Kopenhagener Schule geschieht Versicherheitlichung durch eine Verschärfung des
politischen Diskurses, um bestimmte Maßnahmen in einem Land zu rechtfertigen. Diese
Verschärfung und ihre Effektivität hängen von dem Kontext, der Wortwahl und der Implikation des
Diskurses ab. Dabei wird eine Situation als Bedrohung dargestellt. Hier spielen besondere Ereignisse
wie Krisen eine entscheidende Rolle, da Gesundheitskrisen (wie im Fall der COVID 19 Pandemie) oder
Terroranschläge (wie im Fall von 9/11) die Einführung von verschärften Sicherheitsmaßnahmen zu
der Abwehr der Risiken begünstigen. Eine Sicherheitsbedrohung legitimiert die Anwendung von
Gewalt oder Maßnahmen, die der allgemeinen Sicherheit der Bevölkerung eines Landes dienen. Im
folgenden Absatz möchten wir genauer verstehen, wie diese Theorie der Versicherheitlichung
aufgebaut ist.
Innerhalb dieser Theorie findet man Begriffe wir „referent objects“ (Sachen, deren Existenz
als bedroht wahrgenommen wird). Im Beispiel von 9/11 ging es hier um die amerikanische
Bevölkerung und ihre Existenz. Die Bürger der USA wurden als Opfer in vielen Medien dargestellt,
weil sie von internationalen Terroristen angegriffen worden sind. Dann gibt es versicherheitlichende
Akteure wie beispielsweise George Bush, der Präsident der USA. Ein „securitizing move“ umfasst die
, Aktionen von G. Bush nach 9/11. Er hat sich gegen den mittleren Osten und den internationalen
Terrorismus im Fernsehen vor Millionen von Menschen ausgesprochen und hat auf Basis dieser
Aussagen auch später den Krieg gegen Afghanistan erklärt und legitimiert. Auf Basis dieser Krise
wurde Maßnahmen wie der „Patriot Act“ legitimiert, ein Gesetz, dass die erweiterte Überwachung
der amerikanischen Bevölkerung durch die CIA erlaubte, um den Terrorismus innerhalb der USA
zukünftig zu bekämpfen. Solche Aussagen von Bush können durch eine Diskursanalyse im Kontext der
Versicherheitlichung besser verstanden werden. Hier wäre zum Verständnis von den
Sicherheitsmaßnahmen nach 9/11 die Theorie der Versicherheitlichung sehr wertvoll, da sie
umfassend den Legitimitationsprozess von besonderen Maßnahmen erklären kann.
Versicherheitlichung basiert sich auf Sprechakten. Dies bedeutet eine erzielte Handlung
durch das Sprechen. Hier kann man verschiedene Arten von Sprechakten definieren, wie eine
Handlung wo der Sprecher etwas so äußert, um eine bestimmte Reaktion beim Publikum zu erzeugen
(perlokutionärer Sprechakt). Der illokutionäre Sprechakt umfasst dagegen einen Diskurs, der auf
einer besonderen Weise geäußert wird, wie durch Befehle oder Warnungen. Beide Sprechakten
enthalten den lokutionären Sprechakt, der einfach das Sagen eines sinnvollen Satzes definiert. Bei
dieser Definition spielt das Publikum eine besondere Rolle, da es für die Legitimation der
Sicherheitsmaßnahmen zuständig ist. Das Publikum muss den Sprechakt so überzeugend
wahrnehmen, dass der Übergang zwischen einfachen politischen Maßnahmen und ernsten
Sicherheitsmaßnahmen überzeugend erscheint. Der Kontext eines Sprechaktes ist also entscheidend
für die Wahrnehmung der Bevölkerung bezüglich Sicherheitsmaßnahmen.
Es gibt besondere Faktoren, die die Anwendung von Sicherheits-bezogenen Sprechakten
begünstigen. Zum Beispiel umfasst die interne Dimension von Sicherheits-bezogenen Begriffe Sätze
wie „Wir befinden uns in einem Krieg gegen den internationalen Terrorismus/die Corona Pandemie“.
Solche Worte wie „Krieg“ erzeugen eine bestimmte Angst oder Not in der Bevölkerung, die die
Einführung besonderer Maßnahmen legitimiert. Anders klingt zum Beispiel „Wir befinden uns in
einer schwierigen Situation mit dem Terrorismus/der Pandemie“. Solche Aussagen erzeugen keine
dringenden Gefühle von Versicherheitlichung in der Bevölkerung. Die externe Dimension hingegen
illustriert eher kontextuelle Faktoren, wie der Stand der Gesellschaft zum Zeitpunkt des Ereignisses
und wie Figuren der Versicherheitlichung wahrgenommen werden. Zum Beispiel wird der
Gesundheitsminister Spahn und seine Aussagen bezüglich der Corona Pandemie jetzt in April 2021
anders wahrgenommen als am Anfang der Pandemie in März 2020. Dafür kann man die emotionale
und wirtschaftliche Lage der Bevölkerung in Deutschland nach mehreren Lockdowns und scharfe
Sicherheitsmaßnahmen in Betracht ziehen. Ein weiterer Punkt ist die Abgrenzung von
Versicherheitlichung und Sozialkonstruktivismus nach Alexander Wendt.
Der Sozialkonstruktivismus nach Alexander Wendt ähnelt der Versicherheitlichung, indem
beide Theorien zentrale Akteure als Staatsoberhäupter oder wichtige Persönlichkeiten betrachten.
Beide Theorien sehen die Legitimation von Sicherheitsmaßnahmen auch als eine soziale Konstruktion
und erklären, dass solche Konstruktionen wichtig sind, um die Unsicherheit der Bevölkerung bei
Krisen zu minimieren. Sozialkonstruktivismus erklärt den Aufbau der Identität einer Bevölkerung und
ihre Wahrnehmung der Regierung allgemeiner als die Kopenhagener Schule, da es bei Wendt auch
um internationale Beziehungen, die Wahrnehmung des Sicherheitsdilemmas auf internationaler
Ebene und die Konstruktion der Realität durch soziale Konstruktionen geht. Sozialkonstruktivismus
und Versicherheitlichung unterscheiden sich, indem Sozialkonstruktivismus sich eher auf dem dritten
Image (also auf der staatlichen und internationalen Ebene und ihre Struktur) stützt, während
Versicherheitlichung sich auf dem zweiten und ersten Image bezieht (nur in der Wahrnehmung der
Individuen und der Gesellschaft kann man den Legitimationsprozess von Sicherheitsmaßnahmen
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